Von Astrid Sigena
Wer im Auswärtigen Amt gehofft hatte, dass mit dem Amtsantritt des CDU-Außenministers Johann Wadephul die Amtsgeschäfte in ruhigere, seriösere Fahrwasser gesteuert würden, sieht sich getäuscht. Nicht nur bleibt man unter Wadephul in puncto Russophobie und polterndem Auftreten ganz auf Kurs seiner Amtsvorgängerin Annalena Baerbock – wie zum Beispiel seine China-Politik zeigt, nein, Wadephul setzt sogar noch eins drauf und verärgert die Beamten seines Bundesministeriums durch Umstrukturierungen und einen veritablen Personenkult.
Wie das Nachrichtenportal table.media berichtete, soll Wadephul in einem internen Schreiben die Anweisung erteilt haben, sein Porträtfoto in allen deutschen Auslandsvertretungen anzubringen. Bisher hängt in deutschen Botschaften an prominenter Stelle allein das Bild des Bundespräsidenten als deutsches Staatsoberhaupt und Inhaber des ranghöchsten Amtes in Deutschland, künftig wird dort also neben Frank-Walter Steinmeier auch der schleswig-holsteinische CDU-Politiker Wadephul die Besucher deutscher Botschaften begrüßen.
Es ist zwar in vielen Staaten üblich, dass in diplomatischen Vertretungen auch das Bild des Außenministers hängt, für Deutschland galt dies allerdings bisher nicht. Als diplomatische Praxis galt bisher nur die Anbringung des Bundespräsidentenporträts, das Porträt des Außenministers oder des Bundeskanzlers wurde nicht gezeigt. So mancher bundesdeutsche Diplomat soll sich über die neue Vorgehensweise irritiert gezeigt haben, zumal Wadephul seine Wünsche in dem internen Schreiben recht detailverliebt formuliert haben soll, zum Beispiel mit genauen Anforderungen, in welchem Format das Minister-Foto ausgedruckt und gerahmt werden muss. Die oppositionelle AfD fühlte sich angesichts des Foto-Erlasses sogar an einen Personenkult wie zu Erich Honeckers Zeiten erinnert.
Gerechtfertigt wird dieses ministerielle Vorgehen mit dem ominösen Hinweis, dass diese Neubebilderung der deutschen Botschaften in Zusammenhang mit Wadephuls Bemühungen stehe, die insgesamt 225 deutschen Auslandsvertretungen wieder enger an das Ministerium zu binden. Die deutschen Botschafter sollten abseits der Heimat nicht mehr wie "ferne Satelliten" agieren. Offensichtlich hat man im Auswärtigen Amt unter Johann Wadephul den Eindruck gewonnen, so mancher deutscher Botschafter handle zu eigenständig, und möchte die Betreffenden wieder fester an die Kandare nehmen.
Ein Zuckerstückchen gibt es aber auch: Wenn der Außenminister das jeweilige Gastland besucht, soll künftig auch der jeweilige Botschafter in kleinformatige Gespräche mit den örtlichen Politikern eingebunden sein.
Tatsächlich herrscht derzeit ohnehin Unruhe im Auswärtigen Amt, denn Wadephul strukturiert dort – Medienberichten aus dem November zufolge – derzeit radikal um. So sollen alte Abteilungen aufgelöst, andere Bereiche wiederum neu gegründet werden. Das Außenministerium wird dabei auch um eine Einsparung von Dienstposten nicht herumkommen (die Rede ist von 570 Stellen). Künftig wird es weniger – wie bei Baerbock – um feministische Außenpolitik und humanitäre Hilfe gehen – der Fokus liegt eher bei deutschen Wirtschaftsinteressen und Wadephuls Leib- und Magen-Thema "Sicherheitspolitik".
