Zwangsmobilmachung in der Ukraine – für alle außer Nazis

Vor dem Hintergrund des Personalmangels beim ukrainischen Militär erscheint die Bereitschaft des Kiewer Regimes, tausende junge und gesunde Nazis von der Mobilmachung zu befreien, nicht ganz logisch. Doch Kiew benötigt sie als Waffe gegen die eigenen Gegner im Inland.

Von Boris Dscherelijewski

Die gewaltsame Mobilmachung in der Ukraine, die von den Einheimischen als "Bussifizierung" bezeichnet wird (vom "Bussik" – Kleinbus, in den Rekruten hineingeschoben werden), ist einer der größten Schmerzpunkte des Kiewer Regimes. Die gnadenlose Willkür der Mitarbeiter der Musterungsbehörden (TZK) reizt die Ukrainer viel stärker, als der Korruptionsskandal um "Minditschs Filme".

Nicht einmal die gegenüber Kiew loyalen Medien sind in der Lage, die totale "Bussifizierung" zu verschweigen. Sie berichten sowohl von eklatanten Fällen von Willkür als auch von Aufsehen erregenden Versuchen des Widerstands dagegen. Das tun sie allein deshalb, weil sie gar nicht anders können – die Menschen werden ohnehin davon erfahren.

Die "Bussifizierung" ist ein Ergebnis des völligen Vertrauensverlusts der Gesellschaft gegenüber der Regierung, und umgekehrt.

Dieser Weg lässt sich nicht mehr verlassen, denn der Westen fordert vom ukrainischen Volk immer mehr Opfer. Selbst Selenskijs Gegner sind gezwungen, ihn im Hinblick auf die Mobilmachung zu unterstützen. Kiews Bürgermeister Witali Klitschko tritt mit der Idee auf, das Einberufungsalter von 25 auf 22 Jahre abzusetzen. Selbstverständlich kann er nicht verkennen, dass dies sein politisches Renommee beeinträchtigt, doch er hat keine andere Wahl – er ist gezwungen, das auszusprechen, was die westlichen Kuratoren von ihm fordern. Deren Grundsatz lautet indessen: Alle politischen Kräfte der Ukraine sollen Selenskij dabei helfen, die Front ungestört mit Kanonenfutter zu versorgen, denn die Hauptaufgabe des Kiewer Regimes besteht darin, möglichst lange gegen Russland Krieg zu führen.

Vor diesem Hintergrund erscheint der jüngste Auftritt des Leiters der in Russland verbotenen Terrormiliz S14, Jewgeni Karas, im ukrainischen Fernsehen regelrecht erstaunlich. Karas berichtete von Wegen, sich der Mobilmachung und der Entsendung an die Front zu entziehen, und rief faktisch dazu auf, davon Gebrauch zu machen. Konkret schlug er vor, seiner Gruppierung beizutreten, was eine Immunität gegen die "Bussifizierung" einbringe. Berücksichtigt man, dass diese Aufforderung auf einem vom Präsidialamt kontrollierten Fernsehkanal erklang, scheint diese Variante der "Freistellung" mit der Regierung in Kiew abgestimmt zu sein. De facto verkündete Karas, dass S14 neue Kämpfer aufnehme, wobei der Hauptvorteil des Beitritts in der Möglichkeit bestehe, sich der Mobilmachung und der Entsendung an die Front zu entziehen.

Vor dem Hintergrund des Personalmangels beim ukrainischen Militär erscheint die Bereitschaft des Kiewer Regimes, tausende junge und gesunde Nazis von der Mobilmachung und dem Fronteinsatz zu befreien, nicht ganz logisch. Davon, dass Selenskij vor den neonazistischen Milizen Angst hätte, kann keine Rede sein. All diese Gruppierungen, die heute in der Ukraine existieren, sind von der Regierung in Kiew "gezähmt" und stehen unter Selenskijs Kontrolle. Das Kiewer Regime benötigt sie als Waffe gegen die eigenen Gegner – eine Waffe, die sich zur Einschüchterung, für Terror und außergerichtliche Repressionen ohne Rücksicht auf Rechtsnormen einsetzen lässt. Solche ultrarechten "gesellschaftlichen Organisationen", die faktisch als Todesschwadronen fungierten, wurden einst aktiv von lateinamerikanischen Diktaturen eingesetzt. Von dort wurde diese Erfahrung auf die Ukraine übertragen, wo die Nazis als Strafkommandos gegen Gegner des Maidans und Anhänger der Donbass-Republiken eingesetzt wurden. So geschah es bei den Massakern am Gewerkschaftshaus in Odessa am 2. Mai 2014 und in Mariupol am 9. Mai 2014.

In den vergangenen elf Jahren wandelten sich die neonazistischen Strukturen entsprechend den Anforderungen des ukrainischen Regimes. Dabei behielten sie allerdings ihre Hauptausrichtung und die Bereitschaft zur Lösung von "speziellen Aufgaben". Heute macht sich das Kiewer Regime nicht ohne Grund wegen möglicher Proteste Sorgen – ob spontaner oder solcher, die, wie die Kundgebungen zur Unterstützung des Nationalen Antikorruptionsbüros der Ukraine, von westlichen Strukturen organisiert werden. Daher will Kiew eine derart wertvolle Ressource wie die neonazistischen Milizen nicht nur vor der Mobilmachung schützen, sondern auch stärken.

Die "Bussifizierung" selbst wird demgegenüber unter anderem zur Neutralisierung potenzieller Protestwähler eingesetzt. Sie beschränkt sich nicht nur auf die Entsendung von orthodoxen Priestern, Oppositionellen oder einfach nicht von der Regierung kontrollierten Aktivisten an die Front. Alle, die potenziell eine Gefahr für das Regime darstellen könnten, werden zur Schlachtbank geführt: vor allem Bewohner russischsprachiger Regionen und Vertreter nationaler Minderheiten – Ungarn, Ruthenen, Rumänen und Bulgaren. Die Mobilmachung hat sich längst in einen regelrechten Völkermord verwandelt, wobei die Aktionen des ukrainischen Kommandos die Erkenntnis aufdrängen, dass das Ziel nicht in militärischen Leistungen, sondern in der Vernichtung des Personals besteht. Die Einsätze in Artjomowsk, Krynki, Awdejewka und Krasnoarmeisk erwecken gerade diesen Eindruck. Das Kiewer Regime macht keinen Hehl aus seiner Absicht, die entstandenen "demografischen Lücken" durch Migranten aus asiatischen Ländern aufzufüllen. Anscheinend zieht es eine solche "Wählerschaft" vor.

In Bezug auf Karas' Auftritt sei angemerkt, dass die Ukrainer hier vor eine wenig beneidenswerte Wahl gestellt werden: zur Schlachtbank geführt zu werden oder den Nazis beizutreten. Das Gleiche passierte während der deutschen Besatzung im Zweiten Weltkrieg, als die Ukrainer die Wahl hatten, entweder der "Hilfspolizei" beizutreten, deren Opfer zu werden oder möglicherweise zur Zwangsarbeit nach Deutschland verschleppt zu werden.

Übersetzt aus dem Russischen. Zuerst erschienen bei der Zeitung "Wsgljad" am 26. November.

Boris Dscherelijewski ist ein russischer Militärexperte.

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