von Andreas Richter
Betrachtet man den Internetauftritt des Auswärtigen Amtes und dazu vielleicht noch den Twitter-Account des Außenministers Heiko Maas, muss man den Eindruck gewinnen, dass die Bundesrepublik Deutschland in der Welt das Gute, Wahre und Schöne vertritt.
Als Leitbilder der deutschen Außenpolitik werden immer wieder die "regelbasierte Weltordnung" und der Multilateralismus herausgestellt. Ständig ist die Rede von "Europa", das die Antwort sei, von Konfliktlösung, von Werten und Menschenrechten. Nationalismus und Populismus gelten den Außenämtlern als die Geißeln unserer Zeit.
Die Wirklichkeit ist, wieder einmal, eine andere. Wo die deutschen Außenpolitiker von Multilateralismus reden, praktizieren sie gewissermaßen als Beiboot der US-amerikanischen Macht einen nur gemäßigt modifizierten Unilateralismus. Es geht immer noch um die Ordnung der Welt nach westlichen Vorstellungen – das ist vieles, nur eben kein Multilateralismus.
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Die Regeln der "regelbasierten Weltordnung" gelten im Zweifelsfall nur für die anderen. Wenn die USA wieder einmal einen "Regime Change" versuchen, wie gegenwärtig in Venezuela und zuvor in Syrien und in der Ukraine, ist Deutschland mit dabei oder widersetzt sich, wie im Fall Iran, nicht ernsthaft. Im Falle Venezuelas mischt sich die Bundesrepublik dreist in die Angelegenheiten des Landes ein, um dann "Unverständnis" über die Ausweisung des deutschen Botschafters zu äußern.
Im Völkerrecht verankerte Prinzipien, wie das Gewaltverbot und eben die Nichteinmischung in innere Angelegenheiten, werden schon gewohnheitsmäßig in Frage gestellt. Der frühere Spitzendiplomat Wolfgang Ischinger fordert unverblümt eine Änderung des Völkerrechts, um die sogenannten "humanitären Interventionen" des Westens zu legalisieren. Nur glaubt außerhalb des Westens kaum noch jemand, dass es diesem auch nur in einem Fall um Menschenrechte gegangen wäre.
Und was meinen das Auswärtige Amt und sein Minister mit der Phrase "Europa ist die Lösung"? Außenpolitisch ist die EU kaum mehr als ein Klub von US-Klienten, der Kampfbegriff "Europa" dient dazu, Russland als "uneuropäisch" auszuschließen und existierende außen- und sicherheitspolitische Differenzen zwischen den EU-Staaten zuzukleistern.
Bei seiner ständigen Kritik am Nationalismus scheint Minister Maas zu vergessen, dass die Nation untrennbar mit der Demokratie verbunden ist und dass Nation und internationale Zusammenarbeit keinen Gegensatz darstellen. Natürlich ist übersteigerter Nationalismus problematisch, aber diese Ideologie per se etwa für den Ersten Weltkrieg verantwortlich zu machen, ist einfach nur geschichtsvergessen. Sinnvoller wäre in diesem Zusammenhang eine Kritik am Imperialismus, diese aber verbietet sich offensichtlich, aus naheliegenden Gründen.
Von deutschen Interessen ist beim Auswärtigen Amt und bei Maas kaum die Rede. Wenn, dann spricht man verschämt von "europäischen Interessen". Das ist bedauerlich, denn diese Interessen sind da und verschwinden auch nicht durch Verschweigen. Die derzeitige Außenpolitik ist eine Mischung aus einer komplizenhaften Beteiligung am imperialen Projekt der USA und einer eher verschämt betriebenen eigenen Machtpolitik in der EU.
Diese Politik krankt an zahlreichen Unstimmigkeiten und Widersprüchen. Diese entspringen zum einen der völlig unzureichenden Diskussion über die eigenen Interessen, die der anderen und darüber, wie diese verschiedenen Interessen in Einklang zu bringen sind. Und sie sind zum anderen Ausfluss der ständigen PR-mäßigen Verklärung der eigenen Politik. Es wäre an der Zeit, deutsche Außenpolitik wieder rational zu diskutieren und zu betreiben – und die eigene Außendarstellung der Realität anzupassen.
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