Von Dagmar Henn
Ja, da bin ich auch für. "Die zentrale Rolle der Europäischen Union bei der Sicherung des Friedens für die Ukraine muss sich voll und ganz widerspiegeln". Wie das EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen verlangt. Vorausgesetzt natürlich, der Spiegel ist groß genug (und damit meine ich nicht das einstige Investigativblatt aus Hamburg).
Immerhin, diese zentrale Rolle beginnt schon ganz am Anfang. Nämlich mit dem Ultimatum, das die EU 2013 an den ukrainischen Präsidenten Janukowitsch stellte, sich für oder gegen das Assoziierungsabkommen zu entscheiden, als dieser (auf Druck aus der Opposition) beschloss, den Entwurf dieses Abkommens doch noch mal zu prüfen. Das war dann der Auslöser für den Maidan, und wie diese Geschichte endete, ist bekannt: mit einem gewaltsamen Umsturz. Aber ohne dieses Ultimatum wäre das ganze Spiel nie eröffnet worden. Schließlich musste man den Bürgern in den EU-Ländern erzählen können, die teils sehr seltsamen Gestalten dort auf dem Kiewer Platz wollten nur "nach Europa". Das eine oder andere kleine Hakenkreuz (oder ein fünf Meter großes Bandera-Porträt direkt rechts neben der Hauptbühne) kann man da schon mal übersehen.
Es ist schwer zu klären, wer da die Nase tiefer drin hatte; sicher ist nur, die deutsche war die erste, was den ganzen Rest der EU dann automatisch mitnimmt. Schließlich wurden schon 1992 die in München zwischengelagerten Truppen zurück in die Ukraine geschickt, um den alten Kooperationspartner dort wiederauferstehen zu lassen.
Klar, Großbritannien beispielsweise, das immerhin auch keine kleine Rolle darin spielte, den Frieden in der Ukraine zu zerstören, ist derzeit nicht mehr Mitglied im Brüsseler Club – war es aber noch, als die ganze Nummer ausgekocht und in Marsch gesetzt wurde. Und der aktuelle, herzlich verhasste Premierminister Keir Starmer wäre lieber heute als morgen zurück in Brüssel. Doch zugegeben, Ex-Premier Boris Johnson, der damals Selenskij dazu brachte, die Verhandlungen in Istanbul abzubrechen, machte das ganz ohne EU-Beteiligung.
Oder auch nicht. Schließlich traten sie wenige Tage später alle an, um die Inszenierung von Butscha ab- und aufzunehmen (wozu doch vor kurzem erst erklärt wurde, sie wüssten nun, welcher russische Kommandeur schuld sei – aber die Namen der Toten immer noch nicht), und so ging es all die Jahre weiter. Mit den Sanktionen, mit dem Bespielen der einzelnen Motive, also nach Butscha das Theater von Mariupol, oder der angebliche russische Beschuss des Kernkraftwerks von Energodar – da passte kein Blatt Papier dazwischen, als hätte es nie einen Brexit gegeben.
Wobei es übrigens der damalige deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier war, der 2014 als Erster den Begriff "territoriale Integrität" ausgegraben hatte. Ich wunderte mich noch, wo er das wieder herhat, deshalb erinnere ich mich noch daran. Es dürfte die Historiker künftiger Jahrzehnte noch gut beschäftigen, herauszufinden, was wann wo angefangen und an wen weitergegeben wurde; aber letzten Endes verhielt sich die ganze EU wie ein Schwarm Papageien.
Und Kommissionspräsidentin von der Leyen ist auch noch ganz persönlich beteiligt. Sie wollte immerhin schon 2014 mit deutschen Truppen in der Ukraine eingreifen, im Bürgerkrieg, aufseiten Kiews. Sicher immer mit dabei ihr damaliger Adjutant Christian Freuding. Es ist nicht so, als hätte sie nicht bereits in ihrer Zeit als deutsche Verteidigungsministerin zu erkennen gegeben, dass sich ihre Friedenstauglichkeit in engen Grenzen hält. Sie in Brüssel zu inthronisieren war insofern von Anfang an Programm.
Gewiss, die USA waren auch massiv beteiligt, siehe Victoria Nulands Aussage von den fünf Milliarden, die man in der Ukraine investiert habe (wetten, die wurden inzwischen mehrfach wieder herausgezogen). Und sie hatten klar, mindestens bis zum Amtsantritt von Donald Trump, das Kommando inne. Seitdem muss man jede Woche neu nachdenken, ob das nur ein schlechtes Theaterstück ist oder die Differenzen echt sind.
