von Gert Ewen Ungar
Herausstechend im Bestreben das Niveau immer noch weiter abzusenken, ist mit Sicherheit das ARD-Studio Moskau. Das Studio leitet Udo Lielischkies, vor Ort unterstützen ihn derzeit Golineh Atai und Birgit Virnich, für die Hörfunkbeiträge ist Hermann Krause verantwortlich.
Das ARD-Studio Moskau hat schon vor der WM gleich zahlreiche journalistische Negativ-Leistungen vollbracht.
Populismus ausnahmsweise erlaubt
So stilisierte es beispielsweise den neoliberalen Nationalisten Aleksej Nawalny im Rahmen der Präsidentenwahl im März dieses Jahres zum einzig wahren Oppositionellen hoch, der aufgrund seiner überragenden Chancen vom Kreml von der Wahl ausgeschlossen wurde.
Gemeinhin ist man ja gegen Populismus. In diesem Fall machte man eine Ausnahme, klagte Russland an, den einzig aussichtsreichen Oppositionellen aus Angst vor dessen Erfolg nicht zur Wahl zuzulassen.
Diese Geschichte ist so lächerlich, vor allem aber so lächerlich schlecht recherchiert und daher so falsch, wie eine schlecht recherchierte Geschichte nur falsch sein kann.
Nawalny, der als Vorbestrafter nach russischem Gesetz nicht zur Wahl antreten durfte, hatte mit seinem neoliberalen, rechtsradikalen Programm ohnehin keine Chance.
Das ARD-Studio Moskau verschwieg einfach einen Großteil der ganz leicht zugänglichen, frei verfügbaren Informationen und machte aus dem rechtsradikalen Nawalny einen Helden des Widerstandes und der Opposition. Ein unglaublicher Vorgang.
Golineh Atai berichtet vor einem Jahr aus einer geheimen Unterkunft und interviewte dort schwule Tschetschenen, die angeblich Opfer staatlicher Verfolgung geworden sind.
An der Geschichte ist faktisch nichts dran, sie fand dennoch mit einem dreiminütigen Beitrag Eingang in die Tagesthemen.
Der Griff in die psychologische Trickkiste
Und dann ist da natürlich noch die Berichterstattung zur Fußball-WM. Da unterstellt Lielischkies, russische Bürger würden sich aus Angst vor dem Regime nicht trauen, ihre Kritik vor laufender Kamera vorzutragen.
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Lielischkies greift bei der Erläuterung von angeblichen Zuständen in Russland gern zur Psychologie, verfügt dabei aber über ein psychologisches Wissen, das jede schwäbische Hausfrau wie eine in Tiefenhermeneutik ausgebildete Analytikerin aussehen lässt. Es ist einfach peinlich, was Lielischkies von sich gibt, wenn er meint russische Gemütszustände erklären zu müssen.
Es ist zudem andersrum. Der begründet schlechte Ruf des westlichen und auch des deutschen Journalismus in Russland an sich, was der deutsche Journalismus unter anderem dem Wirken von Hajo Seppelt verdankt, ist Grund für die Verweigerung von Aussagen gegenüber deutschen und westlichen Journalisten. Man möchte einfach nicht das Wort im Munde herumgedreht bekommen und instrumentalisiert werden. Die Beispiele, das genau das immer wieder passiert, sind an Zahl enorm.
Zudem hat Lielischkies offensichtlich noch keine Minute russisches Fernsehen geschaut. Da wird täglich Kritik offen und mit Vehemenz vorgetragen.
Mit anderen Worten, die ARD leistet sich zwar ein Büro in Moskau und dennoch ist die Berichterstattung unterirdisch schlecht, erfüllt in vielerlei Hinsicht auch einfache journalistische Standards nicht. Wie kommt das?
PR-Aktionen statt eigener Recherche?
An der Geschichte über eine angebliche staatliche Verfolgungswelle gegen Schwule lässt sich gut rekonstruieren, wie das ARD-Studio Moskau funktioniert. Golineh Atai interviewte in diesem Zusammenhang aus Tschetschenien Geflüchtete, die von grausamen Vorgängen berichten.
