Am 16. Mai setzte die US-Regierung das chinesische Technologieunternehmen Huawei auf die schwarze Liste. Seither ist es US-Unternehmen ohne eine Regierungslizenz untersagt, Technik an Huawei zu verkaufen.
Barrett McCormick ist Professor an der Universität Marquette. Sein Spezialgebiet sind neben chinesischer Politik die Auswirkungen von Informationstechnologien. RT Deutsch sprach mit ihm über den derzeitigen Handelsstreit zwischen Huawei und den USA.
Bitte beschreiben Sie uns die gegenwärtige Situation für das chinesische Unternehmen im Handelsstreit mit den USA.
Ich denke, (für das Unternehmen Huawei) wäre es vor Jahren äußerst schockierend gewesen zu hören, in welch problematischer Situation es sich heute befinden wird. Ich denke nicht, dass viele Leute diesen Handelskrieg und die Handlungen Trumps vorhersehen konnten.
Wann genau wurde Huawei nach Ansicht der US-Amerikaner zu einer Bedrohung?
Die vergangenen Jahre waren sorgenreich. Ich denke, dass Huawei-Chef Ren Zhengfei eine persönliche Geschichte hat, welche ihn mit dem militärischen Geheimdienst in China verbindet. Die Organisation des Unternehmens ist nicht transparent; es ist schwer zu sagen, wer das Unternehmen führt. Dies war lange eine Quelle des Verdachts. Jetzt, da Huawei viel erfolgreicher ist, ist es eher eine Bedrohung. Das Unternehmen ist weltweit sehr erfolgreich, und dieser Erfolg treibt die Bedrohungen voran.
Gibt es denn irgendwelche Beweise, dass Huawei im Auftrag der chinesischen Regierung spioniert und eine Sicherheitsgefahr darstellt?
Damit haben Sie das beste Argument angesprochen, welches man zugunsten Huaweis vorbringen kann. Es gibt keine Beweise, dass die chinesischen Akteure Spionage betrieben haben. Andererseits haben sie sich zwischen den Jahren 2008 und 2013 als Spione betätigt. Dabei handelt es sich wahrscheinlich um den erfolgreichsten Technologietransfer in der Menschheitsgeschichte. Es gibt viele Aufzeichnungen diesbezüglich, die Grund zur Sorge bieten. Der beste Beweis ist die Spionage der Huawei-Gegner, wie Google, Facebook etc. gemeinsam mit den USA. Es ist schwer zu glauben, dass eine chinesische Firma besser in der Lage wäre, sich den Spionageversuchen zu widersetzen als eine US-Firma. Es gibt angemessenen Grund für Spionage.
Aber als Beweis ist die reine Annahme, dass Huawei spionierte, etwas dünn, oder nicht?
Ein weiteres Beweiselement ist die Art der Ausrüstung, welche Huawei verkauft. Mit der 5G-Technik ist es möglich, gegen die Intentionen des Herstellers anzugehen. (Ein Beispiel:) Selbst wenn man heute eine Lokomotive erwirbt, ist diese mit einem Computer verbunden. Wenn man wollte, könnte man diese abschalten. Und dies lässt sich noch besser in Bezug auf elektronische Ausrüstung darstellen, wie eine 5G-Station. Es gibt keine Möglichkeit, sich sicher zu sein, dass Huaweis 5G-Ausrüstung sicher bleibt. Das ist schier unmöglich. Ich denke, es ist nachvollziehbar, sich über die Nutzung der Ausrüstung zu sorgen. Wenn jemand eine Waffe an Ihren Kopf halten würde und Sie mit Widerstand reagieren würden, die Person aber sagte, sie habe nie zuvor jemanden erschossen, ist man trotzdem noch besorgt (...).
Chinesische Firmen sind sehr an den Willen ihrer Regierung gebunden. (Huawei-Chef) Ren behauptet, gegen solche Forderungen immun zu sein. Meine Erfahrung ist, dass dies nicht möglich ist.
Bitte geben Sie uns ein Beispiel, in welchem sich Chinesen auf illegalem Weg US-Technologie angeeignet haben.