Wobei eigentlich all jene, die in öffentlich-rechtlichen Sendern oder in den deutschen Leitmedien über diesen tollen "Friedensplan" der EU informiert wurden, Geld zurückverlangen können müssten. Schließlich läuft da seit fast vier Jahren dieselbe Leier, auch wenn die Köpfe in den Talkshows brav durchrotiert werden und ab und zu mal ein anderer Politiker die Sprüche aufsagen darf. Nein, keine territorialen Zugeständnisse, Ukraine in die NATO und auch die Möglichkeit, fremde Truppen dort zu stationieren... und ein Militär von 600.000 Mann ist selbstverständlich nicht genug. (Übrigens eine überaus interessante Reaktion, vor allem, wenn sie von Deutschen kommt. Denn da gibt es diesen bösen alten Vertrag, wonach Deutschland höchstens 370.000 Soldaten haben darf, Sie wissen schon, der mit "von deutschem Boden soll nur Frieden ausgehen".)
Das hört vermutlich nicht einmal dann auf, wenn die russische Armee längst mitten in Kiew steht. Sie werden sich dann eben regelmäßig mit den rechtzeitig ins Ausland geflüchteten Plünderern mit oder ohne Selenskij versammeln, die sie zur "ukrainischen Exilregierung" aufgeblasen haben, und weiter das Mantra von der "territorialen Integrität" und der "Entscheidungsfreiheit" singen. Ja, vielleicht führen sie sogar einen "Ukraine-Tag" im Kalender ein, an dem dann die ganzen blau-gelben Fahnen reaktiviert und auf westeuropäische Fahnenstangen gehisst werden.
Man könnte glauben, es handele sich um ein fundamentales Missverständnis. Weil auch immer wiederholt wird, es dürfe nicht sein, dass Russland bekäme, was es wolle. Nicht, als wäre nicht auch der Bürgerkrieg im Donbass ab 2014 der Clausewitzschen Definition gefolgt, nach der "Krieg [...] ein Akt der Gewalt" sei, "um den Gegner zur Erfüllung unseres Willens zu zwingen". Der von Kiewer Seite vertretene Willen bedeutete Unterordnung unter die westliche Strategie und die Bandera-Ideologie, aber der Versuch war zweimal, im Sommer 2014 und im Frühjahr 2015, erfolglos. Weshalb der dritte Anlauf im Februar 2022 so viel massiver ausfallen sollte, dem dann die russische Armee zuvorkam.
Nun, der Wille der Gegenseite liegt längst auf dem Tisch, mit dem nicht abgeschlossenen Dokument von Istanbul und einigen Ergänzungen, die seitdem fällig geworden sind; und wenn es darum geht, wer wem seinen Willen aufzwingt, so ist das üblicherweise der Sieger einer militärischen Auseinandersetzung dem Verlierer. Wenn Bayern die Tabelle am Saisonende anführt, geht die Schale auch nicht nach Leverkusen; Verzeihung für den ethisch unangemessenen Vergleich, aber ich fürchte, für die EU-Eliten muss man das so weit runterbrechen. Zugegeben, gegenüber der Bevölkerungsmehrheit in der EU gelingt es, die ganze Vorgeschichte so weit zu verschweigen, dass immer noch nicht die Männer mit den langärmligen weißen Jacken geholt werden, wenn sie wieder mal einen Satz mit "die Ukraine muss" anfangen; aber vielleicht, ja hoffentlich, kommen irgendwann diese anderen Männer mit den metallenen Armbändern, und bringen sie dorthin, wo die Luft gut gesiebt ist.
Tatsächlich hatte sich ein "ehemaliger französischer Regierungsvertreter", so die Welt, vor allem über einen Punkt in Trumps Plan echauffiert: darüber, dass die eingefrorenen russischen Guthaben nicht der EU zur Verfügung stehen sollen. "Die Europäer verausgaben sich, um eine tragfähige Lösung zu finden, wie die Vermögen zum Nutzen der Ukrainer eingesetzt werden können, und Trump will daraus Profit schlagen."
Ja, es geht ums Geld. Nicht um solchen Krimskrams wie eine russische Teilnahme bei den G8. Ich würde vermuten, dieser Punkt, den selbst die EU nicht ändern wollte, hat im russischen Präsidialamt schallendes Gelächter ausgelöst, und irgendwo hinter einem Schreibtisch war dann vermutlich zu hören: "Bin ich froh, dass ich diesen Termin los bin und diese Hohlköpfe nicht mehr sehen muss." Nein, Geld wie in "eingefrorene Zentralbankgelder".
In dem "europäischen Vorschlag" heißt es dann dazu: "Die Ukraine wird vollständig wiederaufgebaut und finanziell entschädigt, unter anderem durch russische Staatsvermögen, die so lange eingefroren bleiben, bis Russland den Schaden für die Ukraine ersetzt hat." Eine Formulierung, die im Zusammenhang mit dem übrigen Theater auf EU-Ebene vor allem einen Verdacht weckt: dass nämlich ein größerer Teil dieser Mittel in Wirklichkeit längst nicht mehr dort liegt, sondern zur Deckung von Ausgaben verwendet wurde, und die ganzen Manöver, die zuletzt bezogen auf diese Gelder stattfanden, dazu dienen sollten, diese Tatsache zu verschleiern.