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Zunächst sieht das nach journalistischer Eigenleistung aus. Allerdings wurden die gleichen Interviewpartner in nahezu gleichem Setting mit Antworten auf die nahezu gleichen Fragen auch von der BBC, von CNN und zahlreichen anderen westlichen Fernsehsendern gezeigt.
Daraus lässt sich schließen: Golineh Atai hat nicht eigenständig recherchiert, sie wurde zu einem Interview eingeladen, zu dem auch andere westliche Fernsehstationen eingeladen worden waren. Da die Wohnung für die Geflüchteten vom Petersburger LGBT-Netzwerk betreut wird, ist anzunehmen, dass es auch dieses Netzwerk ist, das die Kampagne initiiert hat. Das LGBT-Netzwerk wiederum ist mit westlichen Strategien der PR gut vertraut, wird es doch von zahlreichen westlichen Organisationen unterstützt, die sich unter anderem auf die Organisation von medienwirksamen Kampagnen spezialisiert haben.
Früher war da unter anderem die Open-Society-Foundations, inzwischen ist es die ebenfalls von Georg Soros unterstützte Organisation All Out. Weiterhin findet sich als Unterstützer die Organisation Human Rights Watch, die sich immer wieder vorwerfen lassen muss, mit dem US-State-Department allzu enge Kontakte zu pflegen, die aber genau weiß, wie PR geht.
Golineh Atai, so ist anzunehmen, sitzt also in ihrem Büro und wird nahezu zeitgleich aus mehreren, vermeintlich unterschiedlichen Quellen mit derselben Information gefüttert und erhält zudem noch eine Einladung zu einem Interview.
Sie spricht sich mit ihrem Studioleiter ab, ob sie die Geschichte verfolgen soll, der sagt ja, nachdem er sich mit den Kollegen aus den anderen westlichen Sendeanstalten besprochen hatte. Alles passt ins Narrativ also nichts wie raus damit in den Äther und schwupp, landet der größte Unsinn in den Tagesthemen.
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Dass es vermutlich so oder zumindest sehr ähnlich abgelaufen ist, dafür spricht nicht nur der Bericht von Atai, der sich wenig variantenreich in den Sendeanstalten der Länder wiederfindet, die sich einer bestimmten Ideologie des Liberalismus verpflichtet fühlen.
Dafür spricht die Aussage von Lielischkies selbst, der auf den Vorwurf, doch sehr einseitig über Russland zu berichten, entgegnete, man würde sich inhaltlich schon mit den Kollegen abstimmen.
Dieses Abstimmen ist natürlich genau das Gegenteil von guter Recherche. Dieses Abstimmen führt zu einer freiwilligen Gleichschaltung und eliminiert jede Vielfalt in der Berichterstattung.
In Moskau wird die Presse nicht hofiert
Allerdings besitzen vermutlich weder Lielischkies noch Atai die methodenkritische Kompetenz und das intellektuelle Vermögen, um das, was sie dort in Russland tun, auf Gehalt und implizit gemachte Voraussetzungen zu prüfen. Wäre es guter Journalismus, würden sie genau das tun und in ihren Beiträgen transparent machen.
Lielischkies war sieben Jahre für das ARD-Studio Washington tätig, sechs davon als stellvertretender Leiter. Das ist schon eine Nummer. Vermutlich ist ihm die Versetzung nach Moskau wie eine Bestrafung vorgekommen. Aber dessen ungeachtet gibt es zentrale Unterschied in der PR-Kultur der beiden Länder.
Arbeitet man in den USA, im Geburtsland der PR, dann muss man sich eigentlich kaum aus dem Büro bewegen. Beständig wird man zugeschüttet mit Pressemitteilungen von unterschiedlichsten NGOs, Regierungsstellen, Parlamentariern, man wird als Multiplikator umworben, eingeladen und bekommt das Material präsentationsfertig in die Hand gedrückt. Alles easy.
