Putin droht mit Krieg: Die Kapitulation deutscher Medien und "Experten" vor der Realität

Putin droht Europa und insbesondere Deutschland mit Krieg. Das behaupten zumindest deutsche Meinungsmacher, nachdem der russische Präsident erklärt hatte, dass Moskau zu einem Krieg mit Europa "bereit" sei. Mit der Realität hat diese Berichterstattung jedoch nichts zu tun.

Von Achim Detjen

Wladimir Putin droht Europa mit einem umfassenden Krieg – das zumindest ist die einhellige Darstellung von Medien, "Experten" und Politikern in Deutschland. Anlass waren Äußerungen des russischen Präsidenten vor seinem Treffen mit dem US-Sondergesandten Steve Witkoff im Kreml. 

"Putin droht Europa mit Krieg – 'Sind dazu sofort bereit'", fasst die Frankfurter Rundschau die Aussagen des Staatschefs zusammen. "Moskau droht NATO mit Vernichtung", weiß der Kölner Stadt-Anzeiger zu berichten. "Verrät dieser Putin-Satz einen geheimen Angriffsplan?", fragt sich die Bild-Zeitung. 

Deutsche Medien bieten den üblichen Verdächtigen eine Bühne, damit sie mit ihrer Schein-Expertise Putins Aussagen "einordnen" und orakeln, was der russische Präsident damit genau bezwecken wollte.

"Putin versucht, die Europäer von der Nutzung der beschlagnahmten russischen Gelder abzubringen. Gerade deswegen sollten wir das jetzt schnell tun", fordert der "Sicherheitsexperte" Nico Lange, seines Zeichens "Senior Fellow der Münchner Sicherheitskonferenz".

Im April 2024 hatte er einen "Strategiewechsel" gefordert und sich für ein direktes Eingreifen der NATO in den Ukraine-Konflikt ausgesprochen. Ein gutes Jahr später behauptete Lange, der bis 2022 dem Leitungsstab des Bundesverteidigungsministeriums angehörte, dass Putin zu stoppen leichter sei, "als man denkt" – und forderte in diesem Zusammenhang die Lieferung deutscher Taurus-Marschflugkörper an Kiew. 

Ein weiterer von den Medien gern herangekarrter Scharfmacher ist der "Militärexperte" Carlo Masala – haben sich seine Prognosen zur Entwicklung des Ukraine-Konflikts in der Vergangenheit auch zuverlässig als falsch erwiesen, so tut das seiner Begehrtheit in deutschen PressePropaganda-Organen keinen Abbruch. Putins "verklausierte Drohung" diene dazu, "die Europäer dazu zu bewegen, ihre Position auf die der USA zu verändern", so die aktuelle Einschätzung des Professors der Bundeswehr-Uni München, der vor einem halben Jahr die Weigerung von Eltern, ihre Söhne für den Krieg herzugeben, als "paternalistisch" verurteilte

Ein weiterer Stahlhelmträger im Geiste, der nun erneut sein bellizistisches Gift verspritzen darf, ist der "Sicherheitsexperte" Joachim Krause. Im Februar 2023 bezeichnete der heute 74-Jährige die Angst der Deutschen vor einem Krieg als "Krankheit". In einem solchen Krieg wie in der Ukraine müsse man "bereit sein zu eskalieren", eine "Eskalationsphobie" helfe nicht weiter, schwadronierte Krause. 

Für deutsche Medien – konkret handelt es sich um Welt-TV – sind solche Aussagen beste Voraussetzung, um diesen Kriegskrakeeler auch jetzt nach seiner Meinung zu fragen. Mit seiner Aussage ziele Putin "hauptsächlich auf uns Deutsche – wir haben keine Atomwaffen", so seine von Verblendung getragene Einschätzung. Doch in Krauses Kopf besteht noch Hoffnung:

"Großbritannien und Frankreich haben genügend Sprengstoff, um Russland in die Steinzeit zu bomben."

Na dann ist ja alles gut. 

Was Putin wirklich gesagt und gemeint hat

Zunächst einmal ist festzustellen: Putin hat Europa nicht gedroht, sondern gewarnt – und zwar vor den Konsequenzen des eigenen Handelns. Das ist ein gehöriger Unterschied. Doch hören will diesen Unterschied in Deutschland fast niemand. Politiker, "Experten" und Mainstream-Medien tun so, als hätte Putin einen Angriffsplan aus der Schublade gezogen und freundlicherweise der Öffentlichkeit offenbart, damit Europa sich darauf schon mal vorbereiten kann. Wobei das ja gar nicht nötig gewesen wäre, da die europäische "Koalition der Willigen" sich ohnehin auf einen Krieg gegen Russland vorbereitet.

Vor diesem Hintergrund hat Putin keine vorbereitete Erklärung abgegeben, sondern spontan auf Fragen von Reportern geantwortet. Und er drohte nicht, sondern warnte, indem er wörtlich sagte:

"Wir werden keinen Krieg gegen Europa führen. Das habe ich schon hundertmal gesagt. Aber wenn Europa plötzlich Krieg gegen uns führen will und damit anfängt, sind wir sofort bereit. Daran besteht kein Zweifel."

