"Vom Abi an die Front" – Die ARD als Söldnerwerber

Dass die Sympathien auch für die widerlichsten Einheiten der ukrainischen Armee in deutschen Medien stark sind, ist nichts Neues. Aber dieses Mal hat die ARD einen Beitrag geliefert, der eigentlich alle Beteiligten vor Gericht bringen müsste.

Von Dagmar Henn

Das Jugendwerbefilmchen, das die ARD jüngst unter dem Titel "Vom Abi an die Front" veröffentlicht hat, ist ein Musterbeispiel dafür, dass nicht nur die Berichterstattung, sondern auch die Rechtsauffassung der öffentlich-rechtlichen Medien inzwischen äußerst fragwürdig ist.

Um das zu belegen, genügt ein einziger Absatz aus diesem Beitrag:

"Wer sich der Armee anschließen will, kann sich online bewerben, etwa auf der Webseite der Internationalen Legion zur Verteidigung der Ukraine. Auch bei der Spezialeinheit Azov International Battalion sind online Bewerbungsformulare zu finden. (…) Das Azov-Regiment gilt als Spezialeinheit in der Ukraine. In der Vergangenheit war es wegen rechtsextremen Verbindungen umstritten. Eigenen Angaben zufolge grenzt sich die Einheit inzwischen klar davon ab."

Dass die Sympathien der deutschen Leitmedien auf ukrainischer Seite liegen, ist nichts Neues. Schon im Jahr 2015 wurde mit viel Sympathie über einen jungen Münchener berichtet, den es ausgerechnet zu der nun zweifelsfrei nazistischen "Misanthropischen Division" gezogen hatte. Auch damals wurde dieser Bericht mit dem freundlichen Hinweis garniert, der junge Mann habe über die ukrainische Botschaft seinen Weg dorthin gefunden.

Allerdings – das deutsche Strafrecht hätte dafür sorgen müssen, dass dieser oben zitierte Satz in dem Film nicht erscheint. Es stellt nämlich zwar nicht das Kämpfen für eine fremde Armee unter Strafe (was vermutlich ein Gefallen für die Franzosen und deren Fremdenlegion war), aber die Werbung dafür sehr wohl. So heißt es in Paragraf 109h Strafgesetzbuch:

"(1) Wer zugunsten einer ausländischen Macht einen Deutschen zum Wehrdienst in einer militärischen oder militärähnlichen Einrichtung anwirbt oder ihren Werbern oder dem Wehrdienst einer solchen Einrichtung zuführt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar."

Also, ist das Werbung für eine fremde Armee? Da fällt auch der Punkt ins Gewicht, dass sie es so hätten machen können wie im ersten Fall, in dem zwar in epischer Breite dargestellt wurde, wie dieser Deutsche zu dieser Nazitruppe gelangt ist, aber zumindest der Form nach die Kriterien einer Darstellung eingehalten wurden. "Wer sich der Armee anschließen will" ist allerdings unzweifelhaft eine Vermittlung von Information zu einem einzigen Zweck – nicht, um die Geschichte dieser jungen Männer zu erzählen, die genau das getan haben, sondern um möglichen Nachahmern eine Handlungsanweisung zu geben.

Dieser Satz macht aus dem ganzen Bericht einen Werbefilm mit dem Ziel, junge Deutsche der ukrainischen Armee zuzuführen. Ein klarer Verstoß gegen § 109h StGB, finanziert mit zwangsweise erhobenen Gebühren. Nach der Definition des Rundfunkstaatsvertrags übrigens vermutlich Schleichwerbung, und ohnehin etwas gänzlich anderes, als "die Grundsätze der Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung, die Meinungsvielfalt sowie die Ausgewogenheit ihrer Angebote" zu berücksichtigen, wie das laut § 11 Rundfunkstaatsvertrag der Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wäre.

Nur als kleiner Hinweis aus dem Presserecht: Im Falle einer Straftat haften alle, die an der Entstehung und Veröffentlichung eines Beitrags beteiligt waren. Das betrifft in diesem Fall die Autoren Samuel Häde und Patrick Enssle, den Produktionsleiter Arnold Konerding, die beiden Redakteure der produzierenden Sender, Martina Launhardt (HR) und Nino Seidel (Radio Bremen), Julia Rehkopf, die die Formatredaktion innehat, bis zu den Sendeanstalten selbst.

Und noch einmal ganz langsam, auch wenn beim aktuellen Zustand der deutschen Rechtspflege eine angemessene Strafverfolgung eher unwahrscheinlich sein dürfte: Wir reden hier von drei Monaten bis fünf Jahren Haft. Normalerweise müsste bei einer strafrechtlichen Bewertung auch die Reichweite mit berücksichtigt werden. Auf YouTube hatte dieser Beitrag 21 Stunden nach dem Hochladen bereits 236.154 Aufrufe. Das bedeutet, 236.154-mal wurde Zuschauern die Werbung unterbreitet, in der ukrainischen Armee zu dienen. Die Zuschauer, die den Film über die ARD-Mediathek gesehen haben, sind darin nicht einmal mit erfasst. Das klingt doch eher nach fünf Jahren als drei Monaten, oder?

Ja, letzten Endes wird das wieder einmal egal sein, so wie Recht und Gesetz inzwischen so gut wie immer egal sind, wenn es um die Ukraine geht. Aber wer weiß, die Höchststrafe ist üblicherweise auch die Verjährungsfrist. Das bedeutet: Vom letzten Datum der Verfügbarkeit dieses Filmchens an, fünf Jahre in die Zukunft gerechnet, kann wegen dieser Werbung für eine fremde Armee noch ein Verfahren eingeleitet werden.

Wobei die Kommentare auf YouTube belegen, dass diese Werbebemühungen nicht wirklich gut ankommen. "Jeder einzelne hätte hier psychologische Hilfe gebraucht" und "Da gibt es keine Season 2" sind ziemlich repräsentative Beispiele. Nur: Dass dieser plumpe Versuch der Werbung nicht so erfolgreich ist, wie sich das die Ersteller vielleicht vorgestellt haben, ändert nichts an der Strafbarkeit.

Nun, mal sehen, wer hier als Erster eine Strafanzeige stellt. Einen Versuch wäre es zumindest wert. Schlimmstenfalls bekundet dann auch noch die Strafverfolgung wieder einmal ihre Blindheit – oder hat keine Zeit, weil man Nachrichten in sozialen Medien verfolgen muss, die über ukrainische Nazis aufklären, statt (ausgerechnet) für Asow zu werben.

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