Bankrotterklärung auf Raten: Die ganz große "Koalition gegen rechts"

Die etablierten Parteien feiern ihre "Erfolge" bei den Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen – und schließen sich zu einer ganz großen "Koalition gegen rechts" zusammen. Der hier inszenierte Kampf Gut gegen Böse wird kein einziges der vorhandenen Probleme lösen.

von Andreas Richter

Die Regierungsparteien SPD und CDU sind in Brandenburg bzw. Sachsen noch einmal stärkste Kraft geworden und können ihre jeweiligen Regierungen unter Hinzuziehung neuer Bündnispartner fortführen. In beiden Ländern wurde die AfD mit starken Zugewinnen zweitstärkste Kraft.

Die Reaktionen der Etablierten auf diese Ergebnisse waren teilweise surreal. "Wir können noch Wahlen gewinnen", sagte etwa der Vizekanzler und Kandidat für den SPD-Vorsitz Olaf Scholz zu den 26,7 Prozent der brandenburgischen SPD (minus 5,7 Prozent). Ähnliche Stimmen gab es zu den 32,7 Prozent (minus 7,3) der CDU in Sachsen.

Zugleich wurden diese "Erfolge" moralisch aufgeladen. Das "freundliche Sachsen" habe gewonnen, so der sächsische CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer. Ganz ähnlich erklärte sein Brandenburger SPD-Kollege Dietmar Woidke:

Ich bin erst mal froh, dass das Gesicht Brandenburgs auch in Zukunft ein freundliches bleiben wird.

Entsprechend dämonisiert wurden die AfD – und deren Wähler. So schrieb etwa Bundesaußenminister Heiko Maas auf Twitter:

Dass Rechtspopulisten in keinem Land stärkste Kraft geworden sind, zeigt klar: Die Mehrheit steht ein für Toleranz und Respekt. Dennoch: Wir müssen weiter gegen Hetzer und Angstmacher. Jeder ist einer zu viel in unseren Parlamenten.

Zu erwarten ist nun in beiden Ländern eine ganz große "Koalition gegen rechts". Mittlerweile wirken die etablierten Parteien von der Linken über Grüne und SPD bis zur CDU wie ein einziger Block, der sich im brandenburgischen Nuthetal sogar zu einem gemeinsamen Wahlplakat zusammenfand. (Übrigens konnte die Kampagne nicht verhindern, dass die AfD auch in dieser Gemeinde zweitstärkste Kraft wurde; die Etablierten verloren mit Ausnahme der Grünen zum Teil deutlich.)

Nun ist allerdings die stets beschworene Bedrohung von rechts in Wirklichkeit eher Symptom einer Krise als die Krise selbst. Die zugrundeliegenden sozialen und wirtschaftlichen Probleme, oft im Kontext mit der Zuwanderung, das Phänomen einer sich auflösenden Gesellschaft werden von den Altparteien systematisch ignoriert oder verschwiegen, dagegen wird das – reale – Problem des Rechtsextremismus überhöht und in das Zentrum aller Debatten gerückt.

Laut einer der interessanteren Umfragen, die Jörg Schönenborn am Wahlabend in der ARD präsentierte, vertreten in Sachsen 98 Prozent der AfD-Wähler die Meinung, dass ihre Partei ausspreche, "was in anderen Parteien nicht gesagt werden darf." Dieser Meinung sind auch 58 Prozent der sächsischen Gesamtbevölkerung. Im Grunde sagt diese Umfrage mehr als die abendfüllenden Analysen und Gespräche in den öffentlich-rechtlichen Sendern.

Die ganz große Koalition kann ihren "Kampf gegen rechts" gut noch jahrelang weiterführen. Lösungsansätze für die wirklichen Probleme wird sie so nicht finden; die Interessen der Mehrheit der Bevölkerung lassen sich auf diese Weise kaum vertreten. Zählt man Nichtwähler und AfD-Wähler zusammen, hat diese ganz große Koalition schon heute keine Mehrheit mehr.

Die AfD hat den Etablierten voraus, dass sie wenigstens zum Teil die richtigen Fragen stellt. Sieht man sich allerdings ihr Personal und ihr Programm in wirtschaftlichen und sozialen Fragen an, stellt man schnell fest, dass sie genau dem neoliberalen Lager entstammt, dass die gegenwärtige Misere zu einem Großteil erst herbeigeführt hat. Wirkliche Lösungen im Sinne der Mehrheit der Bevölkerung sind von ihr so kaum zu erwarten.

Das Feld für eine linke Kraft, die reale soziale Probleme offen anspricht und einen rationalen Ansatz in der Migrationspolitik entwickelt, die nicht moralisiert und sich nicht an das Latte-Macchiato-Milieu der Großstädte richtet, ist riesengroß und weit geöffnet. Nur ist eine solche Kraft nirgends in Sicht; der langsame Bankrott der Etablierten und der mit ihm verbundene Aufstieg der AfD werden sich auf diese Weise fortsetzen.

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