Der russische Präsident wies anschließend darauf hin, dass sich ein Krieg mit Europa fundamental von dem in der Ukraine unterscheiden würde.

"Das ist nicht die Ukraine. Gegenüber der Ukraine gehen wir sehr chirurgisch vor. Mit Bedacht."

Diese Aussage ist der Tatsache geschuldet, dass Russland die Ukraine als eine "Brudernation" betrachtet, deren Bürger im Wesentlichen Russen sind. Moskau unternimmt große Anstrengungen, um sicherzustellen, dass sie unversehrt bleiben, was dazu führt, dass der Krieg eine der niedrigsten zivilen Opferzahlen aller bekannten vergleichbaren Kriege aufweist. Darauf bezieht sich Putin, wenn er von einer "chirurgischen" Vorgehensweise spricht. 

Ganz anders sähe die Lage aus, wenn Europa einen Krieg gegen Russland begänne. Dann könnte es "sehr schnell gehen", erklärte Putin.

"Wenn Europa plötzlich Krieg gegen uns beginnen will, wird es das tun. Sehr schnell könnte eine Situation entstehen, in der wir mit niemandem mehr verhandeln können." 

Damit deutete Putin an, dass Russland in einem solchen Fall sein gesamtes militärisches Potenzial einsetzen würde – nötigenfalls auch Atomwaffen.  

Europas Kriegstreiberei und eine unausgesprochene Erkenntnis

Putins Ansage erfolgte nicht im luftleeren Raum und ist keinen bellizistischen Bestrebungen Russlands geschuldet. Hintergrund sind die unverkennbaren und fortwährenden Bemühungen der Europäer, Friedensverhandlungen zu untergraben. Der Umgang mit dem 28-Punkte-Plan der USA hat dies einmal mehr verdeutlicht.

Scheinheilig haben europäische Vertreter die Gespräche zwischen den USA und Russland "begrüßt", darunter zum Beispiel Deutschlands Außenminister Johann Wadephul. Doch selber lehnen sie Gespräche mit Russland ab – und beklagen sich dann, dass ihre Stimme bei den Verhandlungen keine Rolle spielt, nachdem sie sich selbst über Jahre konsequent ins diplomatische Abseits manövriert haben. 

Statt die von der US-Regierung initiierte Chance auf ein Friedensabkommen zu nutzen, legte die "Koalition der Kriegswilligen" einen eigenen 24-Punkte-Plan vor. Dieser hält an wesentlichen Wurzeln des Konflikts fest, wie zum Beispiel, dass die Ukraine "nicht zur Neutralität gezwungen" werden und auch der NATO beitreten dürfe. Der Plan wurde in dem vollen Bewusstsein skizziert, dass Moskau ihn nur unter einer Bedingung akzeptieren kann: der eigenen Kapitulation.

Und deshalb hat Putin völlig recht, wenn er sagt, dass die Europäer Russland weiterhin – in völliger Verkennung der realen Entwicklung auf dem Schlachtfeld – "eine strategische Niederlage" zufügen wollen. Kurz zusammengefasst lautet der traumtänzerische "Friedensplan" der Europäer also so: Wenn Russland kapituliert hat, dann machen wir mit der Ukraine, was wir wollen. Und mit den beschlagnahmten eingefrorenen russischen Geldern finanzieren wir unsere Siegesparade in Moskau.

Selten wurde die Welt Zeuge einer solch tiefgreifenden Realitätsverweigerung wie in den vergangenen Wochen.  

Während die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas von der Reduzierung des russischen Militärs im Rahmen eines Friedensabkommen träumt; Emmanuel Macron von der Stationierung französischer Truppen in Kiew und Odessa; der mögliche Selenskij-Nachfolger und Ex-Oberbefehlshaber der ukrainischen Armee Walerie Saluschny von Atombomben; ein oliv-grüner Bundeswehroffizier von der Zerschlagung Russlands; und ein NATO-General von Präventivschlägen gegen Russland; hat Putin einfach nur die Realität  ausgesprochen: Russland will keinen Krieg mit Europa, ist aber bereit, diesen zu führen, wenn es denn sein muss.

In Berlin, Brüssel, London und Paris sieht man das genau umgekehrt: Dort will man einen Krieg mit Russland, ist aber – noch – nicht bereit dazu. Und deshalb gilt es, "kriegstüchtig" zu werden. Und das müsse laut Verteidigungsminister Boris Pistorius bis 2029 geschehen – in der an sich absurden Annahme, dass Moskau sich an diesen Zeitplan hält. Was nur dann einen Sinn ergibt, wenn dieser Annahme die unausgesprochene Erkenntnis zu Grund liegt, dass Russland gar nicht die Absicht hat, Europa anzugreifen. 

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