Von Achim Detjen
In einem am Montag veröffentlichten Interview mit Politico hatte US-Präsident Donald Trump seinen ukrainischen Amtskollegen nicht nur aufgefordert, seinen Friedensvorschlag anzunehmen, sondern auch die demokratische Legitimität Wladimir Selenskijs infrage gestellt.
"Sie hatten schon lange keine Wahl mehr. Wissen Sie, sie reden von Demokratie, aber irgendwann ist es keine Demokratie mehr", sagte Trump.
Es sei "an der Zeit", Wahlen in der Ukraine abzuhalten, so der Chef im Weißen Haus, der kritisch anmerkte, dass Selenskij "den Krieg ausnutzt, um keine Wahlen abzuhalten".
Selenskijs reguläre Amtszeit als Präsident war im Mai 2024 abgelaufen. Die Ausrichtung von Neuwahlen hat der Ex(?)-Schauspieler aber unter Berufung auf das Kriegsrecht stets abgelehnt.
Mit seiner Ansage hat sich Trump zwar (noch) nicht die Position des Kreml zu eigen gemacht, der Selenskij nicht als legitimen Präsidenten betrachtet und ihn daher für ungeeignet hält, einen endgültigen Friedensvertrag zu unterzeichnen. Doch Trumps Signal an den Machthaber in Kiew ist eindeutig: Your time is running out.
Die Botschaft ist offenbar angekommen. Denn schon einen Tag später erklärte Selenskij plötzlich, er sei "bereit für die Wahl". Die Ukraine könne "innerhalb von 60 bis 90 Tagen wahlbereit sein".
Die Sache hat allerdings einen kleinen Haken. Besser gesagt, einen gewaltigen Haken: "Ich bitte die USA, mir jetzt zu helfen, möglicherweise gemeinsam mit europäischen Partnern, die Sicherheit für die Durchführung der Wahlen zu gewährleisten", so der ukrainische Regierungschef.
Was Selenskij darunter konkret versteht, machte er am Donnerstag klar. Um Wahlen durchzuführen, bedürfe es eines Waffenstillstands, "zumindest für die Dauer des Wahlprozesses und der Stimmabgabe".
Selenskij knüpft Neuwahlen somit an Bedingungen, von denen er weiß, dass sie nicht eintreten werden. Denn Moskau schließt einen Waffenstillstand kategorisch aus, der nicht das Ergebnis eines nachhaltigen Friedensabkommens ist.
Mit diesem durchschaubaren Taschenspielertrick versucht Kiews Machthaber, den US-Präsidenten doch noch von der Idee eines Waffenstillstands zu überzeugen, um ihn damit auf die Linie der europäischen Koalition der Kriegswilligen einschwenken zu lassen.
Denn deren wichtigste Protagonisten – Friedrich Merz, Emmanuel Macron und Keir Starmer – drängen seit Monaten auf einen Waffenstillstand entlang der Kontaktlinie. Ihr Ziel ist dabei nicht nur, der vor dem Kollaps stehenden ukrainischen Armee eine Verschnaufpause zu verschaffen, in der sie wieder aufgepäppelt werden kann. Vielmehr wollen sie das Schweigen der Waffen ausnutzen, um ungestört von russischen Angriffen eigene militärische Kräfte in der Ukraine zu stationieren, die von ihnen euphemistisch als "Friedenstruppen" bezeichnet werden.
Moskau hat stets betont, dass es NATO-Truppen in der Ukraine unter keinen Umständen und unter keinen Vorwänden dulden und diese als "legitime Ziele" betrachten wird.
Das machte dieser Tage Russlands Außenminister Sergei Lawrow erneut deutlich, als er auf Berichte über den Tod eines britischen Soldaten in der Ukraine einging: "Friedenstruppen werden sofort zu legitimen Zielen, das sollten alle verstehen. Und jetzt waren sie gezwungen, die Tatsache der direkten Beteiligung britischen Militärpersonals am Krieg gegen Russland einzugestehen", so der russische Chefdiplomat.
Die bekundete Bereitschaft zu Neuwahlen ist nichts anderes als der Versuch Selenskijs, Trumps Friedensbemühungen im Sinne der europäischen Kriegstreiber zu untergraben.