Die Pläne für den F-35-Kampfjet. Dies ist der teuerste Flieger, den die USA je entwickelt haben, und die Chinesen waren in der Lage, die Pläne zu stehlen. Nun haben sie einen ähnlichen Kampfjet mit geringeren Produktionskosten entwickelt. Die Spionage ist recht gut dokumentiert. Es gab eine Zeit, in der chinesische Hacker Zugang zu Computern in ganz Washington D. C. erhalten haben. (...) Präsident Barack Obama und der chinesische Präsident Xi Jinping schlossen ein Abkommen, wonach die Spionage eingedämmt wurde. Das Abkommen funktionierte. Jedoch steigt die Bedrohung chinesischer Spionage wieder an.
Huawei gab bekannt, dass das faltbare Mobilgerät Huawei Mate X erst im September vorgestellt wird. Diese Verzögerung begründet das Unternehmen mit den Problemen eines ähnlichen Modells von Samsung. Wie viel Schaden fügte die Politik Donald Trumps gegen Huawei dem Unternehmen bereits zu?
Es gibt ein weiteres Problem mit Huawei. Eine führende Mitarbeiterin, Meng Wanzhou (Finanzchefin Huaweis), wurde in Vancouver, unter dem Vorwurf, dass Huawei US-amerikanische Sanktionen verletzte und an den Iran verkaufte, festgenommen, was eine sehr sensible Angelegenheit für die Trump-Regierung ist. Um US-Technologie zu erwerben, muss eine Übereinkunft unterzeichnet werden, dass man nicht an den Iran verkauft. Chinesische Technologieunternehmen sind mit der Downstream-Technologie vertraut, sind jedoch auf die Upstream-Technologie aus den USA angewiesen. (...) ist ausgezeichnet im Bereich Downstream, wenn es aber den Zugang zur Upstream-Technologie verliert, ist das – zumindest zum jetzigen Zeitpunkt – ein großes Problem.
Huawei wird nun mit einer großen Menge Geld Upstream-Technologie entwickeln, damit es nicht angreifbar ist. Es hat die volle Unterstützung der chinesischen Regierung, um dies zu tun. Es ist aber nicht klar, wie schädigend es für Huawei ist, von US-Lieferanten abgeschnitten zu sein. Langfristig wissen wir das nicht. Es könnte ein Wandel in der Geschichte sein, in der Chinesen beginnen, ihre eigene Technologie zu entwickeln, und wir könnten erfahren, wie die Welt sich in unterschiedliche Technologiesysteme unterteilt.
Es ist auch nicht klar, was Donald Trump im Sinn hat. Vor Jahren gab es einen anderen Fall. (Das chinesische Unternehmen) ZTE wurde ebenfalls dabei ertappt, an die Iraner verkauft zu haben, und die Trump-Regierung schloss sie aus. ZTE sagte, es sei das Ende seines Unternehmens. Aufgrund nicht nachvollziehbarer Gründe änderte Trump seine Meinung und hob das Verbot, ZTE-Technik zu verkaufen, wieder auf. Trump kündigte an, er werde das Problem mit Huawei als Teil eins Handelsabkommens mit China lösen. Das ist möglich. (...).
Aber wer ist der Gewinner dieses Kampfes?
Ich denke, es gibt einige ernsthafte Angelegenheiten in Bezug auf die Handelsbeziehungen zwischen den USA und China. Ich glaube, dass die Europäer viel besser darin sind, Handelsdefizite auszugleichen. Dänemark ist hier als Beispiel zu nennen. In den USA ist man nicht darauf aus, Menschen mit ökonomischen Sorgen zu helfen. China ist schlecht für die Arbeiter. (...) Donald Trump hat den Arbeitern Versprechungen gemacht.
Für Donald Trump besteht ein Ungleichgewicht im Handel zwischen China und den USA. Inwieweit trifft dies Ihrer Meinung nach zu?