Für letztere wird eine eigene neue Abteilung geschaffen, ebenso für den Bereich "EU-Politik und Geo-Ökonomie". In einer Videobotschaft soll Wadephul seinen Mitarbeitern als vollmundiges Versprechen die Devise mitgegeben haben, er wolle während seiner Amtsführung die Bedeutung des Auswärtigen Amtes gegenüber anderen Ressorts stärken. Auch eine Modernisierung der Verwaltung bezüglich der IT-Systeme im Auswärtigen Amt steht im Raum. Die Reformen sollen im kleinsten Kreis ausgearbeitet worden sein und dürften für viele Mitarbeiter im Außenministerium wie eine kalte Dusche gewirkt haben.
Womöglich spielt bei Wadephuls Wunsch, in Porträtform die Wand einer jeden deutschen Botschaft zieren zu wollen, auch eine gewisse Eifersucht auf seinen Amtskollegen Boris Pistorius eine Rolle. Der SPD-Politiker gilt noch immer als der beliebteste amtierende Politiker im Land. Es gab im Umfeld der Bundestagswahl Gerüchte, dass auch der CDU-Militärexperte und Reserveoffizier Wadephul gerne das Amt des Verteidigungsministers übernommen hätte. Ein Foto des Bundesministers für Verteidigung ist im Inneren eines jeden Bundeswehrstandortes angebracht, Wadephul musste als Außenminister bisher auf dieses Privileg verzichten. Und tatsächlich verweist das Auswärtige Amt auf diesen Usus des Verteidigungsministeriums, um das eigene neuartige Vorgehen zu rechtfertigen.
Ohnehin agiert Wadephul häufig wie eine Art Neben-Verteidigungsminister, wobei er Pistorius des Öfteren in die Quere kommt – vielleicht auch durch den Umstand veranlasst, dass häufig Bundeskanzler Friedrich Merz als von den Medien betitelter "Außenkanzler" seinen eigentlichen Aufgabenbereich übernimmt. So hatte Wadephul im Mai dieses Jahres die Forderung von US-Präsident Trump unterstützt, Deutschland solle künftig 5 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts für militärische Zwecke ausgeben – offenbar ohne Rücksprache mit Kanzler Merz, Finanzminister Klingbeil und eben Verteidigungsminister Pistorius.
Selbst die Mitarbeiter im Auswärtigen Amt sollen über Wadephuls Zustimmung nicht informiert gewesen sein. Im August grätschte Wadephul seinem Koalitionskollegen Pistorius mit einem Ministervorbehalt bei dessen Entwurf zur Wiedereinführung des Wehrdienstes dazwischen. Gespräche unter anderem mit dem Bundeskanzler waren nötig, damit der Außenminister schließlich seinen Einspruch zurückzog. Und Anfang Oktober forderte Wadephul sogar ein sofortiges Wiedereintreten der Wehrpflicht – ein Thema, das eigentlich nicht in sein Ressort fällt.
Unter den Mitarbeitern des Auswärtigen Amtes fand Wadephuls Entscheidung keine einhellige Zustimmung, schenkt man table.briefings Glauben. So manch ein Diplomat zweifle daran, dass die Porträtanbringung der Verwirklichung außenpolitischer Ziele dienlich sei. Sogar die Frage wurde gestellt, was los gewesen wäre, wenn eine derartige Maßnahme von Wadephuls Amtsvorgängerin Annalena Baerbock gekommen wäre. Und dies nicht nur von Grünen-Politikern wie Janos Dahmen, sondern sogar von Mitarbeitern des Außenministeriums selbst.
Gerade dieser Umstand lässt tief blicken, was Wadephuls Beliebtheit bei seinen Untergebenen angeht. Offenbar sehnt man sich im Auswärtigen Amt nach einer grünen Außenpolitikerin zurück, die nicht nur für alberne Videos wie dieses bekannt ist, sondern auch dafür, kein diplomatisches Fettnäpfchen auszulassen – unvergessen ihre versehentliche Kriegserklärung an Russland. Es hat den Anschein, als ginge es in der deutschen Außenpolitik zwar weniger unterhaltsam, aber genauso selbstdarstellerisch weiter.
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