Doping-Skandal: Deutsche Welle vergleicht RUSADA mit Nazi-Deutschland

Joscha Weber, Leiter des Sport-Ressorts der Deutschen Welle, hat Russland in einem Meinungsartikel zum Doping-Skandal und dem Konflikt zwischen der Internationalen und der Russischen Anti-Doping-Agentur mit Nazi-Deutschland verglichen. Das wirft Fragen auf.

von Dmitry Gukov

Joscha Weber, Leiter des Sport-Ressorts der Deutschen Welle, rügt in einem Meinungsartikel die Haltung der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) gegenüber Russland und ihrem russischen Pendant RUSADA als nicht hart genug und spricht von einer Begnadigung, wo noch keine Ermittlung stattgefunden hat. Das ist wenig überraschend. In der englischen und der deutschen Version des Artikels entspricht das Ausmaß der Kritik an Russland dem in den Mainstream-Medien üblichen Level. 

Der Doping-Skandal wurde durch die WADA und das Internationale Olympische Komitee (IOK) vornehmlich auf US-Druck hin aus fadenscheinig fabriziertem Anlass vom Zaun gebrochen. Seitdem wird er am Köcheln gehalten – eben auch mithilfe der Deutschen Welle. Das alles ist bekannt und gewissermaßen Alltag.

Ungewöhnlich ist die Rhetorik, die der Journalist im Namen der Deutschen Welle und damit auch im Namen der Bundesrepublik Deutschland nutzt – denn nirgendwo ist eine Distanzierung des Senders von der Meinung Webers erkennbar. Gegen Ende des Artikels dreht Weber richtig auf.

RUSADA, Nazi-Deutschland - ist doch alles Dasselbe

Am Schluss seiner Argumentation, warum man nun der russischen Anti-Doping-Agentur RUSADA die Akkreditierung entziehen solle, bis Russland seine angebliche Schuld eingestehe und Reue zeige, spitzt Joscha Weber seine Rhetorik zu:

Da sorgt eine sportliche Großmacht für den größten Doping-Skandal der Sport-Geschichte und die Welt-Anti-Doping-Polizei übt sich in Milde, Nachsicht und einer Politik der Umarmung. Geht's noch? Das Verhalten der WADA ist geradezu naiv.

Eben ein Meinungsartikel. Doch dann kommt der Stolperstein, der in der deutschen Version des Artikels fehlt, aber interessanterweise ausgerechnet in der russischen Version veröffentlicht wurde. Hier zieht Weber endlich die Parallele, die dann wohl der eigentliche Grund für seinen Meinungsartikel gewesen sein dürfte und hier in deutscher Übersetzung, Stand 09.01.2019, 18:00 Moskauer Zeit, wiedergegeben wird:

Das ist so, als hätten gegen Ende des Zweiten Weltkriegs die Alliierten plötzlich zu einer Appeasement-Politik gegenüber Nazi-Deutschland gewechselt.

Mittlerweile ist diese Passage auch aus der russischen Version des DW-Meinungsartikels entfernt worden, doch wer vergleichen möchte, kann auf diese Momentaufnahme der DW-Internetseite in der Way Back Machine oder in einem anderen Internetarchiv zugreifen.

Man lasse sich das auf der Zunge zergehen: In seiner Eigenschaft als Sportjournalist und Vertreter des deutschen staatlichen Auslandsmediums greift Joscha Weber mit nur einem Vergleich gleich dreimal ins Klo.

Zuallererst holt Sportjournalist Weber martialische Rhetorik dorthin, wo sie nichts zu suchen hat – in den internationalen Sport. Gerade im Zusammenhang mit allem, was den Beinamen "olympisch" trägt – und Weber erwähnt das Internationale Olympische Komitee IOK – widerspricht es der Grundidee der Olympischen Spiele.

Zweitens ist die Formulierung, ganz nüchtern und unbefangen betrachtet, ein krampfhafter Versuch politischer Instrumentalisierung des Doping-Skandals. Denn damit suggeriert der Sportjournalist und Deutsche Welle-Mitarbeiter Weber in seinem Artikel, aus Russland auf Biegen und Brechen ein Schuldeingeständnis herauszuschlagen, sei ebenso wichtig wie der Sieg über Hitlerdeutschland im Zweiten Weltkrieg.

Mehr zum Thema - WADA lobt russische Antidoping-Agentur nach Überprüfung

Drittens wird hier von einem Mitarbeiter eines deutschen Staatssenders eine Parallele gezogen, die grauenhaft nach hinten losgeht: Weber setzt das übelste Regime der Weltgeschichte, das von deutschem Boden aus Krieg und Grausamkeit über die Welt brachte, mit einer Institution ausgerechnet des Landes gleich, das den mit Abstand größten Beitrag zur Erlösung der Welt von demselben Regime geleistet hat.

Ein interessantes Detail ist dabei, dass diese Botschaft nur an die russischsprachige Leserschaft gerichtet ist: So enthielt weder die deutsche noch die englische Version des Artikels den unsäglichen Nazi-Vergleich. 

Und es stellen sich weitere unbequeme Fragen: kann die Absicht der Deutschen Welle gewesen sein, die Verbrechen Hitlerdeutschlands zu banalisieren? Oder "nur" Russland so plump anzuschwärzen? Oder war dies bloß Joscha Webers persönliche Entgleisung? Und weshalb glaubt der Autor mit der infamen Parallele ausgerechnet bei russischsprachigem Publikum zu punkten? Bemerkenswert auch, dass wenn sich etwa der türkische Staatspräsident Erdogan seinerzeit zu Nazi-Vergleichen gegen die Bundesregierung und die Bundesrepublik verstieg, waren diese für den Kommentator der Deutschen Welle nichts als "Herumpöbeln", "Amoklauf" und "Attacken ohne Maß und Anstand"