In Russland funktioniert das jedoch ganz anders. Da muss man sich selbst um die Information bemühen. Das ARD-Studio in Moskau wird außer von einigen aus dem Westen finanzierten NGOs und deutschen Organisationen nicht als Multiplikator wahrgenommen. Man wird nicht eingeladen, es gibt keine Abendessen in der PR-Abteilung des Kreml, der Duma oder des Rats der Föderation, einfach weil es sowas nicht gibt. Man wird schlicht nicht hofiert.
Das ist kein Zeichen von Missachtung, es gibt hier in Russland diese PR-Kultur nur sehr rudimentär. Und wenn ich es recht verstehe, ist es auch gar nicht das Ziel, eine solche Kultur aufzubauen, nimmt man sie doch als demokratiefeindlich wahr.
Wenn in den Berichten aus Moskau dann ganz regelmäßig die Floskel von den Kreml-nahen Kontakten auftaucht, die als Beweis für das Gesagte herhalten müssen, dann drückt sich darin die ganze Hilflosigkeit gegenüber diesem Fehlen von PR aus. Das ARD-Studio Moskau hat schlicht keine benennbaren Quellen.
Westliche Medienschaffende in der Filterblase
Vermutlich dachte Lielischkies, er setzt sich in sein russisches Büro und die Informationen würden schon von selbst hereinströmen. So, wie das in Washington eben auch war. Ist ja alles globalisiert heutzutage, alles irgendwie gleich. Schließlich, so der gedankliche Kurzschluss, gibt es ein Interesse an einer Verbreitung in Deutschland. Es würde einfach so sein, wie das in den USA eben auch war.
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Dass dem genau nicht so ist, erklärt auch die offensichtliche Wut auf Russland, die zahlreiche Beiträge des ARD-Studios Moskau durchzieht. Die althergebrachten Methoden funktionieren hier nicht. Sie allerdings zu überdenken und den kulturellen Gepflogenheiten anzupassen, würde eine große geistige Beweglichkeit voraussetzen. Über diese Qualität verfügt das ARD-Studio Moskau aber nun gerade nicht. Über die dazu notwendige sprachliche Kompetenz auch nicht.
So tappt man denn in die bekannte Falle, die jedem, der als “Experte” im Ausland arbeitet, gestellt wird: Es ist einfacher in seinem Ghetto, in seiner Blase zu bleiben. Man ist in den parteinahen Stiftungen gern gesehener Gast, wird zu Empfängen in die Deutsche Botschaft eingeladen, wird von der US-Botschaft und westlichen NGOs mit Informationen gefüttert, trifft sich mit den Kollegen von BBC und France Télévision, verfügt über ein Einkommen weit über dem Durchschnitt, das jedoch auch von der Alltagskultur abschneidet. Man trifft keine Einheimischen. Kurz, man wälzt sich beständig in der eigenen Soße.
Es würde einen zusätzlichen Aufwand an Energie bedeuten, diese Struktur zu durchbrechen. Es ist einfacher in diesem eng abgesteckten Kreis zu bleiben. Es fühlt sich auch gut darin an, man hat darin Bedeutung und kennt seine eigene Position in dieser Hierarchie.
Zu Quellen werden dann die eigenen, lokalen Angestellten, die Deutsch sprechen und die man in Tür-und-Angel-Gesprächen zu Diesem und Jenem befragt. Qualitätsjournalismus als stille Post.
Es deutet alles darauf hin: Genauso läuft es. Das würde das Elend der Russland-Berichterstattung der ARD umfassend erklären.
Ist so etwas reformfähig? Vermutlich nicht. Die Informationen der ARD in Bezug auf Russland sind einfach zu meiden. Die ARD ist einfach keine gute Quelle. Das ARD-Studio Moskau ist strukturell nicht in der Lage, den GEZ-Zahlern einen tatsächlichen Zugang zu Russland, seiner Kultur, seiner Vielfalt und schon gar nicht zu seiner Politik zu eröffnen. Das ARD-Studio Moskau ist insgesamt teuer, in seinem Erkenntnisgewinn aber völlig wertlos. Schade. Dengi na veter, Geld in den Wind geschmissen, wie man in Russland sagt.
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