von Thomas Schwarz
"Totgesagte leben länger" - wenn diese Binsenweisheit zutrifft, dann kann sich US-Präsident Donald Trump langsam auf die Unsterblichkeit einrichten. Es sind wenige US-Politiker bekannt, denen von US-amerikanischen und internationalen (westlichen) Politikern sowie von ihren verbündeten Medien ähnlich oft und leidenschaftlich der baldige Untergang prophezeit wurde. Dass dieser Untergang ausbleibt und sich auch nicht am Horizont abzeichnet, kümmert manche Redakteure nicht: So wie bei ihren enttarnten Erzählungen zu Syrien oder zur Ukraine, bleiben sie auch beim Thema Trump stur bei ihrer Linie, dass es dieses Mal aber wirklich und endgültig "eng" würde für den Präsidenten.
Trump und Maduro: "Totgesagte leben länger"
"Totgesagte leben länger" - dieses Phänomen verbindet Trump mit dem venezolanischen Präsidenten Nicolas Maduro: Dass der Sozialist sich trotz des massiven internationalen Drucks noch hält, kann als kleines Wunder bezeichnet werden - ebenso die anhaltende Loyalität der venezolanischen Militärs. Mit jeder nicht eingetroffenen medialen Prophezeiung von Maduros baldigem Sturz verstärkt sich dessen Nimbus des Unantastbaren, des Davids, der gegen den US-Goliath besteht. Das sollte allerdings noch keine langfristigen Hoffnungen auf eine Abwendung des Putsches gegen Maduro wecken.
Durch den zähen US-Machtkampf gegen Venezuela einerseits und die innenpolitische Kampagne gegen Trump andererseits bilden sich merkwürdige Sympathien: Donald Trump mag man ja gerade noch gegen den tiefen US-Staat verteidigen. Sein Verhalten zu Venezuela ist aber dermaßen infam, dass er dadurch ein Gutteil der gesammelten Sympathien wieder einbüßt. Nicolas Maduro kann hingegen genau diese Stimmung einsammeln: Dem Präsident Venezuelas fliegen nun (durch die Opferrolle) auch Sympathien von Seiten zu, die ihn gestern noch verachtet haben. Doch auf den medialen Dauerbrenner Venezuela soll in dieser Kolumne erst weiter unten eingegangen werden.
Diesmal wird es aber tatsächlich, wirklich, endlich "eng" für Trump
Zunächst zu den USA und den neuesten Entwicklungen zu Donald Trump, zu seinem Ex-Wahlkampf-Manager Paul Manafort und zum Bericht des "Sonderermittlers" Robert Mueller. Dabei ist zunächst auf ein Medienphänomen hinzuweisen: das des vorrangig mit Mutmaßungen ausgefüllten "Countdowns" zu bestimmten Ereignissen. Diese Praxis erlaubt es den Medien, jene Ereignisse ideologisch aufzuladen und Wertungen vorwegzunehmen, noch bevor es überhaupt etwas zu berichten gibt.
Im Falle des Berichts von US-"Sonderermittler" Mueller sah etwa dasZDF in Form des Berichts eine „Stunde der Wahrheit“ kommen: "Die Aufregung ist groß." Denn: "US-Sonderermittler Mueller könnte in Kürze seinen Abschlussbericht zur Russlandaffäre vorlegen. Insider sind sich sicher: Dann dürfte in den USA die politische Hölle losbrechen." Der Spiegel weiß: "Washington fiebert dem Bericht von Sonderermittler Mueller entgegen." Das ehemalige Nachrichtenmagazin sah übrigens auch schon (mindestens) einmal Trumps "Stunde der Wahrheit" kommen. UndT-Online wiederholt einfach eine seit Trumps Wahlsieg verkündete mediale Hoffnung: "Die Einschläge kommen näher." Einen Tag später ergänzteT-Online: "Donald Trumps Kartenhaus wackelt bedrohlich." Es werde eineinhalb Jahre vor der nächsten Präsidentschaftswahl in den USA "richtig ungemütlich für den Amtsinhaber". Für Trump bedeutet das - wie gesagt - mutmaßlich keinen Grund zur Aufregung: Bereits diverse Male wurden sich nähernde "Einschläge", "endgültige" Ungemütlichkeiten oder gar "die Hölle" angekündigt.
Urteilt Mueller nur nach Indizien?
Immerhin interessante Fragen zum Mueller-Bericht wirft dieFAZ auf - auch wenn sie sie dann unbefriedigend beantwortet:
Wird Mueller ein eindeutiges Ergebnis vorlegen? Den bisher 37 Anklageschriften, die auf seine Ermittlungen zurückgehen, lassen sich keine eindeutigen Beweise entnehmen. Hält Mueller noch etwas Hochbrisantes zurück? Möglich, aber nicht sehr wahrscheinlich. Reichen Indizien aus, um gegen den Präsidenten vorzugehen? (…) Das wäre die entscheidende Frage. Sie ist nicht eine rein juristische. Es geht um den Kern der Demokratie in Amerika.
