von Thomas Schwarz
Angesichts der unverblümten Agitation für einen Krieg gegen den Iran in dieser Woche könnte und müsste nun eigentlich die Stunde der kritischen Journalisten und der kühlen Analysten schlagen: Das "Beweisvideo", mit dem die USA ihre schweren Anschuldigungen gegen Teheran unterfüttern wollen, ist nicht ernst zu nehmen - eigentlich müsste es eine Steilvorlage für Spott und Häme gegenüber den Verbreitern sein. Allein der Versuch, mit einem solchen Video einen großen Krieg anzuzetteln, müsste als Beleidigung der Intelligenz bezeichnet werden. Auch westliche Medien müssten darauf unmissverständlich hinweisen. Indem sie diese Eindeutigkeit in ihren Hinweisen unterlassen, beteiligen sie sich an jener Beleidigung der Intelligenz der Medienkonsumenten.
Golf von Tonkin, Brutkastenlüge, Massenvernichtungswaffen - wann lernen die Medien?
Die Betulichkeit in den Hinweisen auf die schwache Beweiskraft des Videos muss angesichts des total unseriösen Charakters der "US-Beweisführung" als unangemessen bezeichnet werden: Denn die jüngsten Vorfälle im Golf von Oman ordnen sich mutmaßlich (!) in eine schändliche Reihe an kriegsvorbereitender und durchschaubarer Propaganda ein, als die man etwa den "Überfall" auf den Sender Gleiwitz 1939, die "Angriffe" im Golf von Tonkin 1964, die "Brutkastenlüge" 1990 oder die Kampagne zu den "Massenvernichtungswaffen" 2003 bezeichnen muss.
Propaganda jetzt identifizieren! "Hinterher ist man immer klüger" gilt nicht!
Bei den aufgezählten fingierten Vorfällen war schon zum Zeitpunkt des Einsatzes der Propaganda deren kriegstreiberischer und fabrizierter Charakter offensichtlich. Ein ums andere Mal haben die großen Medien aber versagt, indem sie die jeweiligen Lügen nicht angemessen attackiert oder sie gar gestützt haben. Der Satz "hinterher ist man immer klüger" gilt in keinem der genannten Fälle: Man konnte auch zum Zeitpunkt der Propaganda diese bereits durchschauen, wie die jeweiligen zeitgenössischen Kritiker beweisen.
Das ist auch beim aktuellen Vorgang um den Iran der Fall - die Redakteure werden sich später nicht mit dem Verweis auf "Unwissen" aus der Affäre ziehen können: Wer die US-Version nun nicht medial dekonstruiert oder wer sie gar stützt, macht sich mitschuldig. Man stelle sich zur Illustration der Absurdität des aktuellen westlichen Medienverhaltens vor, Russland oder China oder der Iran würden sich trauen, mit einem solchen Video an die Öffentlichkeit zu gehen und würden damit militärische Drohungen rechtfertigen.
Die vorsätzliche Naivität der Medien zum Iran
Die Neue Osnabrücker Zeitung stellt dazu zwar fest: "Die Fakten sind dünn: Zwei Schiffe sind beschädigt. Über Ablauf, Hintergründe und mögliche Schuldige darf spekuliert werden." Die Zeitung schließt dann aber doch vorschnell und vorsätzlich naiv: „Die Spannungen zwischen dem Iran und den USA legen nahe, dass Teheran hinter den mutmaßlichen Attacken steckt. Oder doch nicht?“
Die unrealistische Deutung, der Iran könnte für die Angriffe verantwortlich sein, stützt indirekt auch die Badische Zeitung: "Die Angriffe könnten eine verzweifelte Warnung aus Teheran sein: Bis hierhin und nicht weiter!" Diese Darstellung, die zwar Zweifel an der US-Version anmeldet, aber dann doch (weit hergeholt) eine zumindest indirekte oder doch anscheinend mögliche iranische Urheberschaft unterstellt, findet sich in zahlreichen deutschen Medien.
