Kommentar zu "Trumps Friedensplan": Noch gibt es nichts zu kommentieren

Seit einer Woche tobt im Westen eine Medien- und Meinungsschlacht um den sogenannten "Friedensplan" der USA für die Ukraine. Russische Medien dagegen sind sehr zurückhaltend mit Kommentaren. Warum ist das so?

Von Alexej Danckwardt

Dem aufmerksamen Beobachter wird es nicht entgangen sein: Seriöse russische Medien sind bislang sehr sparsam mit Kommentaren zum "Friedensplan" von US-Präsident Donald Trump für die Ukraine, ebenso die russische Politik. Während die westliche Presse seit einer Woche fast jeden Tag mit neuen "Enthüllungen" aus in der Regel anonymen Quellen aufwartet und es kaum einen Politiker in Washington, Brüssel, Berlin, Paris und London gibt, der nicht schon eine – meist überbordend emotionale – Erklärung abgegeben hat, beschränkt sich die Aufregung in Russland selbst auf Kommentarchats auf Telegram und in anderen sozialen Netzwerken.

Der Grund für die Zurückhaltung der Profis ist einfach: Noch gibt es nichts zu kommentieren, nichts zu analysieren, nichts für wie auch immer geartete Emotionen.

Was sollen wir auch kommentieren? Die 28 auf Ukrainisch verfassten Punkte, die ausgerechnet einer der widerwärtigsten ukrainischen Politiker, der mehrfache Überläufer Alexei (oder Oleksii, wie der einstige Kämpfer für die russische Sprache nunmehr genannt werden will) Gontscharenko publiziert hat? Oder die davon in wichtigen Fragen abweichenden 28 Punkte, die über Axios auf Englisch geleakt wurden?

Seit Dienstag wissen wir, dass es keine 28 Punkte mehr sind. Wir wissen aber nicht einmal, wie viele blieben – 19, wie Selenskijs graue Eminenz Jermak behauptet, 22, wie Donald Trump Reportern sagte? Oder vielleicht eine ganz andere Zahl? Was in den verbliebenen Punkten steht, wissen wir erst recht nicht: offiziell bekannt gegeben wurde noch gar nichts.

Dazu muss man wissen, dass Leaks aus allen möglichen Gründen erfolgen können, nur aus einem mit Sicherheit nicht: die Öffentlichkeit wahrheitsgetreu zu informieren. Gerade im Fall von Gontscharenko und bei den US-Demokraten nahestehenden Medien liegt das Bestreben nahe, etwaige Friedensbemühungen zu sabotieren und zum Scheitern zu bringen. Was am ehesten gelingen kann, wenn man Fantasien streut, die auf beiden Seiten auf vehemente Ablehnung stoßen.

Was wir wirklich wissen, ist dies: Russland war in jedem Moment des nun seit über zwölf Jahren lodernden Konflikts mit dem Westen über das Schicksal der Ukraine (nur so ist der "russisch-ukrainische Krieg" korrekt beschrieben) bereit, der Diplomatie und dem Frieden eine Chance zu geben. Eine Chance nach der anderen, um genau zu sein. Minsk 1, Minsk 2, unzählige Gesprächsrunden im Normandie-Format …

Dem Beginn der Militärischen Sonderoperation ging ein konkretes Angebot voraus, über eine neue europäische Sicherheitsarchitektur zu verhandeln, das der Westen brüsk abgewiesen hat. Und schon wenige Tage nach Start der heißen Phase saßen Moskaus Unterhändler wieder am Verhandlungstisch – in Istanbul, wo sie, wie wir inzwischen wissen, zusammen mit der ukrainischen Delegation ein Abkommen ausgearbeitet hatten, von dem die Ukraine heute nur noch träumen kann.

Wir wissen weiter, dass Donald Trump und Wladimir Putin sich im August in Anchorage getroffen haben. Dort muss eine grundlegende Verständigung darüber erzielt worden sein, wie der russisch-amerikanische Konflikt um die Ukraine (und damit auch der Ukraine-Krieg im engeren Sinne) beigelegt werden kann. Das ist der "Geist von Anchorage", den Russlands Offizielle in den letzten Tagen immer wieder beschwören. Was genau vereinbart wurde, wissen wir nicht. Russland setzt auf die klassische Diplomatie, die im Stillen wirkt.

Wir können nur erahnen, dass sich die Verständigung darauf erstreckte, dass im Ergebnis ein dauerhafter Frieden statt eines nur der Wiederaufrüstung der Ukraine dienenden Waffenstillstandes stehen muss. Und dass dafür wiederum der Friedensvertrag die "Grundursachen" des Konflikts beseitigen muss, was unter anderem die Berücksichtigung legitimer Sicherheitsinteressen Russlands und gewisse Änderungen der inneren Verfasstheit der Ukraine impliziert. 

Über Details kann man reden und darüber wird zur gegebenen Zeit gesprochen werden. Momentan verhandelt der Westen allerdings wie gewohnt mit sich selbst. Am Schluss dieses Feilschens unter den West-Verbündeten wird möglicherweise ein Angebot an Russland stehen, das 19, 22 oder 28 Punkte umfasst. Oder 10 oder 265. Dieses Angebot kann zur Grundlage von Friedensverhandlungen werden oder auch nicht, das werden wir erst beurteilen können, wenn es offiziell vorgestellt wird. Bis dahin können wir nur beobachten und berichten.

Immer in dem Wissen, dass das Beobachtete und Berichtete auch Täuschung und psychologische Kriegsführung sein kann, aber in keinem Fall das Endergebnis ist. Dieses Wissen schont die Nerven.

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