Und aufInfosperber ordnet ein US-Jura-Professor die juristische Bedeutung des Mueller-Berichts ein und erklärt, dass der "Bericht gegen Trump definitionsgemäß einseitig" werden würde, denn: "Der Sonderermittler muss keinen Gegenbeweisen nachgehen und kann solche ignorieren. Und es geht nur um strafbares Fehlverhalten."
Manafort: Medien entdecken soziales Gewissen
Angesichts des gerade ergangenen Urteils gegen Trumps ehemaligen Wahlkampfmanager Paul Manafort entdecken deutsche Medien urplötzlich einen sonst eher verschütten Sinn für soziale Gerechtigkeit. So findet dieWelt, dass es fraglich sei, "ob der konservative weiße Richter gegenüber einem schwarzen Kleindieb genauso mild geurteilt hätte wie gegenüber jemandem wie Manafort, der derselben sozialen Klasse entstammt". Die Ehre eines (scheinbar noch gar nicht verurteilten) Kleinkriminellen hat auch dieRheinische Postfür sich entdeckt, und fragt:
In New York hat ein Mann 25-Cent-Münzen im Wert von 100 Dollar aus dem Gemeinschaftsraum eines Wohnhauses gestohlen, in dem Waschmaschinen stehen. Er muss mit mindestens drei Jahren Gefängnis rechnen, im schlimmsten Fall mit dem Doppelten. Paul Manafort, zuletzt Donald Trumps Wahlkampfstratege, kommt bei sechs Millionen Dollar hinterzogenen Steuern mit 47 Monaten Freiheitsentzug davon. Wo bleibt da die Verhältnismäßigkeit?
"Um die Russlandaffäre ging es nicht."
Die Zeitung ruft auch in Erinnerung, warum das Verfahren gegen Manafort überhaupt in Gang kam und wie weit es sich von diesen unbewiesenen Gründen entfernt hat: "Um die Russlandaffäre ging es nicht." Das kümmert die Zeitung aber nicht, solange "der Prozess zeigte, mit welchen Charakteren Trump sich umgab."
Medien-Studie: Massive Entfremdung
"Totgesagte leben länger" - das trifft leider auch auf das aktuell bestehende deutsche Mediensystem zu: Einer neuen Studie der Uni Mainz zufolge halten immer noch 44 Prozent der Konsumenten den Mainstreammedien ohne Einschränkung die Stange. Andererseits bezeugen alle anderen Daten der Studie eine massive Entfremdung der Leser von den großen Medien. DieNachdenkseiten schreiben dazu:
Diese Entfremdung bereitet den Medien Sorge, das ist nachvollziehbar und an der verdrucksten und teils widersprüchlichen Berichterstattung zur Studie abzulesen. Für die Gesellschaft aber kann diese Entfremdung vieler Bürger von einem extrem defizitären Medienbetrieb eine Chance sein. Die Entwicklung kann im besten Fall in die Ausbildung von gesunder Medienskepsis und -kompetenz münden. Nochmal: Ein Viertel der Befragten stimmt mittlerweile vorbehaltlos(!) dieser noch bis vor Kurzem weithin als radikal empfundenen Aussage zu: ‚Die Medien arbeiten mit der Politik Hand in Hand, um die Meinung der Bevölkerung zu manipulieren.
Medien widerstehen den "Leser-Irrtümern" bezüglich Moskaus bösem Charakter
Dazu passe, dass alle Umfragen zum Thema eine große Sehnsucht der Deutschen nach Verständigung mit Russland belegen würden. Dass sich trotzdem noch kein großes Medium traue, die russenfeindlichen Pfade konsequent zu verlassen, zeige, wie mutmaßlich ideologisch motiviert diese Kampagnen sind. Der Gipfel sei, dass diese "standhafte" mediale Haltung gegen Russland als besonders professionell und mutig verkauft werde – da die Redakteure sich nicht den "Leser-Irrtümern" bezüglich Moskaus bösem Charakter unterwerfen würden.
Die in der Studie belegte Entfremdung der Bürger von „ihren“ Medien kommt nicht von ungefähr. Wichtiges Motiv dürfte diese oben beschriebene sture Negierung des pro-russischen Zeitgeistes durch die Medien sein. Vor dieser Ignoranz sind auch die Moskau-Korrespondenten deutscher Medien nicht gefeit, wie nochmals die Nachdenkseiten beschreiben:
Die Russland-Korrespondenten deutscher Medien könnten unsere Augen und Ohren sein. (…) Stattdessen stellen sich viele deutsche Journalisten in Russland weitgehend blind und taub: Ein ideologischer Filter lässt fast ausschließlich negative Nachrichten passieren und solche, die die Erzählung vom ‚Diktator‘ stützen, wie der russische Präsident Wladimir Putin in vielen deutschen Medien bezeichnet wird.
