Von Astrid Sigena
Das Verhältnis zwischen AfD und den Staatskirchen, insbesondere der Evangelischen Kirche in Deutschland, lässt sich nur als zerrüttet beschreiben. Geht es darum, zu Demonstrationen aufzurufen, sobald sich die AfD auch nur mit einem Infostand hervorwagt, oder "antifaschistischen" Veranstaltungen einen Raum zu bieten – fast immer sind die örtlichen Pfarreien der EKD vorne dran.
Die AfD wiederum fordert finanzielle Einschnitte, deren Verwirklichung die beiden Großkirchen sehr schmerzen dürfte: So plädierte die bayerische AfD in ihrem Programm für die Landtagswahlen 2023 für die Abschaffung der Kirchensteuer sowie der seit der Säkularisation fälligen Ausgleichszahlungen (S. 25). Auch eine Streichung von Steuervorteilen für die Kirchen sei in Betracht zu ziehen, sollten diese weiterhin mittels Kirchenasyl und Seenotrettung die Masseneinwanderung fördern.
Der Konflikt spitzt sich zu, denn in den ostdeutschen Bundesländern erreicht die AfD regelmäßig Spitzenwerte in den Umfragen. In Sachsen-Anhalt, wo 2026 Landtagswahlen stattfinden, könnte die AfD die stärkste Partei werden und sogar die Regierungsverantwortung erringen. Anlass genug für den Landesbischof der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM), Friedrich Kramer, vor einer Wahlentscheidung für die Alternative für Deutschland zu warnen: Wer wolle, "dass die Kirche im Dorf bleibt, wem seine Kirchengebäude wichtig sind, wer die deutsche Kultur für großartig hält und erhalten will, wer keine Benachteiligung von Menschengruppen unterschiedlicher Herkunft und Religion will, wer die Bewahrung der Schöpfung für wichtig hält, der sollte gerade diese Partei nicht wählen".
Besonders in Thüringen und Sachsen-Anhalt hätten die AfD-Landesverbände "eine Feindschaft zur EKM erklärt", so der Bischof. Aufgrund der kirchenfeindlichen Attacken fühle er sich an DDR-Zeiten erinnert, wo Christen von der SED "angegriffen, verhöhnt und verspottet" worden seien.
Tatsächlich sind aus der AfD-Fraktion Sachsen-Anhalt scharfe Töne zu vernehmen. Einen synodalen Beschluss, bei der Landtagswahl 2026 für Parteienbündnisse unter Ausschluss der AfD werben zu wollen, konterte deren religionspolitischer Sprecher Hans-Thomas Tillschneider unter der Verwendung eines den Antichristen darstellenden Gemäldes mit dem Vorwurf, die Kirche würde einen Krieg gegen Russland propagieren:
"Die evangelische Kirche knüpft mit ihrer schamlosen und antichristlichen Nähe zu den Altparteien an die schlechtesten Traditionen evangelischer Staatstreue an. Aus den Deutschen Christen sind die Antideutschen Christen geworden",
so Tillschneiders Fazit.
Man schenkt sich auf beiden Seiten nichts. Dies war bereits im Vormonat an einer Kontroverse mit dem katholischen Bischof von Magdeburg, Gerhard Feige, deutlich geworden. Dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, warf Tillschneider sogar vor, "vom Teufel geschickt" zu sein, nachdem dieser von der Wahl der AfD abgeraten und der Partei den Vorwurf der Spaltung gemacht hatte. Bätzing legte daraufhin nach: "Wir müssen diese Brandmauer so lange wie es geht halten", erklärte er dem Deutschlandfunk, notfalls mittels Minderheitsregierungen.
Schmerzen muss die EKM vor allem die Drohung, ihr bei einer Regierungsübernahme die Staatshilfen zu streichen. So plädierte Tillschneider im Dezember-Plenum des sachsen-anhaltischen Landtages für die Beendigung der staatlichen Förderung der (formal unabhängigen) Evangelischen Akademie. Diese liefere ohnehin nur noch Pseudoreligion und lasse sich vor den Karren der "verdorbenen Altparteienpolitik" spannen. Dieses Agieren habe nichts mit der Verkündigung des Evangeliums zu tun. Mit der Streichung der Landesförderung könne der staatlich finanzierten politischen Einflussnahme durch kirchliche Institutionen endlich Einhalt geboten werden. Keine schönen Aussichten für die kirchlichen Akteure in Sachsen-Anhalt.
Nun hat die evangelische Kirche natürlich ein Problem: Sie kann die unbotmäßigen Christen von der AfD von den Gottesdiensten nicht einfach ausschließen, gerade nicht zu Weihnachten. Das würde allein schon ihrem Anspruch, für (nahezu) alles und alle offen zu sein, widersprechen. In ihrem Weihnachtsvideo (das in seiner Aufmachung an die Werbespots bekannter Supermarktketten zu Weihnachten erinnert) verspricht die EKD schließlich, alle möglichen religiösen oder weltanschaulichen Vorstellungen inkludierend:
"Was auch immer Weihnachten für dich ist, wir feiern es!"
