von Felicitas Rabe
Vergangene Woche fand im Kölner VHS-Forum unter großem öffentlichen Interesse die Podiumsveranstaltung "Vorkriegszeit? Russlandbilder in den deutschen Medien" statt. Auf dem Podium saßen Fritz Pleitgen, ehemaliger Intendant des WDR, der Publizist Prof. Dr. Ulrich Teusch und der Journalist und Sozialwissenschaftler Stefan Korinth. Moderiert wurde die Diskussion vom Journalisten Walter von Rossum. Die Veranstaltung wurde gemeinschaftlich vom Kölner Friedensforum, dem Verdi-Bezirk Köln, dem Friedensbildungswerk Köln, dem deutsch-russischen Städtepartnerschaftsverein Köln-Wolgograd, der Kölner Lutherkirche Südstadt und der VHS-Köln organisiert.
Die Kölner Bürgerinnen und Bürger waren so zahlreich erschienen, dass der Saal des VHS-Forums mit seinen 300 Plätzen komplett gefüllt war und zusätzliche Stuhlreihen eingerichtet werden mussten. Offensichtlich ist die Öffentlichkeit ausgesprochen interessiert an einer Diskussion über die mediale Darstellung Russlands, der russischen Regierung und ihres politischen Handelns.
Als erster Redner hielt Ulrich Teusch ein kurzes Referat zum "Neuen Kalten Krieg". Nach seiner Auffassung ist ein Krieg zwischen Russland und der NATO bereits im vollen Gange – und zwar in Form eines Wirtschafts- und Cyberkriegs und insbesondere eines Propagandakriegs. Er stellte fest, dass dieser Krieg maßgeblich nach der Rede des russischen Präsidenten Wladimir Putin auf der Münchner Sicherheitskonferenz im Jahr 2007 begann. Bis dahin wäre offensichtlich nichts passiert, das den Westen bezüglich der russischen Politik "geärgert" habe. In der "guten alten Zeit" zwischen 1990 und 2007 hatte die NATO entgegen aller Versprechungen ihre Osterweiterung vollzogen und Militär in Osteuropa stationiert.
Doch mittlerweile befänden wir uns aufgrund der wiedererlangten politischen und militärischen Stärke Russlands, aber auch Chinas, wieder in einer Übergangsphase zu einer multipolaren Weltordnung. Das Empire der USA stehe zur Disposition. Die entscheidende und gefährliche Frage sei, ob die Vereinigten Staaten diese Position kampflos aufgeben werden.
Der Hintergrund aktueller Machtkonflikte und ihrer Geschichte werde von den westlichen Journalisten zu wenig thematisiert, führt Teusch aus. Stattdessen gebe es eine tendenziell gleichgeschaltete Presse, die sich in diesem Propagandakrieg gegen die russische Regierung richte. Es handele sich um ein fatales dominantes Gruppendenken. Damit konfrontiert, rechtfertigten sich deutsche Mainstream-Journalisten mit der Ausrede, dass ihre Russland-Berichterstattung ja nicht falsch sein könne, weil zum Beispiel "die Kanadier", "die Holländer" und "die Australier" ja diese Meinung teilten.
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Neben dieser Mainstreamposition würden andere Meinungen beziehungsweise das breite Meinungsspektrum zur russischen Politik in der bürgerlichen deutschen Presse nicht veröffentlicht.
Pleitgen lobt deutsche Medienvielfalt
Gleich nach Teuschs Eingangsreferat widersprach der ehemalige WDR-Intendant Fritz Pleitgen und schlug eine Bresche für die deutschen Medien: Im internationalen Vergleich könne man mit der deutschen Presse zufrieden sein. Es gebe ein überraschendes Meinungsspektrum zu Russland in den Medien. Er müsse zwar auch eingestehen, dass er die hiesige Berichterstattung über Russland nicht immer ganz fair finde, relativierte aber diese Aussage sogleich wieder: Es gebe in Deutschland ein Bundesverfassungsgericht, das sich immer für die Meinungsfreiheit einsetze. Das sei einzigartig und vorbildhaft.
Viel mehr Sorgen machten ihm die Wahlprogramme der einzelnen Parteien bei der kommenden EU-Wahl. Der Krieg in der Ukraine, dieser Krieg mit Russland, damit setze sich keine EU-Partei auseinander, so Pleitgen.
Moderator Walter von Rossum berichtete, dass er sich in der Vorbereitung zu der Veranstaltung ein paar Exemplare der früheren NS-Zeitung Völkischer Beobachter angeschaut habe. Dabei sei ihm aufgefallen, dass in den Artikeln selten direkt gelogen wurde, vielmehr wurden Tatsachen unrichtig dargestellt. Die Frage sei, warum es damals und heute einen Konsens in der Russlandberichterstattung gebe. Von Rossum warf die Fragen auf, ob es unter deutschen Journalisten eine Selbststeuerung und unter den Deutschen eine traditionelle Russophobie gebe.
