von Zlatko Percinic
In einem schon fast makaber anmutenden Artikel des Redakteurs vom Dienst bei der FAZ, Martin Benninghoff, schreibt er über das angebliche Versagen der westlichen Ausbildung bei "Diktatorenkindern" wie Baschar al-Assad, Kim Jong-un und Saif al-Islam Gaddafi. Sie alle durften als Jugendliche in den Genuss einer westlichen Ausbildung bei privaten Eliteschulen kommen. Und Benninghoff ist der Meinung: "Nützt alles nichts!" Denn, so verkündet der FAZ-Autor weiter:
Ein Schulbesuch in der Schweiz kann nichts ändern, wenn die Gene einen Menschen zum paranoiden Herrscher stempeln.
Er hinterfragt den Einfluss einer westlichen Erziehung bei Kindern von Herrschern und Diktatoren, und fragt sich dabei, ob sie "durch die dortige Demokratie, die Wahrung der Menschenrechte und möglicherweise (durch) den Ausflug ins örtliche Geschichtsmuseum mit dem Geist der Freiheit infiziert" wurden. Als Beweis des offensichtlichen Mangels an westlichem Einfluss führt der FAZ-Redakteur vom Dienst auf, dass Baschar al-Assad "bei westlichen Beobachtern Hoffnungen auf demokratische Reformen, wegen seiner westlichen Ausbildung in Großbritannien" in Syrien durchführen würde. Statt der Einführung der britischen Kultur mit Teatime und Fish and Chips jedoch "zeigte sich Baschar al-Assad genauso willig wie sein Vater, die Zivilbevölkerung zu bombardieren und mit Giftgas gnadenlos umzubringen".
Als dann aber die Bilder der schwerkranken Asma al-Assad durch die Welt gingen, der syrischen First Lady, die ebenfalls in Großbritannien aufwuchs, "wo sie als Muslimin auf eine christliche Eliteschule" ging, wie Martin Benninghoff betont, dann heißt es dazu: "So viel Transparenz ist man eher aus demokratisch verfassten Ländern gewöhnt."
Gescheiterte Staaten als "zivilisatorische Mission"?
Wenn man "mit der Lupe" sucht, würde man "mit Abstrichen" König Abdullah II. finden, den König des Haschemitischen Königreiches von Jordanien und "nahöstlichen Vermittler mit Westbindung". Er qualifiziere sich als Demokrat mit Abstrichen, wie es Benninghoff nennt, aufgrund seines Gastauftrittes in der Star-Trek-Serie "Voyager" und weil er bekennender Trekkie ist.
Zum großen Schlag holt er fast zum Schluss aus:
Die Beispiele gescheiterter Staaten wie Libyen nach der Ära Gaddafi oder Irak nach dem Sturz Saddam Husseins dürften den Diktatorenfamilien Assad und Kim, die noch in ihren Machtzentralen sitzen, eine eindringliche Warnung sein. Sie wären nach einer Demokratisierung ihrer Länder Fälle für Lynchjustiz wie Gaddafi, für Gerichte oder den Strick wie Hussein, im besten Falle fürs Exil wie Ugandas Idi Amin.
Darin zeigt sich die gesamte Ignoranz von vielen Menschen aus dem vermeintlich aufgeklärten Westen. Wie schon zur Zeit des Imperialismus ist man der Meinung, dass nur die europäische Kultur und unsere westlichen Werte die "Barbarei" in bestimmten Teilen der Welt beenden können. Selbstverständlich würden diese Menschen das völlig empört zurückweisen. Aber ist das wirklich so?
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Was früher mithilfe der christlichen Missionare und ihrer "zivilisatorischen Mission" versucht wurde, wird heute mit der Demokratisierung nach unserem westlichen Vorbild fortgesetzt. Doch was schon damals nicht klappte, ist auch heute zum Scheitern verurteilt. Und die direkte Konsequenz dieser neuen "zivilisatorischen Mission" im Mantel der Demokratisierung ist eben oftmals ein gescheiterter Staat. Nun möchte man darüber lieber nicht berichten, auch Martin Benninghoff nicht.
Was der FAZ-Redakteur nämlich seinen Leserinnen und Lesern vorenthält, sind die Gründe warum im Falle Libyens aus einem zuvor stabilen und relativ prosperierenden Staat ein gescheitertes Staatswesen wurde. Gleiches gilt für den Irak. Beide Länder galten vor der westlichen Einmischung aka Demokratisierung als Vorzeigeländer in ihrer jeweiligen Region, wo ein ausgebautes Bildungswesen, medizinische Versorgung und - gerade im heutigen Kontext der Islamisierung - eine säkulare Gesellschaft vorherrschten. Der einzige Makel aus unserem demokratischen Verständnis war die Herrschaftsform selbst. Es waren in beiden Ländern Diktatoren an der Macht, die mit eiserner Hand regierten.
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Solange sich beispielsweise Saddam Hussein vor den westlichen Karren spannen ließ und einen Krieg gegen den Iran vom Zaun brach, dabei mit Raketen und Giftgas gegen die iranische und sogar die eigene Bevölkerung losging, drückten wir beide Augen zu und taten so, als ob wir von nichts wüssten. Dabei unterstützten die westlichen und arabischen Regierungen Saddam Hussein nach Kräften, solange es ihrer Sache dienlich war.
Barbarei ist auch westlichen Ländern nicht fremd
Und es ist geradezu entlarvend, dass Benninghoff zwar "Assad, Kim, Gaddafi" nennt, wo seiner Meinung nach die westliche Ausbildung versagt hat, sich aber zu den Herrschern der arabischen Petromonarchien völlig ausschweigt. Keinen Ton äußert er zu den tausenden saudischen Prinzen, die in den USA und Großbritannien eine westliche Ausbildung und Einblicke in die Demokratie und Dekadenz dieser Länder erhalten, zu Hause aber den Anzug und Krawatte in den Schrank hängen und sich die traditionelle Dschellaba überziehen. Und wenn sie dann in den Shoppingmallen von Dschidda und Riad weit vor ihren zahlreichen Frauen laufen, die natürlich in schwarzen Abayas verhüllt sind, dann beschwert sich hierzulande auch niemand über den offensichtlichen Mangel des westlichen Einflusses.
Dieses Messen mit zweierlei Maß hört hier aber nicht auf. Wie erklärt man sich Massenmorde, die von Vertretern der christlichen und in weiterer Folge aufgeklärten Länder verübt wurden? Wie zum Beispiel die nahezu vollkommene Ausrottung der indigenen Bevölkerungen Nord- und Südamerikas und Australiens? Den von den Deutschen verübten Völkermord an den Herero und Nama in Afrika, oder den Holocaust? Die Liste mit US-amerikanischen und britischen Verbrechen ließe sich problemlos zu einem ganzen Buch erweitern. Aber über solche Dinge schweigen sich Leute wie der FAZ-Redakteur Martin Benninghoff aus. Genauso wie sich die Menschen in der Zeit des Imperialismus über solche Dinge ausgeschwiegen und lieber mit dem Finger auf andere gezeigt hatten als über die eigenen Unzulänglichkeiten nachzudenken und zu berichten.
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