von Andreas Richter
Der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat bei der Gedenkveranstaltung zum 80. Jahrestag des Beginns des Zweiten Weltkriegs in Warschau eine Rede gehalten. Er sagte dabei manches Vernünftige, so nannte er den Krieg ein "deutsches Verbrechen". Er bat, zu Recht, das polnische Volk für "Deutschlands historische Schuld" um Vergebung.
Steinmeier richtete seine Rede leider aber auch stark am heute üblichen Geschichtsverständnis aus. Seit einigen Jahren ist es im westlichen Mainstream üblich, die Rolle der Sowjetunion mit der des faschistischen Deutschlands gleichzusetzen. Dementsprechend war dann auch das russische Staatsoberhaupt nicht nach Warschau eingeladen.
Der Bundespräsident erwähnte in seiner Rede auch mit keinem Wort Russland oder die Sowjetunion. Zur Bekräftigung der "transatlantischen Freundschaft" bog er dafür die Geschichte des Krieges gehörig zurecht:
Wir alle blicken an diesem Jahrestag mit Dankbarkeit auf Amerika. Die Macht seiner Armeen hat – gemeinsam mit den Verbündeten im Westen und im Osten – den Nationalsozialismus niedergerungen. Und die Macht von Amerikas Ideen und Werten, seine Weitsicht, seine Großzügigkeit haben diesem Kontinent eine andere, eine bessere Zukunft eröffnet. Herr Vizepräsident, das ist die Größe Amerikas, die wir Europäer bewundern und der wir verbunden sind.
Nun weiß jeder, der sich nur oberflächlich mit dem Krieg befasst, dass die Armeen der USA zu keinem Zeitpunkt mehr als einen Bruchteil der Wehrmacht banden; vier von fünf deutschen Soldaten fielen an der Ostfront. Man erfasst diese Dimension auch mit einem Blick auf die Opferzahlen: 400.000 gefallenen US-Amerikanern stehen 27.000.000 tote Sowjetbürger gegenüber. Ohne den Einsatz und die Opfer der Roten Armee gäbe es heute kaum noch ein polnisches Volk, bei dem der Bundespräsident sich entschuldigen könnte.
Natürlich weiß der Bundespräsident das, oder er sollte es doch wissen. Dass er diesen Aspekt der Rolle der Sowjetunion so vollkommen ignoriert und gleichzeitig die Rolle der USA so völlig unangemessen überhöht, lässt sich vielleicht realpolitisch begründen. Unanständig bleibt es dennoch.
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