Wie manche Medien einen großen Krieg herbeischreiben
Noch einen großen Schritt weiter gehen etwa die Welt und die Süddeutsche Zeitung. Die Welt unterstellt nicht nur indirekt eine iranische Schuld, sie fordert auch unverblümt "notfalls" den "Einsatz von Gewalt" - sogar durch die EU:
Die Europäische Union sollte die Iraner als Sponsoren des Staatsterrorismus verurteilen, die Farce eines Atomdeals, der nur den Iranern nutzt, beenden und klarstellen, dass die Straße von Hormus notfalls mit Gewalt offengehalten wird. Und damit dem Teheraner Regime zeigen, dass es sich dieses Mal verzockt hat. Das könnte Wunder wirken.“
Die Süddeutsche Zeitung rechtfertigt prophylaktisch einen eventuellen US-Krieg gegen den Iran, schließlich könne sich der Präsident "nicht vorführen lassen":
Iran kann kaum noch Öl exportieren und hält Erpressung offenbar für ein probates Mittel der Gegenwehr. Die Drohung, die wichtigste Ölroute der Welt zu blockieren, ist letztlich die Drohung mit einer Weltwirtschaftskrise. Sie auch nur anzudeuten, ist ein wahnwitziges Spiel mit dem Feuer. Der amerikanische Präsident mag keinen Krieg wollen, aber noch weniger kann er es sich erlauben, vorgeführt zu werden.“
Wie verarbeiten manche Redakteure ihre Kriegstreiberei?
Man weiß nicht, wie solche Journalisten noch in den Spiegel schauen können, nachdem sie leichtfertig die Welt ein Stück näher an einen vermeidbaren Konflikt herangeschrieben haben. Wie man im Kontrast dazu dem Gebot der Stunde folgt - Deeskalation! -, das zeigt die spanische Zeitung El Priódico:
Denn ohne zu wissen, was in der Meerenge wirklich geschehen ist, scheint es die einzig verantwortungsvolle Reaktion zu sein, wie die EU und Japan erst einmal zur Ruhe aufzurufen und das Vertrauen oder den Respekt unter den Gegnern wieder aufzubauen.“
Mit Ossi-Bashing die Russland-Sanktionen retten
Die Vorstöße der Ministerpräsidenten von Sachsen und Thüringen gegen die antirussischen Wirtschaftssanktionen, die RT hier beschreibt, sind rundum zu begrüßen. Die Abschaffung der irrationalen und auf falschen Tatsachenbehauptungen fußenden Sanktionen ist überfällig. Die Forderungen nach der Abschaffung haben aber auch erwartungsgemäß wütende Abwehrreaktionen hervorgerufen. Einige große Medien verfolgten dabei die Taktik, die Vorstöße als "Wahlkampfmanöver", als "Geschäftemacherei" und als eine "AfD-Position" zu diffamieren.
Ein perfider Sonderstrang in der Meinungsmache für die Sanktionen ist die Bezeichnung des Wunsches nach Annäherung mit Russland als etwas "ostdeutsches". Die Diskussion wird von einigen skrupellosen Redakteuren für gesellschaftliche Spaltungen genutzt, etwa indem ein angeblicher "neuen Ost-West-Konflikt" beschworen wird, wie es etwa hier im Tagesspiegel oder oder hier in der FAZ geschieht. Ein empörendes Beispiel für eine aktuell verbreitete anmaßende, arrogante und billige Fern-Psychologie gegenüber "den Ostdeutschen" lieferte in dieser Woche etwa der Deutschlandfunk:
Auch wenn der Westen mit seinen Aufbaumilliarden noch immer glaubt, den Osten auf Westniveau angleichen zu können, so wird gerade in diesem Wahljahr klarer als je zuvor: Der Osten Deutschlands profiliert sich seit drei Jahrzehnten als Avantgarde – sei es in der Überalterung, den satt zweistelligen Erfolgen einer rechtspopulistischen Partei, dem Vertrauensverlust gegenüber den etablierten Parteien."
"Der Osten" und "der starke Mann"
Der Ruf nach dem starken Mann sei im Osten Deutschlands "kein außergewöhnlicher", fährt der Beitrag fort. Und auch nicht der Blick nach Osten auf der Suche nach Konzepten für die Zukunft:
Skrupellose Machtpolitiker und Nationalisten wie Putin oder Orban können in einer Region, in der die Westbindung Deutschlands und die Wahrung der Menschenrechte einer signifikanten Minderheit wenig gelten, leicht zu Vorbildern werden."
In diese Kerbe haut auch die Zeit, die den Sanktions-Vorstoß als "Irrweg eines Ostdeutschen" bezeichnet, und diverse andere Blätter.
Die "taz": Unverantwortliches Zentralorgan der arroganten Spalter
Ihren spaltarischen Charakter endgültig offengelegt hat im Zuge der Sanktionsdebatte nun auch und vor allem die taz. Die Zeitung erklärt etwa "warum es feige, verlogen und chauvinistisch ist", die Abschaffung der Sanktionen zu fordern. Oder in einem anderen Beitrag, dass "Wir" ein Land seien - und "Ihr" ein anderes Land. Mit "Wir" sind selbstverständlich die Westdeutschen gemeint, die den antirussischen Sanktionen und der Demokratie-Illusion noch noch brav die Treue halten würden.