Und wo wir schon einmal beim Geld sind – die Korruptionsgeschichte in den letzten Wochen hat natürlich auch eine Frage bezüglich der EU-Granden aufgeworfen. Denn selbst für das (reale) Problem, dass im Falle einer gut sichtbaren Niederlage ihre politischen Karrieren ein abruptes Ende finden könnten, wirken die ganzen EU-Politiker noch übereifrig. Anstatt sich angesichts einer militärischen Lage, die geradezu mehrstimmig "Niederlage" schreit, in Schadensbegrenzung zu mühen, um nicht mit in die Tiefe gezogen zu werden, wird mit Eifer alles getan, um ein Ende des Krieges zu verhindern. Auch das lässt sich eigentlich nur noch durch unmittelbare und persönliche materielle Vorteile erklären – durch Rückflüsse aus der Ukraine, aus den, so sollen nach Angaben von Larry Johnson US-Behörden inzwischen vermuten, bis zu 45 Milliarden unterschlagenen US-Dollar. Geld, das ebenso sehr vor Blut trieft wie die Million Pfund, die ein Boris Johnson womöglich als Belohnung erhielt, weil er einen Frieden in Istanbul verhinderte. Geld, das nur so -lange weiterfließt, wie das Blut an der Front weiter vergossen wird. Und vor allem Geld, dessen Existenz sich nicht mehr verschleiern ließe, würden die westeuropäischen Gesellschaften eine Atempause erhalten, um nachzusehen.
Aber gehen wir zurück zum Satz am Anfang. Der beinhaltet tatsächlich interessante Möglichkeiten. Wenn man einmal anfängt, über EU-Vermögen irgendwo nachzudenken, und darüber, dass die wirklich schwer zerstörten Städte alle auf dem Gebiet der Russischen Föderation liegen, und dass üblicherweise, auch wenn die EU-Herrschaften daran nicht glauben, es die Verlierer sind, die Reparationen zahlen müssen.
Donezk, Mariupol, auch Krasnoarmeisk und all die anderen Orte im Donbass, das unaufhörlich beschossene Gorlowka beispielsweise, in ihnen allen gibt es etwas aufzubauen, sollte es einen Frieden geben. Wie viele Milliarden war der EU der Krieg wert? 98,9 Milliarden, behauptet Statista; dazu kommen dann noch die Mittel, die über die einzelnen Länder geflossen sind; aus Deutschland waren das laut derselben Quelle 45,8 Milliarden bis zum 31. August 2025.
Nicht, dass es niemanden gäbe, bei dem solche Milliarden zu holen wären, die eigentlich aus der EU gezahlt werden müssten – ja, in den wirklich zerstörten Teil der einstigen Ukraine, also in die Russische Föderation. Der Nennwert des Kapitals von Rheinmetall beispielsweise lag 2021 bei 111,51 Millionen Euro. Die aktuelle Marktkapitalisierung beträgt mehr als 67 Milliarden Euro. 67 Milliarden abzüglich 111,51 Millionen gibt es also nur, weil im Verlauf dieser Jahre ein, eineinhalb oder gar zwei Millionen Ukrainer in diesem Krieg geopfert wurden. Ja, auch das ist ein Rückfluss, der beachtenswert ist. Und der beispielsweise die Leidenschaft einer gewissen Frau Strack-Zimmermann für diesen Krieg erklären könnte, deren innige Beziehung zur Düsseldorfer Firma Rheinmetall sicher die Gestalt eines Aktienpakets angenommen hat. Solange man das Drittel außen vor lässt, das Deutschland bei der EU finanziert, ist sogar allein die Kurssteigerung bei Rheinmetall mehr, als die Bundesregierung aus Haushaltsmitteln an die Ukraine weitergeschoben hat. Soll keiner sagen, dass Krieg sich nicht lohnt. Wobei man dann nicht vergessen sollte, dass die ganze Wiedereinführung von Sanktionen beim Bürgergeld gerade mal eine Ersparnis von einer Milliarde bringen soll. Nur, damit die Proportionen stimmen.
Also ja, die zentrale Rolle der EU im Zusammenhang mit Krieg und Frieden in der Ukraine muss auf jeden Fall noch genauer beachtet werden. Und es sollte einen Preis geben, den jene bezahlen müssen, die diesen Krieg gefördert und von ihm profitiert haben. Die Menschen in Westeuropa profitierten nicht davon; sie mussten nur die Kosten tragen, als Energiepreise, als Sozialkürzungen. Aber diejenigen, die die Gewinne eingefahren haben, und diejenigen, die die Hand aufgehalten haben und aus der Korruptionsmaschinerie bezahlt wurden, die sollen, die müssen zahlen. Von Ursula von der Leyen abwärts.
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