von Andreas Richter
Die Lage der SPD ist denkbar schwierig. Die Partei hadert mit ihrer Rolle in der "Großen" Koalition, deren Ende sie gleichzeitig herbeisehnt und fürchtet, sehen die Umfragen sie doch nur noch bei 15 Prozent. Das absehbare Ende der Koalition und der möglicherweise noch in diesem Jahr beginnende Bundestagswahlkampf bieten der Partei allerdings überraschenderweise durchaus auch Chancen.
Als die SPD Anfang Februar deutliche sozialpolitische Akzente setzte, schossen ihre Umfragewerte schnell um drei Prozentpunkte nach oben. Dieser Sprung war angesichts der verlorenen Glaubwürdigkeit und des verbraucht wirkenden Spitzenpersonals der Partei erstaunlich. Zwar ist die Partei mittlerweile wieder im 15-Prozent-Ghetto angekommen, aber die genannte Episode zeigt doch, was für die SPD immer noch möglich wäre.
Diese Episode zeigt auch, wie groß in diesem Land das Bedürfnis nach einer linken Kraft ist, die sich der harten sozialen Themen annimmt, statt sich mit Vorliebe an Minderheitenthemen abzuarbeiten. Für die Außenpolitik gilt Ähnliches: Das gegenwärtige internationale Umfeld verlangt in Deutschland geradezu nach einer starken politischen Kraft, die sich für Abrüstung, mehr Dialog und Kooperation einsetzt.
Die Themen liegen auf der Hand: Die von den USA forcierten Konflikte in allen Teilen der Welt, vor allem (aber nicht nur) mit Russland und China, die damit verbundene schablonenhafte Denkweise und Propaganda in Kategorien von Gut und Böse, die geforderte drastische Aufrüstung in der NATO, die immer noch geduldete Präsenz US-amerikanischer Atomwaffen in Deutschland.
Eine glaubhafte, auf Vernunft, Dialog und Deeskalation setzende Programmatik in all diesen Themen könnte der Partei viele Wählerstimmen und längst für unmöglich gehaltene Wahlergebnisse bescheren; mit ihrer fast schon vergessenen, ferneren Vergangenheit als Erfinderin der neuen (bundes)deutschen Ostpolitik der siebziger Jahre wäre die SPD prädestiniert für diese Rolle. Das Problem der Partei: Mit Heiko Maas stellt sie derzeit einen Außenminister, dessen Politik mit den hier skizzierten Chancen nicht viel im Sinn hat.
Ein Blick auf Maas' Twitteraccount zeigt: Der Minister hat das "Wir-sind-die-Guten"-Denken verinnerlicht wie kaum einer seiner Vorgänger, er scheint nichts dabei zu finden, sich an außenpolitischen Abenteuern wie dem der USA in Venezuela zu beteiligen und findet auch die westliche Präsenz in Syrien gut und richtig, die Frage einer gleichberechtigten Verständigung mit Russland liegt ihm dagegen nicht sonderlich am Herzen. Immerhin in der Frage der Rüstung mahnt Maas jüngst zur Zurückhaltung, auch Nord Stream 2 verteidigt er, vermutlich mit einigem Widerwillen. Eine wirkliche Debatte außenpolitischer Fragen oder unterschiedlicher Interessen findet mit ihm nicht statt.
Dazu kommt, dass Heiko Maas kaum eine Gelegenheit auslässt, um sich zu Themen zu äußern, die Gerhard Schröder noch als Gedöns bezeichnet hätte, dass er also auf den Spuren von Grünen und Nicht-Wagenknecht-Linken die "kulturelle Linke" bedient. Historische Ereignisse interpretiert der Minister aus leicht zu durchschauenden, tagespolitischen Motiven regelmäßig auf einseitige und irreführende Weise. Als größtes Übel unser und früherer Zeiten brandmarkt er immer wieder den Nationalismus - obwohl der nationale Rahmen - auch innerhalb einer "EU" für den Großteil der potenziellen Wähler - auch der SPD - noch immer untrennbar mit der Verwirklichung von Demokratie verbunden ist.
Kurzum, mit diesem Außenminister wird die SPD wohl in keinem Wahlkampf außenpolitisch punkten können. Um ihren stetigen Abstieg aufzuhalten, sollte die SPD die in den kommenden Monaten zu erwartenden Wahlniederlagen und das wahrscheinliche Ausscheiden aus der jetzigen Regierung für eine vollständige personelle und inhaltliche Neuaufstellung nutzen - und dabei auf Heiko Maas in der ersten Reihe der Partei lieber verzichten.
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