von Zlatko Percinic
Über 120 Medienvertreter drängten sich in den frühen Morgenstunden des 30. Oktober in die Lobby eines Hotels im Zentrum der norwegischen Stadt Trondheim. Für 6 Uhr wurde kurzfristig eine Sicherheitsüberprüfung mit Spürhunden einberufen, ohne allerdings diese Information der zuständigen norwegischen Armeeeinheit zeitnah übermittelt zu haben. Und ohne die Schnüffelnasen konnten die Medienleute nicht in den dafür vorgesehenen Warteraum hereingelassen und entsprechend auch nicht zum Veranstaltungsort außerhalb Trondheims gebracht werden.
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In aller Eile wurden deshalb zwei Kampfmittelspürhunde der Hundestaffel mit einiger Verzögerung herbeigeschafft, um mit dem sogenannten Screening zu beginnen. Anschließend standen und saßen die Journalisten im Warteraum – und ganz Müde lagen sogar auf dem Boden. Die Wartezeit konnte man sich mit Frühstück und Networking verkürzen, bis die drei Reisebusse vor dem Hotel platziert waren und uns zum etwa dreißig Minuten entfernten Veranstaltungsort südlich von Trondheim bringen sollten.
Als es soweit war, drängten sich alle durch den Hinterausgang des Hotels, um einmal rund um das Hotel bis zu den Bussen zu laufen, wo die norwegische Militärpolizei eine Absperrung eingerichtet hatte. Niemand durfte diese Absperrung passieren. Mit einer Vor- und Nachhut setzte sich der kleine Konvoi mit Blaulicht in Bewegung. Straßenkreuzungen waren von der Armee gesperrt. Neugierige Blicke der Passanten suchten in den großen Busfenstern nach bekannten Gesichtern, nichtsahnend, dass es sich bei den Insassen um einfache Medienvertreter handelte.
Die Fahrt verlief entlang der malerischen Küste, bis es nach einigen Kilometern auf eine Anhöhe in Byneset ging, wo man einen wunderschönen Ausblick auf das Meer und den vorgelagerten Fjord hatte. Unsere ständigen Begleiter auf dem Meer, die königliche Marine der Niederländer und Schweden sowie die Dixmude, ein französischer Hubschrauberträger der Mistral-Klasse, waren nur kurz nach unserer Ankunft ebenfalls an ihrem Bestimmungsort angekommen. Schon von weitem konnte man die deutsche PATRIOT-Batterie der Bundeswehr erkennen, deren vier Raketenkammern hoch in die Luft ragten.
Auf dieser Anhöhe wurde eine Tribüne errichtet, wo später die Militärs aller NATO-Mitglieder, die eingeladenen Beobachter sowie die Journalisten Platz nahmen, um die Simulation einer Eroberung eines von feindlichen Kräften gehaltenen Strandabschnittes zu beobachten. Doch zunächst wurde eine Pressekonferenz mit NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg und dem norwegischen Verteidigungsminister Frank Bakke-Jensen durchgeführt, die in einem nur mäßig beheizten Medienzelt stattfand. Für die nötige Wärme sorgten dann schließlich nicht die Heizungen, sondern die Aussagen des ehemaligen norwegischen Ministerpräsidenten und gegenwärtigen NATO-Generalsekretärs Jens Stoltenberg. Bei der Frage, ob russische Beobachter zu Trident Juncture eingeladen wurden und auch an diesem Tag dabei sind, antwortete er:
Die NATO lädt immer Beobachter zu unseren Übungen ein, während Russland keine internationalen Beobachter zu irgendeiner Übung seit dem Kalten Krieg eingeladen hat. Wir sind transparent, und wir informieren sie über unsere Übungen und laden sie ein.
Dieser Satz wurde kritiklos als Tatsache von fast allen Journalisten übernommen, so auch beispielsweise von Stefan Leifert des ZDF. Er machte sich nicht einmal die Mühe, um Stoltenberg zu zitieren, sondern gab das Gehörte als Tatsache wieder:
Zuletzt hatte Russland mit angeblich über 300.000 Soldaten im September seine Großübung 'Wostok' abgehalten. NATO-Beobachter waren nicht eingeladen. Das ist bei 'Trident Juncture' anders: Zwei russische Militärbeobachter sind vor Ort und werden von NATO-Offizieren über jeden Teil des Manövers informiert.
Dabei war die Aussage des NATO-Generalsekretärs eine glatte Lüge. Es war kein Versprecher, kein ausgelassenes Detail, sondern schlichtweg eine wissentliche Falschbehauptung. Denn Russland hat sehr wohl internationale Beobachter bei seiner Großübung "Wostok 2018" Mitte September eingeladen. Insgesamt 87 internationale Beobachter aus 59 Ländern waren anwesend, nebst 326 in- und ausländischen Journalisten. Auch zur Übung "Zapad 2017" wurden internationale Beobachter eingeladen, die sogar vor der Kamera bestätigten, dass diese nichts mit den heillosen Übertreibungen der westlichen Medien und manchen Regierungen zu tun habe. Die von Stoltenberg so oft beschworene Transparenz der Nordatlantischen Allianz hat durch diesen – wie auch immer zustandegekommenen – Lapsus schweren Schaden genommen.
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Auch bei der Frage- und Antwortrunde zeigte sich das Problem mit der Transparenz. Fragen waren natürlich erlaubt, nur nicht von allen. Noch vor der Ankunft der beiden norwegischen Gastgeber erkundigte sich eine NATO-Mitarbeiterin bei den auf den vordersten Stühlen sitzenden Journalisten, ob sie eine Frage stellen möchten und wenn ja, welche. Da die Dame mit einer Namensliste und wir mit nummerierten Presseausweisen ausgestattet waren, konnte sie die Fragen dem jeweiligen Medienunternehmen zuordnen. Die Auswahl der Journalisten, die nach den Reden von Stoltenberg und Bakke-Jensen eine Frage stellen durften, nahm die persönliche Sekretärin des Generalsekretärs vor. Und obwohl ich mich mehrmals bemerkbar machte, und sie mir sogar signalisierte, dass meine Frage als nächstes dran sei, erhielt RT Deutsch keine Möglichkeit, eine kritische Frage zu stellen.
Die militärische Simulation nach der Pressekonferenz war für die meisten Journalisten der interessanteste Aspekt, bot doch das beachtliche Aufgebot von Luft, See- und Landstreitkräften eine große Fülle an Bildmaterial. Über 3.000 Soldaten waren an diesem Spektakel im Einsatz, um der versammelten Presse und natürlich den ranghohen Militärs ihr Können unter Beweis zu stellen. Neben der bereits erwähnten Marine waren Kampfjets, Transportflugzeuge, strategische Bomber, Hubschrauber, Panzer und natürlich Infanterie im Einsatz, die zwar eine große Show boten, aber die Falschbehauptung von Stoltenberg nicht durch ihren Lärm übertönen konnten.