So verkündete auch die evangelische Präses Anna-Nicole Heinrich im Interview mit der Welt:
"Wir schließen niemanden aus. Es wird nicht abgefragt, was Menschen wählen, die unsere Gottesdienste und Angebote besuchen."
Und Landesbischof Friedrich Kramer bestätigte: Bei Gottesdiensten seien AfD-Mitglieder so willkommen wie alle anderen Menschen auch.
"Wir freuen uns, wenn sie das Evangelium hören und wie jeder Mensch, der das Wort Gottes hört, sich zum Weg der Menschenliebe, zu Buße und Umkehr rufen lassen können.",
beteuerte der hochrangige Geistliche. Auch wenn der Bußaufruf Kramers allen Menschen gilt, argwöhnt man doch, einen pharisäischen Unterton zu vernehmen, der den AfD-Anhängern unterstellt, sie hätten Buße und Umkehr besonders nötig. Ähnlich salbungsvoll klingt der ehemalige EKD-Vorsitzende Bedford-Strohm, der erklärte: Im Gespräch mit AfD-Anhängern sehe er immer zuerst den Menschen, nicht seine Worte oder Taten.
Es stellt sich allerdings die Frage, wie viele AfD-Wähler die Einladung zum Weihnachtsgottesdienst annehmen werden. Schließlich ist gerade die EKD für ihre politisierten Predigten berüchtigt. Erst kürzlich hatte Anna-Nicole Heinrich noch mal bestätigt, dass AfD-Funktionäre nicht für Kirchenämter infrage kämen. Eine Stigmatisierung, die sonst eigentlich nur Personen in der Gemeinde trifft, die sich etwas zu schulden haben kommen lassen und als unzuverlässig gelten (eine ähnliche Entscheidung hatte neulich auch die katholische Kirche in Berlin getroffen – RT DE berichtete). Der Weltkirchenratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm meinte in einem vorweihnachtlichen Rundumschlag gegen Trump, Putin und AfD gar:
"Die Politik der AfD steht im klaren Widerspruch zu dem, wofür das Christentum steht."
Konservativ empfindende Gemüter könnten sich ohnehin von manchen Bräuchen abgeschreckt fühlen, die in den vergangenen Jahren in die evangelische Kirche Einzug gehalten haben: Im November dieses Jahres Jahres machte die in Berlin ansässige EKBO durch eine sogenannte "Poly-Hochzeit" Furore, die Segnung von vier Männern, die in einer polyamoren Beziehung miteinander leben. Pfarrerin Lena Müller erklärte im Interview provokativ, man sei sich im Team schnell einig gewesen:
"Was sollte Gott dagegen haben, dass es nun eben vier sind und nicht zwei?"
Der neueste Trend scheinen kirchliche Pole-Dance-Aufführungen zu sein, und zwar dieses Mal nicht in der Hauptstadt, sondern in der Provinz. Lübeck und das ostfriesische Stiekelkamperfehn vermelden für die Adventszeit Aufführungen des ursprünglich mit dem Rotlichtmilieu assoziierten Stangentanzes. Mittlerweile eine Sportart mit antipatriarchaler Stoßrichtung, wie die im Landkreis Leer amtierende Pastorin beteuerte. Auf einen während des Krippenspiels lasziv an einer Stange turnenden Weihnachtsengel sollte man sich also in manchen Gemeinden gefasst machen.
Für die davon immer noch Unerschrockenen lässt sich auch noch eine Lösung finden: Vor einigen Jahrzehnten konnte man in einer süddeutschen lutherischen Kirche noch eine Kirchenbank bewundern, die anders gestaltet war als der Rest der Einrichtung. Etwas hinter den übrigen Bänken versetzt, versperrte ein Korbgeflecht den Blick auf die Insassen. Benutzt wurde diese Bank schon damals nicht mehr. Fragte man nach dem Zweck dieses seltsamen Aufbaus, bekam man erklärt, es handele sich um eine Bank für die Gemeindemitglieder, die gesündigt hatten. Meistens traf es unverheiratete Schwangere und junge Mütter, denen man die "Sünde" auch ansah – im Gegensatz zu den leichter zu verbergenden Sünden der übrigen Gemeindemitglieder.
Die EKD sollte sich prüfen: Wäre es nicht an der Zeit, diese alte Tradition zu reaktivieren und die Armesünderbänke wieder aufzustellen? Dieses Mal nicht für sexuelle Vergehen, sondern für die Gemeindemitglieder, die sich "verwählt" haben? Da die Wahlen geheim sind und – wie Präses Heinrich schon betont hat – die Kirche das Wahlverhalten der Gemeindemitglieder nicht abfragen kann, könnte man ja mit den Christen anfangen, die sich offen zur AfD bekennen, indem sie auf deren Wahllisten kandidieren oder eine Funktion in den Kreisverbänden übernommen haben. Aber Vorsicht! Bei dem Einbau der Bänke sollte genügend Platz eingeplant werden. Schließlich hat die AfD derzeit enormen Zulauf und es gibt auch immer mehr Christen, die öffentlich für die Ziele der Alternative für Deutschland eintreten.
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