Immer weniger Moskau-Korrespondenten - Stärkung der Agenturen
In Moskau sind laut einer Analyse der Bundeszentrale für politische Bildung (BPB) ohnehin nur noch etwa 20 deutsche Korrespondenten akkreditiert. Dabei sei die Nachrichtenagentur dpa mit drei Korrespondenten mittlerweile ebenso stark vertreten wie die Vertreter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, während die Zahl der Sendungen, die diese beliefern müssen, in den letzten Jahren noch gewachsen ist, so die BPB. Viele Zeitungen seien in Moskau gar nicht mehr mit eigenen Korrespondenten vertreten, so etwa "Handelsblatt", "Focus", "Stern" oder Regionalzeitungen wie der "Tagesspiegel" oder die "Stuttgarter Zeitung".
Dass diese Abwesenheit vom Geschehen die genannten Zeitungen nicht davon abhält, über Russland zu berichten, müssen die Konsumenten täglich bezeugen. Diese Medien stützen sich dann weitgehend auf zugeliefertes Agenturmaterial. Das stärke den Einfluss dieser internationalen Nachrichtenagenturen nochmals, gleiche die Inhalte an und senke das journalistische Niveau zusätzlich.
Aber selbst wenn Medien einen eigenen Autor in Moskau haben, wie etwa "Die Zeit", die "Süddeutsche Zeitung" oder die "Frankfurter Allgemeine Zeitung", so muss dieser oft ein absurd großes Gebiet bearbeiten: Etwa ist das ZDF-Studio in Moskau laut Wikipedia zuständig für die Berichterstattung aus Armenien, Aserbaidschan, Belarus, Georgien, Kasachstan, Kirgistan, Russland, Tadschikistan, Usbekistan und der Ukraine.
Ignoranz - von Russland bis zu "Aufstehen"
Doch nicht nur gegenüber Russland herrscht die bekannte mediale Ignoranz vor. Auch die soziale Bewegung "Aufstehen" muss mit diesen Gegebenheiten leben, worauf die Fraktionschefin der Linkspartei, Sahra Wagenknecht, aktuell auf ihrer Facebookseite hinweist:
Gerade kursieren Meldungen, ich würde mich von Aufstehen verabschieden. So ein Quatsch! Bei einigen Medien ist offenbar wieder mal der Wunsch Vater des Gedankens. Selbstverständlich werde ich Aufstehen weiter unterstützen, insbesondere durch öffentliche Veranstaltungen, wie nächste Woche in Hamburg. Aber wir brauchen einen Neustart in der Führung von Aufstehen. Hier sollten sich die Berufspolitiker in Zukunft stärker zurücknehmen und die Bewegung denen übergeben, die sie ohnehin an der Basis gestalten.
Infame mediale Dauerschleife zu Venezuela
Da sich der versuchte Putsch gegen den venezolanischen Präsidenten Nicolas Maduro seit Wochen in einer infamen und konsistenten politisch-medialen Kampagne niederschlägt, ist es mittlerweile Tradition, auf eine alte, aber noch bestehende Aussage dieser Kolumne zu verweisen:
Medienkonsumenten, die sich noch nicht zu abgebrühten Zynikern entwickelt haben, können sich angesichts des Umsturzversuchs in Venezuela nur die Augen reiben: zum einen wegen der ganz offenen politischen Einmischung in ein souveränes Land. Zum anderen wegen der medialen Begleitung: Die geht ebenso offen vonstatten. Es wird nicht einmal mehr versucht, den Anschein eines demokratischen Prozesses zu erwecken – weder auf politischer noch auf medialer Ebene.
Dieses Schauspiel hat sich in dieser Woche nochmals verstärkt, anlässlich der Einmischung und anschließenden Ausweisung des deutschen Botschafters. Es soll hier darauf verzichtet werden, die großflächigen und infamen Versuche vieler Medien zu protokollieren, die Einmischung des Botschafters zu rechtfertigen. Stattdessen soll eine der wenigen nachdenklichen Stimmen zitiert werden, aus der Frankenpost:
Berlins viel zu frühe und harsche Einmischung samt Ultimatum sind schwere außenpolitische Fehler, die dem Auswärtigen Amt und Minister Heiko Maas im Besonderen zuzuschreiben sind. Die Ausweisung des deutschen Botschafters ist ungewöhnlich. Aber sie ist die Quittung für eine falsche Entscheidung.
Zweierlei Maß: Deutschland und Venezuela
Es wäre allerdings noch zu klären, warum die Ausweisung "ungewöhnlich" gewesen sein soll. Diese Wortwahl offenbart - selbst bei offensichtlich nicht ganz verblendeten Redakteuren wie jenem von der Frankenpost - ein zentrales Problem der deutschen Berichterstattung zu Venezuela: Es wird kein Vergleich dazu gezogen, wie denn deutsche Behörden mit einem selbsternannten "Präsidenten" umspringen würden, und mit einem Botschafter, der einen solchen Verfassungsbrecher hofiert.
Eine der ganz wenigen Einzelpersonen, die in dieser Woche Klartext zu Venezuela gebrochen haben, ist die Linke-Bundestagsabgeordnete Simone Barrientos. Im Deutschlandfunk zerstörte sie einen dominanten Medien-Mythos zum Alternativ-"Präsidenten":
Juan Guaido kehrt nicht zurück, weil er Gutes will.