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Pleitgen merkte an, wie überrascht er immer gewesen sei, dass in seiner Zeit als Korrespondent seine Russland-Dokumentarfilme beim deutschen Fernsehpublikum immer eine viel höhere Einschaltquote erzielten als seine Filme über die USA. Demnach interessierten sich die Deutschen sehr stark für Russland. Dann plädierte er dafür, dass man sich trotz der "russischen Krim-Annexion" und trotz des Krieges in der Ukraine keiner Gefühlsduselei hingeben dürfe, sondern vor allem den Verstand walten lassen solle.
Denn es sei doch klar, dass die Russen nach 600 Jahren Tyrannei, Unterdrückung und Diktatur nicht demokratiefähig seien. Mit dieser Vergangenheit haben sich die Russen auch nach dem Ende der Sowjetunion nicht zu einer Demokratie entwickeln können. Und dort gebe es auch keine Pressefreiheit, so Pleitgen.
Der Westen habe den großen Fehler gemacht, nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion nicht in angemessener Weise Hilfe geleistet zu haben. Man hätte unter anderem zum Beispiel direkt speziell ausgebildete Rechtsprofessoren an die russischen Universitäten schicken sollen. Zu seinem großen Bedauern habe es damals keine passende Hilfe gegeben und es gebe in der aktuellen deutschen Außenpolitik auch kein passendes Konzept zur Bewältigung der Russland-Krise.
Wendepunkt Maidan: Wachsendes Misstrauen der Medienkonsumenten
Der Moderator wandte sich mit der Frage an Stefan Korinth, ob dieser glaube, dass deutsche Journalisten vorsätzlich falsch über Russland berichteten. Korinth nahm nicht an, dass alle Journalisten absichtlich die Wahrheit manipulieren. Allerdings sei es eklatant, dass sie ihre Berichte trotz massiver Zuschauerkritik und trotz detailliert belegter Unwahrheiten insbesondere zur Berichterstattung über die Maidan-Ereignisse in der Ukraine weder revidieren noch neu recherchieren würden. Korinth habe selbst ausführlich zu dem Geschehen auf dem Maidan recherchiert. Er kenne viele Zeugenaussagen, die nachwiesen, wer damals tatsächlich geschossen hat. Es sei auch nachweisbar, dass ein Großteil der ukrainischen Bevölkerung die Umstürzler nicht unterstützt habe und es viele dem offiziellen Narrativ widersprechenden Belege gebe.
Auch für Ulrich Teusch stellte die Maidan-Berichterstattung einen Wendepunkt in der öffentlichen Wahrnehmung der deutschen Medien dar. Ab diesem Zeitpunkt habe es im Fernsehpublikum rumort, und viele Zuschauen haben sich beschwert, dass sie sich völlig falsch informiert fühlten. Ab dieser Zeit habe Teusch selbst angefangen, sich auch bei RT International über das Weltgeschehen zu informieren.
An dieser Stelle fühlte sich Fritz Pleitgen sofort aufgefordert einzuwerfen: "RT ist ein Propagandasender." Dann sei die Tagesschau auch ein Propagandasender, konterte Teusch, der aber gleichzeitig betonte, dass er nicht RT verteidigen wolle. Er habe nur feststellen wollen, dass auch er ab dem Zeitpunkt der Maidan-Berichterstattung angefangen habe, sich bei alternativen Medien zu informieren. Grundsätzlich bevorzuge er es, ein breites Meinungsspektrum zu erfahren, und deshalb finde er es auch richtig, sich vielfältig zu informieren.
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Teusch griff noch einmal die Russlanddarstellung in der deutschen Presse auf und bedauerte, dass es heute in der keine ausführlich übersetzten Reden russischer Politiker mehr gebe. Zu Sowjetzeiten seien deren übersetzte Reden noch vollständig wiedergegeben worden. Heute dagegen werden aus Putins Reden ein paar Spitzen herausgegriffen und gehässig kommentiert.
Defizite in der Pressefreiheit hierzulande
Walter von Rossum stellte fest, es sei Konsens in den Mainstreammedien, dass Russland ein Unrechtsstaat ist. Das liege daran, so Pleitgen noch mal, dass Russland sich nicht von einem auf den anderen Tag von einer Diktatur in eine Demokratie verwandeln könne. Selbst Putin gebe zu, dass es sich um eine gelenkte Demokratie handele. Zudem widersprach Pleitgen der Behauptung, dass es eine einheitliche Meinung in den Medien zu Russland gebe. Schließlich werde auf die Journalisten doch kein Druck ausgeübt.