Gleiches gilt auch für seine nun vollzogene Kehrtwende in der Frage der Abtretung von Gebieten. Zeigte sich Selenskij in der Territorialfrage nach seinem Treffen mit dem "Trio Infernale" am Montag in London noch zu keinem Kompromiss bereit, da es "weder nach dem Gesetz der Ukraine noch unserer Verfassung oder dem Völkerrecht" die Möglichkeit gebe, Gebiete an Russland abzutreten – was einem Fußtritt in Trumps Allerwertesten gleichkam –, so spuckte er am Donnerstag andere Töne: "Die Russen wollen den gesamten Donbass – das akzeptieren wir nicht. Ich glaube, dass das ukrainische Volk diese Frage beantworten wird. Ob in Form von Wahlen oder eines Referendums, das ukrainische Volk muss mitbestimmen dürfen."
Russlands Präsident Wladimir Putin hatte klargemacht, dass es einen Waffenstillstand erst dann geben kann, wenn die ukrainischen Truppen nicht mehr im Donbass sind. Entweder, weil sie – was Moskau favorisiert – sich aus der russischen Region zurückziehen, oder indem sie mit Gewalt vertrieben werden.
Und was Letzteres betrifft, ist der Weg nach der am Donnerstag erfolgten Einnahme von Sewersk und dem bevorstehenden Fall des benachbarten Liman nicht mehr weit. Es waren die letzten Hindernisse für die russischen Truppen in Richtung der Nachbarstädte Slawjansk und Kramatorsk. Diese sind neben dem bereits teilweise eingenommenen und von einer Einkesselung bedrohtem Konstantinowka die letzten Bastionen der ukrainischen Armee im Donbass.
Angesichts dieser Entwicklung auf dem Schlachtfeld ist es verständlich, warum Selenskij die Territorialfrage in ein Referendum verpacken will. Denn ebenso wie Neuwahlen wäre eine Volksabstimmung an einen Waffenstillstand geknüpft. Der selbst ernannte "Diener des Volkes" – so der Name seiner Partei – will damit auch auf Zeit spielen, damit die ukrainischen Truppen neu ausgerüstet und umgruppiert werden können und damit ausreichend frisches Kanonenfutter auf den Straßen eingefangen und in Busse verfrachtet werden kann (künftig übrigens geht es direkt an die Front, ohne vorherigen Aufenthalt in einem Ausbildungslager).
Und dieser Zeitraum würde wohl bedeutend länger als die von Selenskij genannten "60 bis 90" Tage ausfallen. Denn laut der Zentralen Wahlkommission der Ukraine würden sechs Monate benötigt, um Wahlen vorzubereiten. Sollte die Abstimmung früher stattfinden, "wird es unmöglich sein, die vollständige Einhaltung aller internationalen Standards zu gewährleisten", sagte am Donnerstag der stellvertretende Vorsitzende der Wahlkommission Sergei Dubowik.
Dass es allerdings keine Notwendigkeit gibt, Wahlen an einen Waffenstillstand zu knüpfen, hat Russland selbst bewiesen. Im September 2022 wurden in den damals noch de jure ukrainischen Regionen Cherson und Saporoschje sowie in den beiden Donbass-Volksrepubliken Referenden abgehalten, ohne dass die Waffen geschwiegen hätten. Aufgrund des wahllosen Beschusses durch die ukrainische Armee war die Sicherheitslage in Städten wie Donezk und Lugansk damals deutlich prekärer, als sie es heute in Städten wie Kiew, Charkow, Dnjepropetrowsk oder Lwow ist.
Aber das ist ohnehin nicht relevant. Denn egal, was bei einem Referendum der Ukrainer über den Abtritt des Donbass herauskäme, es spielt gemäß der "facts on the ground" keine Rolle. "Dieses Gebiet ist russisches Territorium", stellte Putins außenpolitische Berater Juri Uschakow am Freitag klar.
Mit seinen Vorschlägen zu Neuwahlen oder einem Referendum macht der Präsidenten-Darsteller Selenskij das, was er am besten kann: eine große Show abziehen. "Selenskij wird keine Wahlen abhalten, denn für ihn würden Wahlen das Ende seiner politischen Karriere bedeuten; das ist völlig klar", so die Einschätzung des ehemaligen ukrainischen Ministerpräsidenten Nikolai Asarow.
Der heute im Exil lebende Asarow hat völlig Recht: Selenskij will gar keine Neuwahlen. Und selbst wenn er wollte, unter den von ihm genannten Konditionen wird es sie nicht geben. Viel wahrscheinlicher ist, dass es Neuwahlen geben wird, nachdem Selenskij eine Kapitulationserklärung unterzeichnet hat. Es wäre der letzte Akt des Schauspielers auf der politischen Weltbühne, bevor er sich mit seinen zusammengestohlenen Millionen ins Exil absetzt.
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