von Hans-Wilhelm Goetz
Kaum kam die frohe Botschaft aus Washington, atmeten Politiker hierzulande auf, und die Presse freute sich. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmeier twitterte:
Der Handelsstreit sei beigelegt, und mit der Wirtschaft werde es jetzt wieder aufwärts gehen. Geld wird regnen und Arbeitsplätze sprießen. Juncker lobte Trump, Trump lobte Juncker, und alle lobten den Deal. Dass keine konkreten Absprachen erfolgt waren und die Gespräche erst anlaufen sollten, interessierte da erst mal wenig. Der große Bruder Donald in Washington redete schließlich wieder mit uns. Allmählich merkt man aber auch im jubeltrunkenen Europa, dass der großartige Kompromiss, der einem verkauft wurde, gar keiner ist. Was ist konkret beim "Deal" herausgekommen?
Wann ist ein Deal ein Deal?
Trump nimmt die Handelszölle zurück, die er selbst auferlegt hatte. Und für diesen Gnadenakt soll die EU dankbar sein: Er will ein großes Handelsabkommen auf Industriegüter, und er will die EU zu einem völligen Verzicht auf Zölle bewegen. Widersprüchliche Vorschriften für Pharmazeutika und Chemikalien sollen abgebaut werden. Auch im Agrarsektor sollen Verhandlungen geführt werden. Schon jetzt kommt die EU ihm weit entgegen, indem sie verstärkt Flüssiggas und Sojabohnen importieren will. Die Strafzölle gegen Automobile behält Trump vorsichtshalber in der Hinterhand, um ein Druckmittel parat zu haben, sollte die EU nicht spuren. Die Strafzölle auf Stahl und Aluminium bleiben erst mal erhalten. Man könnte den Deal eigentlich auch als Niederlage bezeichnen.
Trump hat schon Peking mit einem ständigen Hin und Her während der Handelsgespräche zur Verzweiflung getrieben, jetzt kommen die Europäer dran. Dies macht deutlich: Die EU war und wird nicht in der Lage sein, einen Handelskrieg gegen die USA zu riskieren. Auch wenn jetzt manche stolz #EuropeUnited twittern, ist es nur die Freude eines Kindes, wenn der Erwachsene es gewinnen ließ.
Offensichtlich fällt Macron aufseiten der EU die Rolle des "bad cop" zu. Anders kann man sich nicht erklären, warum er sich bereits vehement gegen Handelsabkommen im Agrarsektor stemmt. Apropos Handelsabkommen, war da nicht schon mal was?
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Leise Vorbereitung auf TTIP 2.0
Jenseits des großen Teiches hat man die Zeichen der Zeit schon erkannt. Vieles von dem, was Trump jetzt fordert, wurde bereits unter Obama unter dem Namen TTIP ausgehandelt. Dass Trump die Erfolge seines Vorgängers kassiert hat, mag man eher tiefenpsychologisch erklären. Dass er aber in Wirtschaftsfragen grundsätzlich auf dasselbe Ziel zusteuert, kann man nicht bestreiten. So werden jetzt die alten Unterlagen entstaubt und erneut vermarktet, aber zu besseren Konditionen als früher. Das ist Trumps Erfolg.
Denn das erste TTIP-Verfahren war in Europa als Thema verbrannt. Man kritisierte, dass die Verhandlungen weitgehend geheim und die Verhandlungstexte für die Öffentlichkeit nicht einsehbar waren. Besonders in Deutschland gab es wiederholt Proteste, da man befürchtete, dass Normen und Standards, insbesondere in der Nahrungsmittelindustrie, aufgeweicht würden. Das Chlorhühnchen ging als Schreckgespenst um in Europa.
Das neue TTIP wird Trumps Antlitz tragen, und es wird nicht so charmant sein, wie Obama es verkaufen wollte. Auf Schiedsgerichte gegen Staaten wird TTIP 2.0 zwar verzichten, aber man hat gelernt, mit dem aufrührerischen Europa umzugehen. Mit Zöllen auf Automobile scheint Trump die Achillesferse des deutschen Siegfrieds ausgemacht zu haben, und schon hat man die Auto-und Exportnation am Wickel. Macrons "Non" ist da nur ein taktischer Nebenschauplatz.
Der alte und neue Gegner steht im Fernen Osten
Über dem Getöse der Einigungsshow ging ein wichtiger Aspekt des Treffens unter: Trump rang Juncker eine Beistandsgarantie gegen China ab. Dies zeigt die eigentliche Stoßrichtung der US-amerikanischen Bemühungen.
Die USA und die EU werden im Kampf gegen China, das das Welthandelssystem gebrochen hat, verbündet sein,
sagte Trumps Wirtschaftsberater Larry Kudlow. "Präsident Juncker hat gestern sehr deutlich gemacht, dass er uns, Präsident Trump, beim China-Problem helfen will."
Denn so bedeutend die US-amerikanische Industrie auch sein mag, Chinas ehrgeizige Zukunftspläne wie "Made in China 2025" und die Neue Seidenstraße "One Belt, One Road" stellen eine große Gefahr für die Dominanz der USA dar. Und die Weltherrschaft der USA, dass wissen einige Staaten aus eigener Erfahrung, sollte man besser nicht infrage stellen.
Aber wenn Trump sich erst die Vasallenstreue der EU gesichert hat, dann ist dies nicht das Ende des Handelskriegs, sondern erst der Auftakt.
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