von Zlatko Percinic
Eigentlich wollte die New York Times mit ihrem Artikel ein positives Licht auf CIA-Chefin Gina Haspel werfen. Darüber, wie sie es schaffte, einen guten Draht zu ihrem Boss im Weißen Haus zu finden und es dabei nicht immer so einfach hat. Was der Artikel aber tatsächlich und unbeabsichtigt ans Tageslicht förderte, war der Umstand, wie Donald Trump geschickt manipuliert wurde, um den Befehl für die Ausweisung von 60 russischen Diplomaten aus den Vereinigten Staaten von Amerika nach dem Giftgasanschlag auf Sergej und Julia Skripal in Großbritannien zu erteilen.
Dieser Anschlag in Salisbury sollte Trumps persönlichen Wunsch nach einer besseren Beziehung zwischen den USA und Russland vereiteln, indem die westlichen Länder Moskau beschuldigten, hinter dem Einsatz des tödlichen Nowitschok-Nervengifts zu stecken. In einer koordinierten Maßnahme wollten die Regierungen in London, Berlin, Washington und anderen Hauptstädten russische Diplomaten des Landes verweisen, um solidarische Einigkeit gegenüber Moskau zu demonstrieren.
Die Washington Post berichtete bereits im April 2018, dass sich Donald Trump von den Europäern hintergangen gefühlt habe, nachdem seine Anweisung über die Anzahl der auszuweisenden Personen nicht beachtet wurde. Demnach war Trump sehr wütend darüber, dass er offensichtlich von seinen eigenen Leuten getäuscht worden war. Sie hatten ihm gesagt, dass die "Vereinigten Staaten ungefähr die gleiche Zahl an Russen ausweisen würde, wie ihre europäischen Verbündete". Doch statt der 60 Diplomaten pro Land, waren es am Ende lediglich insgesamt 34 aus der EU. Trump hatte vorgegeben, dass Washington nicht "die Führung übernimmt", sondern mit den Europäern "gleichzieht".
Dass der US-Präsident überhaupt seine Zustimmung für die Ausweisung erteilte, lag an der "Überzeugungsarbeit" von der damals noch stellvertretenden CIA-Chefin Gina Haspel, wie jetzt die New York Times in ihrem Porträt über Haspel beiläufig offenbarte. Es wird in diesem Artikel bestätigt, dass Trump von den "Beweisen" der britischen Regierung über die russische Urheberschaft des Anschlags auf die Skripals in Salisbury nicht überzeugt war und deshalb dem Drängen aus London auf die Ausweisung von Diplomaten nicht nachgeben wollte.
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Haspel habe sich bei dem Treffen mit Trump im März 2018 "in ruhiger aber bestimmter Stimme" an ihn gewandt, "dann nach vorne gebeugt" und ihm gesagt, dass eine "starke Option" die Ausweisung von 60 Diplomaten wäre. Um ihn dann endgültig von diesem Schritt zu überzeugen, präsentierte sie ihm Bilder, die sie von der britischen Regierung bekommen hatte. Darauf waren nicht nur die drei bekannten Opfer des Anschlags (Vater und Tochter Skripal und ein Polizist) zu sehen, sondern auch "junge Kinder" und "tote Enten", die in Kontakt mit dem Nervengift Nowitschok gekommen waren.
Mr. Trump fixierte die Bilder mit den erkrankten Kindern und den toten Enten. Am Ende des Briefings entschied er sich für die starke Option.
Es waren also emotionale Bilder, die die CIA von der britischen Regierung erhalten hatte und sich am Ende als ausschlaggebend für eine Entscheidung in ihrem Sinne herausstellten. Niklaus Nuspliger, NZZ-Korrespondent in Brüssel, nannte diesen Trick in der NZZ-Ausgabe vom 27.03.2018 einen "Erfolg für die britische Diplomatie – und Theresa May."