Ulrich Teusch ging darauf ein und berichtete über die Erfahrungen des Filmemachers Andrei Nekrassow, der im Jahr 2016 für Arte und das ZDF den Dokumentarfilm "Magnitzki Act – Behind the Scenes" produzierte. Der Grimme-Preisträger Nekrassow war ein Putin-kritischer Journalist, der ursprünglich eine Heldengeschichte über den 2009 im russischen Gefängnis verstorbenen Steuerberater Sergej Magnitzki machen wollte, indem er Magnitzki als Whistleblower und Opfer des russischen Staates darstellt. Im Verlauf seiner Recherchen entdeckte er aber die dunklen Seiten seines Protagonisten. So wurde sein Film eine fulminante Story über die üblen Machenschaften von Magnitzki, durch die der russische Staat geschädigt wurde.
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Der Film sollte am Tag der Pressefreiheit, am 3. Mai 2016, ausgestrahlt werden. Kurz davor intervenierte die Grünen-Politikerin Marieluise Beck und konnte die Ausstrahlung verhindern. Auch eine bereits geplante Vorführung im EU-Parlament in Brüssel musste kurzfristig abgesagt werden. Der Film durfte bis heute nicht im öffentlich-rechtlichen Fernsehen gezeigt werden, und die westlichen Medien wollten mit Nekrassow nichts mehr zu tun haben.
Hinsichtlich der hiesigen Pressefreiheit gab von Rossum zu bedenken, wie er vom ZDF-Nachrichtensprecher Claus Kleber selbst erfahren habe, dass der frühere ZDF-Intendant Nikolaus Brender sich nach Gutsherrenart aufgeführt habe und kein Meinungsspektrum in seinem Programm haben wollte. So habe er das Politikmagazin Frontal mit Bodo Hauser und Ulrich Kienzle ausdrücklich mit der Begründung abgeschafft, dass es zwei verschiedene Meinungen in einem Programm nicht geben darf.
Von Rossum fügte hinzu, dass es mittlerweile an die 50 ehemalige WDR-Journalisten gebe, die aufgrund ihrer unerwünschten Meinungen den WDR nicht mehr betreten dürften. Schließlich wäre auch bekannt, dass Mitarbeiter der Welt bei Arbeitsantritt einen Vertrag zu unterzeichnen haben, in dem sie sich zu einer israelfreundlichen Berichterstattung verpflichten. Selbst der Mainstream-Journalist Markus Lanz habe für seine zu unkritische Russland-Reisereportage vor der Fußball-WM sehr viel Kritik aus dem Medien-Establishment erfahren.
Ulrich Teusch wünschte sich, dass es in den deutschen öffentlich-rechtlichen Medien einmal eine vergleichbare politische Meinungsvielfalt gebe wie im russischen Staatsfernsehen. Dort werden regelmäßig Interviews mit regierungskritischen Politikern und Oppositionellen ausgestrahlt, die ausführlich ihre Positionen darlegen können. Das sei nicht vergleichbar mit den wenigen kritischen Stimmen in deutschen Talkshows, die obendrein noch kaum zu Wort kommen. Es sei unglaublich, dass die Einstellung der Deutschen gegenüber den Russen noch heute durch Aussagen von zeitgenössischen Politikwissenschaftlern geprägt werden, die die Russen aufgrund ihres "Volkscharakters" als nicht demokratiefähig bezeichnen.
Es fehlte ein echter Dialog
Was der Podiumsdiskussion fehlte, war ein echter Dialog, bei dem auf die Argumente der anderen Teilnehmer eingegangen wird. Insbesondere Pleitgen, der betonte, wie wichtig es sei, miteinander ins Gespräch zu kommen, schien wenig Interesse daran zu haben, auf die Belege von Teusch und Korinth für eine einseitige Russland-Berichterstattung einzugehen.
Anstatt das Russlandbild in deutschen Medien zu untersuchen und zu hinterfragen, verteidigte Pleitgen die angebliche deutsche "Medienvielfalt". Zumeist ging er überhaupt nicht auf die Argumente der beiden Journalisten ein, sondern referierte immer wieder über die undemokratischen Russen, die mangelnde Pressefreiheit in Russland und die Rückständigkeit des Landes. Mit seinen Beiträgen reproduzierte er selbst die stereotypischen Russlandbilder und bestätigte fast durchgängig den offiziellen Narrativ.
Obwohl es ersichtlich ist, dass das deutsche Publikum gegenüber der Berichterstattung über Russland und die russische Politik immer kritischer wird, ließ Pleitgen nicht zu, dass über die Hintergründe der Falschdarstellungen eine echte Diskussion entstehen konnte.
Die Beiträge von Teusch und Korinth haben deutlich gemacht, dass angesichts von Defiziten in der Pressefreiheit hierzulande eine Überheblichkeit gegenüber Russland nicht angebracht ist. Es ist besonders erschütternd, dass medial immer noch versucht wird, uns "die Russen" als "rückständig" und minderwertig ("demokratieunfähig") zu präsentieren, um die Einmischung in ihrem Land zu rechtfertigen.
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