von Redaktion
Auf frischer Tat ertappt werden und dennoch alles abstreiten: Dieser dreisten Methode bedient sich der Chefredakteur der Bild-Zeitung, nachdem sein Blatt leichtsinnig auf gefälschte E-Mails hereingefallen war, die ihm das Satiremagazin Titanic zugespielt hatte. Laut diesen hätte Juso-Chef Kevin Kühnert mit einem "russischen Troll" konspiriert.
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Statt sich in Demut zu üben und die eigenen journalistischen Standards auf den Prüfstand zu stellen, ergriff Julian Reichelt die argumentative Flucht nach vorn. Nachdem der Titanic-Redakteur Moritz Hurtgen in der oben beschriebenen Causa RT beziehungsweise RT Deutsch ein Interview gegeben hatte, bemühte sich der Bild-Chef, den Skandal seiner Zeitung in einen Titanic-Skandal umzudeuten.
Den Kommentaren zu seinen Tweets nach zu urteilen, ist ihm dieses Unterfangen nicht so recht gelungen. Zum Ausgleich retweetete Reichelt mehrfach Beiträge, die auf seiner Linie lagen. Nebenbei bemerkt: Interviewpartner von RT Deutsch erhalten kein Geld, auch der Titanic-Redakteur agierte "ehrenamtlich" - aber warum nicht trotzdem einfach mal diese Behauptung, verkleidet als Suggestivfrage, in den Raum werfen? Am Freitag legte Reichelt mit einem äußerst diffamierenden Tweet nach:
RT beziehungsweise RT Deutsch ein Lieblingssender für Holocaust-Leugner? Wie ist das zu erklären, wo doch noch nie ein Artikel bei uns erschienen ist, der die Existenz des Holocaust bestreitet? Es liegt auf der Hand, dass RT als vom russischen Staat finanziertes Medium keinerlei Interesse hat, Holocaust-Leugnern eine Plattform zu bieten.
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Warum behauptet Reichelt dennoch so etwas? Ihm geht es offenkundig darum, RT mit Dreck zu bewerfen, und da scheint ihm jedes Mittel der Hetze recht zu sein. Da auf RT und seinem deutschen Ableger der Holocaust nie geleugnet wurde, greift er uns über den Umweg unserer Leserschaft an, indem er behauptet, wir seien der Lieblingssender von Holocaust-Leugnern. Dafür bedarf es dann keiner weiteren Belege, da sich solche Behauptungen nicht überprüfen lassen. Ebenso gut könnten wir behaupten, die Bild-Zeitung sei das Lieblingsblatt von Serienmördern und Pädophilen. Machen wir aber nicht.
Einer der zahlreichen Kommentatoren des Tweets, die fast unisono negativ reagierten, rief einen Bild-Artikel aus dem Jahr 2014 in Erinnerung. Darin empörte man sich über die Schändung des Grabes des "prominenten ukrainischen Politikers Stephan Bandera" und zitiert einen Mitarbeiter des ukrainischen Konsulats, der von einer "barbarischen Tat" spricht.
Mit keiner Silbe erwähnte der Artikel, dass der ukrainische Nationalist ein Nazi-Kollaborateur war, der im Zweiten Weltkrieg an der Ermordung tausender Juden führend beteiligt war. Doch man muss der Bild-Zeitung auch zugutehalten: Bei Bandera handelte es sich nicht um einen Leugner des Holocaust, sondern um einen Mitgestalter. Das wiegt für das Springer-Blatt offenbar nicht so schwer.
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