Die taz hatte kürzlich auch auf einem anderen Feld ihren Ruf als arrogantes Zentralorgan der gesellschaftlichen Spaltung erneuert. So wurde in der Kolumne "Der rote Faden" unter dem Titel „Rentner, gebt das Wahlrecht ab!“ gefordert:
Führerscheine sollte man im Alter abgeben. Warum nicht auch das Wahlrecht? Ja, ich weiß – ein Menschenrecht. Aber es sollte doch auch für uns Junge ein Menschenrecht darauf geben, mindestens Ende siebzig zu werden wie der durchschnittliche Mensch in Europa heute, und das, ohne abwechselnd von Sturmfluten und Waldbränden heimgesucht zu werden."
Der Artikel fährt fort:
Liebe Mitwählende über 60, wir unter 30 hätten ja auch gerne was von diesem Wohlstand, nicht zuletzt weil wir schon jetzt ärmer sind, als unsere Elterngeneration es je war (…)."
Dieser Text ist keine Satire, wie man angesichts der irren These vermuten könnte: Weder die Formulierungen noch das Format noch die Kolumne als solche signalisieren, dass es sich hierbei um ein nicht ernst gemeintes Gedankenexperiment handelt. Unterm Strich steht die starke Vermutung: Die taz meint diese demokratie-, verfassungs- und menschenfeindliche Position tatsächlich ernst. Diese unverantwortliche Art der Aufwiegelung der Jugend ist aktuell an vielen Orten zu beobachten, etwa auch hier im Tagesspiegel: "Die Babyboomer beklauen ihre Kinder doppelt. Ein wahres Schurkenstück."
Alle gegen Alle
Ossis gegen Wessis, Stadt gegen Land, Jung gegen Alt: Alle Gegen Alle! Man hat den Eindruck, dass es momentan kaum gesellschaftliche Gruppen gibt, die von der gegenseitigen Aufwiegelung durch einige Medien verschont bleiben.
Aber doch: Zwei solche Gruppen gibt es - die Habenden und die Nicht-Habenden. Mutmaßlich werden all die anderen Kämpfe vor allem initiiert, um den einen Kampf zu vermeiden: den von Arm gegen Reich.
Julian Assange und Iwan Golunow: Medien-Solidarität gibt es nur für ideologische Verbündete
Ein Paradebeispiel für das Messen mit zweierlei Maß durch die großen deutschen Medien lieferte in dieser Woche der Kontrast zwischen der Berichterstattung über zwei Fälle: Jenen des russischen Journalisten Iwan Golunow einerseits und jenen des Wikileaks-Gründers Julian Assange andererseits. Die große Solidarität westlicher Medien mit dem russischen Journalisten Iwan Golunow sei zwar zu begrüßen, schreiben die NachDenkSeiten. Vergleiche man diesen Aufwand jedoch mit dem dröhnenden Schweigen zu Julian Assange, so sei dieser Kontrast skandalös.
Unter dem Titel „Wenn Julian Assange doch nur ein Russe wäre“ beschreiben die NachDenkSeitenim Folgenden das offensichtliche Messen mit zweierlei Maß der Medien bei den beiden Fällen:
Hier wird nicht unbesehen von Person und Ideologie Unterstützung geboten, das macht der Vergleich Assange/Golunow deutlich: Wer wie Julian Assange journalistisch das eigene (westliche) Bett beschmutzt, sollte auf die Hilfe großer westlicher Medien nicht bauen – auch wenn diese Medien auf den Leistungen von Assange ihre größten Stories der jüngeren Vergangenheit aufgebaut haben.(…)
Die Ungleichbehandlung zwischen Assange und Golunow und die vorgenommene ideologische Unterscheidung nach Freund und Feind entwertet teilweise auch Solidaritäts-Aktionen wie die nun erlebte: Der Verdacht, hier solle einmal mehr die Floskel von der Pressefreiheit gegen die russischen 'Machthaber' instrumentalisiert werden, droht den sehr positiven Akt der Solidarität zu beflecken.
Die angesprochene Heuchelei vieler westlicher Medien setzte sich auch nach Golunows Freilassung fort, nämlich bei der Berichterstattung über einen nicht genehmigten Protestmarsch und die dort unweigerlich folgenden Festnahmen. Von der großen Toleranz, die deutsche Medien den Teilnehmern einer verbotenen Demonstration in Russland entgegenbringen, können deutsche Demonstranten nur träumen."
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