von Andreas Richter
Spiegel-Chefredakteur Klaus Brinkbäumer stellt in seinem Leitartikel der Heftausgabe von letzter Woche eine Verbindung zwischen Politik und Fußball her, zwischen deutscher Regierungskrise und dem Ausscheiden der deutschen Mannschaft bei der WM in Russland. Er diagnostiziert eine "deutsche Krankheit", die er wie folgt charakterisiert: "der sture Glaube an Bewährtes, an Strukturen, die einst funktionierten; die Verweigerung von Einschnitten und Veränderung".
Dem gescheiterten DFB-Team und seinem Trainer attestiert er außerdem, sich zu sehr auf das Äußerliche und zu wenig auf das Sportliche konzentriert zu haben. Jogi Löw unterstellt er dabei mit Blick auf seine muskulösen Oberarme, sich mehr auf Selbstinszenierung denn auf Leistung konzentriert zu haben.
Jawoll, mag man da Herrn Brinkbäumer zurufen, denen hat er’s gegeben. Nur: Hat er nicht etwas vergessen? Kann man nicht genau das gleiche auch vom Spiegel behaupten? Von den deutschen Medien überhaupt?
Diese haben in den vergangenen Jahren jede noch so wilde Sau durchs Dorf getrieben, wenn sie ihnen vorgesetzt wurde: Krimkrise, Flüchtlingskrise, Skripal sind nur einige Stichworte. Der Vertrauensverlust, den sie damit bei ihren Lesern erlitten haben, ist enorm. Aber von Selbstkritik oder auch nur Selbstreflexion – keine Spur.
Nun, der Spiegel hat reagiert. Er veranstaltet Leserkonferenzen, um die kritische Distanz zu seinen Lesern zu überbrücken. Wie der von ihm kritisierte DFB begibt er sich damit ins Feld der Öffentlichkeitsarbeit und Selbstinszenierung. Na dann, schönen Gruß an Jogis Oberarme.
Mehr zum Thema - "Putins Spiele" und die Qualitätsmedien (IX) – Heute: "Der Schlagstock sitzt wieder lockerer"
RT Deutsch bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.