Das chinesische ökonomische- und politische System ist so gestaltet, dass die Menschen vom vielen Konsum abgehalten werden. Als Chinese muss man viel arbeiten und viel sparen. Die chinesische Wirtschaft ist auf den Export vieler Güter angewiesen. Um dies zu tun, werden die Güter zu geringen Kosten exportiert. Die USA erwarten allerdings höhere Löhne für chinesische Arbeiter. (...) Ein vergleichbarer Fall ist Südkorea. Es gab eine Zeit, in der südkoreanische Arbeiter höhere Löhne forderten. Es kam zu Streiks. Südkorea musste daraufhin mehr produzieren und stürzte sich auf Technologien wie Mobiltelefone. In China aber macht es das politische System schwierig, höhere Löhne einzufordern.
Ist eine Lösung in Aussicht? Wird es ein Handelsabkommen geben?
Es gestaltet sich meiner Meinung nach äußerst schwer für die chinesische Regierung, dieses Problem zu lösen, und das Problem ist, es müsste grundlegende Änderungen in der Art, wie China funktioniert, geben. Dies wäre eine Bedrohung für die kommunistische Partei. Ich sehe nicht, dass Donald Trump eine Art Reform in China erreichen wird. Die Chinesen könnten gewillt sein, einige Zugeständnisse zu machen. Dies könnte Donald Trump dann in einem US-Stadion mit Tausenden Arbeitern feiern und sich bejubeln lasen. (...) Trump hat eine Reihe von Beratern, die ein sehr geringes Talent aufweisen. So riet Robert Leitheiser (Handelsberater Donald Trumps) dem US-Präsidenten, dass die Chinesen keine Gegenmaßnahmen (zu den US-Strafzöllen) unternehmen würden. Das ist einfach verrückt zu behaupten. Bolton (Sicherheitsberater Donald Trumps) wurde aus der Regierung Bushs entlassen, weil er zu angriffslustig war, und es gab Momente in der Iran-Krise, in der Trump Bolton zurückhalten musste.
Lassen Sie uns noch über das 5G-Netzwerk in Europa sprechen. Huawei verfügt genau über die Hälfte der Verträge für den Netzwerkausbau in China. In Europa versucht Trump, Druck auf EU-Länder wie Deutschland und Großbritannien auszuüben, um Huawei aus dem Netzwerk auszuschließen.
Das geht darauf zurück, was politisch zentral für verschiedene Länder und verschiedene Zeiten ist. In beiden Ländern, Australien und Neuseeland, gibt es Beweise, dass chinesische Firmen versuchen, die inländische Politik und inländische Medien zu beeinflussen. Und die Leute reagieren mit Angst und Wut und entscheiden sich dann für solche Maßnahmen. Die Leute glauben, Huawei stelle ein Sicherheitsrisiko dar. (...) Wenn den Deutschen dies widerfahren wäre, wenn deutsche Politiker heimlich Gelder angenommen hätten und einige deutsche Medien ihre Inhalte so änderten, um dem chinesischen Geschmack zu entsprechen, dann würden die Deutschen anders reagieren. (...) Ich bin sehr über die Überwachungstechnologie in den Vereinigten Staten wie Facebook und Google besorgt. Ich möchte in einer Welt leben, in der die Technologie durch die Menschenrechte eingeschränkt wird, und wir versuchen, Demokratie und individuelle Rechte zu fördern. Das chinesische System neigt sich in eine ganz andere Richtung. Ich bin positiv gegenüber dem Versuch eingestellt, die Chinesen davon abzuhalten, das Zentrum der Welttechnologie zu werden. China hat Überwachungsmöglichkeiten und ein sehr unterdrückendes System aufgebaut. (...) Unter Xi Jinping hat der Staat die Technologieentwicklung beschlagnahmt, um die Kontrolle über die Gesellschaft zu stärken. (...) Ein bekanntes Journal publizierte jüngst einen Titel, der wie die Worte Xi Jinpings klang, jedoch in anderer Reihenfolge. Nun haben sie viel Ärger, besonders der Herausgeber. Das finde ich sehr beängstigend. Ich will nicht, dass die Leute, die etwas Derartiges machen, viel Einfluss auf die Kommunikationssysteme nehmen.
Wir bedanken uns für das Gespräch.
Das Interview führte RT Deutsch-Redakteurin Olga Banach.