von Andreas Richter
Vergangene Woche sagte Angela Merkel auf einer Veranstaltung der Augsburger Allgemeinen, es sei eine Tatsache, "dass das Thema Flüchtlinge dieses Land ein Stück weit spaltet". Sie fügte hinzu, dass diese Entwicklung unterschiedliche politische Positionen rechtfertige, "aber nicht diese Art von Hass. Diese völlige Enthemmung in der Sprache ist etwas, das wir nicht tolerieren dürfen in Deutschland."
Diese Worte der Kanzlerin klingen zunächst einmal einsichtsvoll, mancher wird vielleicht einen Hauch von Selbstkritik in ihnen entdecken. Bei genauerer Betrachtung beinhalten sie jedoch das genaue Gegenteil: Eine Bestätigung der eigenen Position und eine Delegitimierung der ihrer Kritiker.
Was zunächst einmal merkelhaft tapsig daherkommt, sind in Wahrheit absichtsvoll gesetzte Worte. Die Kanzlerin spricht vom "Thema Flüchtlinge", nicht von "Flüchtlingspolitik". Damit nimmt sie sich zum ersten selbst aus dem Spiel und vermeidet es, von ihrer Politik und ihrer Entscheidung im September 2015 zu sprechen. Ein "Thema Flüchtlinge" ist einfach so da, spricht man dagegen – wie es angezeigt gewesen wäre – von Flüchtlingspolitik, kann man konkrete Entscheidungen und Verantwortlichkeiten nicht einfach außen vorlassen.
Zum zweiten impliziert das Reden vom "Thema Flüchtlinge", dass sich jede Kritik gegen ihre konkrete Politik gegen die Menschen selbst richtet, also per se menschenfeindlich ist. Das ist so falsch wie perfide. Man kann Merkels Politik für grundfalsch halten und die Anwesenheit einer siebenstelligen Zahl von Flüchtlingen in Deutschland für katastrophal und gefährlich, ohne etwas gegen die Flüchtlinge als Individuen zu haben, ohne Rechtsextremist oder Rassist zu sein. Genau in diese Ecke stellt die Kanzlerin aber Kritiker ihrer Politik.
Es war die Kanzlerin selbst, die mit der Moralisierung ihrer Politik für die Emotionalisierung der Flüchtlingsdebatte sorgte. Die Grenzöffnung für Flüchtlinge wurde von ihr als Akt der Humanität präsentiert, ohne dass die politischen Motive hinter dieser Entscheidung thematisiert wurden. Mit diesem Kunstgriff zog sie praktisch das gesamte "linke" politische Lager auf ihre Seite, während Kritiker ihrer Politik von vornherein als unmoralisch und menschenfeindlich gelten konnten. An der folgenden Eskalation der Flüchtlingsdebatte, der "Enthemmung in der Sprache", die sie selber beklagt, hat die Kanzlerin also selbst einen entscheidenden Anteil.
Es gehört zu Merkels Stil, Probleme als vom Himmel gefallen und ihre Entscheidungen als alternativlos zu verkaufen. Radikal daherkommende Proteste gegen ihre Politik spielen ihr dabei in die Hände und erlauben ihr und ihren medialen und politischen Verbündeten, eine wirkliche Debatte über Migration und Sicherheit zu vermeiden. Doch diese Debatte muss geführt werden. Ihre Kritiker sollten es besser machen als die Kanzlerin und die Folgen ihrer Politik sachlich, ehrlich und beharrlich aufzeigen.
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