Bereits ein Jahr davor waren es ebenfalls emotionale Bilder von Kindern, die Trumps Meinung beeinflusst und eine Änderung seiner Politik zur Folge hatten. Als es in der von wahhabitischen Extremisten gehaltenen Stadt Chan Schaichun zu einem angeblichen Saringasangriff kam, gab der US-Präsident zu, welche Auswirkung die Bilder auf ihn hatten:
Ich will Ihnen sagen, dass dieser Angriff auf Kinder gestern eine große Wirkung auf mich hatte, große Wirkung. Meine Haltung zu Syrien und Assad hat sich sehr verändert. … Wenn man unschuldige Kinder tötet, unschuldige Babies, Babies, kleine Babies, mit einem so tödlichen Gas tötet, [die] Leute waren schockiert, als sie gehört haben, was für ein Gas das war. Das überschreitet viele, viele Linien, hinter einer roten Linie, viele viele Linien.
Das Problem mit den Bildern von getöteten Enten und vergifteten kleinen Kindern im Krankenhaus in Salisbury: es hat sie nie gegeben.
Ganz im Gegensatz zu Chan Schaichun, befindet sich Salisbury nicht in einem weit entfernten Kriegsgebiet, sondern mitten in Europa, wo man auf Schritt und Tritt von Überwachungskameras gefilmt wird, Behörden gerne reden und man auch mit Zeugen viel einfacher in Kontakt kommen kann.
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Nach der offiziellen Darstellung wurden die Skripals im Haus von Vater Sergej vergiftet, wo die Türklinke mit dem tödlichen Nervengift Nowitschok kontaminiert gewesen sein soll. Danach sind sie beide zum Avon Spielplatz gegangen, wo sie Enten gefüttert haben. Sergej gab sogar drei Jungen etwas Brot ab, damit diese die Enten füttern konnten. Einer der Jungen soll sogar von dem Brot etwas gegessen haben. Alle drei wurden ins Krankenhaus gebracht, um sie auf eine Vergiftung zu untersuchen. Das sind vermutlich auch die Bilder, die Gina Haspel dem US-Präsidenten vorgelegt hat.
Wie Dr. Jenny Harries, stellvertretende Direktorin des "Public Health England", einer Exekutivagentur des britischen Ministeriums für Gesundheit und Soziales, aussagte, sind alle untersuchten Personen "fit und gesund". Das bestätigte auch die Mutter von einem der drei Jungen, die direkten Körperkontakt mit Sergej Skripal hatten. Wie konnte das aber sein, wenn man Spuren von Nowitschok aus dem "Bishops Mill Pub" und der Pizzeria "Zizzi" nachweisen konnte, wohin die Skripals erst nach dem Besuch des Avon Spielplatzes gegangen sind?
Es ist auch eher unwahrscheinlich, dass es tote Enten gab. In der hysterischen Atmosphäre wären Meldungen von toten Enten ganz sicher aufgegriffen worden, nur um eine weitere Verbindung zwischen dem Anschlag und Russland zu schaffen. Da es diese aber nicht gab, spricht vieles dafür, dass es auch keine toten Enten im Zusammenhang mit dem Nervengift gab.
Das beweist also, dass die CIA bei einem wichtigen Briefing mit dem US-Präsidenten, wo über eine weitreichende Entscheidung wie die Ausweisung von 60 russischen Diplomaten diskutiert wurde, absichtlich die emotionale Ebene von Donald Trump ansprechen wollte. Ob der US-Geheimdienst allerdings wusste, dass die von der britischen Regierung überreichten Bilder nicht das zeigten, was man ihnen andichtete, ist nicht bekannt.
Dafür weiß man aber aus dem Artikel der Washington Post, dass London auf die Ausweisung als Antwort auf die Vergiftung der Skripals drängte, was angesichts der Enthüllung über den Entscheidungsprozess neue Fragen über die Motive der Regierung von Theresa May aufwirft.
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