Trump zwischen eigener Intuition und Russenhass westlicher Eliten

US-Präsident Donald Trump ist weder allmächtig noch unfehlbar. Doch seine Entscheidungen beeinflussen Fragen von Krieg und Frieden, auch in Europa. Weil er ungern auf Experten hört und auf sein Bauchgefühl setzt, greift er beim Ukraine-Konflikt auf vertraute Russland-Klischees des Westens zurück.

Von Alexander Jakowenko

Die Geschichte von Donald Trumps Haltung gegenüber dem lange im US-Kongress schmorenden Gesetzentwurf zur Verhängung drakonischer Sanktionen gegen alle Länder, die mit Russland Geschäfte machen – Zölle von bis zu 500 Prozent –, den man ebenso lange durch den Kongress durchzuboxen versucht, entwickelte sich rasant. Fast könnte man sagen, nach den Gesetzen der Gattung (welche Gattung und welches Genre überhaupt, ist in der heutigen US-amerikanischen Gesellschaft, wo es schwerfällt, Inszenierung und Realität zu trennen, eine große, aber auch sehr berechtigte Frage).

Seine erste Reaktion erfolgte vor der Abstimmung im UN-Sicherheitsrat über die US-Resolution zur Umsetzung von Trumps Gaza-Plan. Am Montag wurde sie mit 13 von insgesamt 15 Stimmen bei zwei Enthaltungen – vonseiten Russlands und Chinas – angenommen. Wir hatten keine Chance, unsere Resolution durchzubringen, da sich die US-Amerikaner die Unterstützung der arabischen Staaten gesichert hatten. Die biblische Wahrheit gilt hier: Wenn es nicht von Gott, sondern von Menschen kommt, wird es auch von selbst scheitern. Ein weiterer wichtiger Punkt (vom Apostel Paulus): Die Verheißung wurde über Abraham allen Völkern gegeben – und das heißt, eben auch den Palästinensern.

Zurück zum US-Gesetzentwurf über Sanktionen: Nach der Abstimmung ließ das Weiße Haus durchsickern, dass Trump das Gesetz nur dann unterzeichnen würde, wenn dieses dem Präsidenten das letzte Wort bei den Sanktionen überließe. Das ist zwar eine andere Position, aber sie scheint Trump dennoch einen starken Hebel zur Druckausübung auf Russland im Ukraine-Konflikt zu verschaffen. Die ersten Betroffenen allerdings wären dann die Europäer selbst sowie Indien und China. Mit China wurde eine Vereinbarung über einen vorübergehenden "Waffenstillstand" bezüglich Pekings Lizenzvergabe für Seltene-Erden-Exporte erzielt – weshalb die für den 1. November angekündigten 100-prozentigen US-Einfuhrzölle gegen China ja auch nicht verhängt wurden. Sollte Washington diesen Weg jetzt einschlagen, hätte das weitreichende katastrophale Folgen für die USA selbst (und bei einem Anstieg der Rohöl- und der damit einhergehenden Treibstoffpreise, vor dem Russlands Präsident Wladimir Wladimirowitsch Putin warnte, würde es dann mitnichten bleiben).

Die Europäer planen derweil, von Russland erst in ein bis zwei Jahren kein Gas mehr zu kaufen und weiterhin unser Öl zu beziehen: Was dann? Für Ungarn zum Beispiel wurde bereits eine Ausnahme gemacht. Werden die Sanktionen dann hauptsächlich aus Ausnahmen bestehen wie der sprichwörtliche Käse mit 100-prozentigem Löchergehalt?

All dies sind Elemente eines größeren Bildes, mit dem Trump innenpolitisch in einer kritischen Phase konfrontiert ist, weniger als ein Jahr vor den Zwischenwahlen. Es ist nicht nur Zohran Mamdanis Wahlsieg in New York, der als Ausdruck der liberal-globalistischen Elitenkonzeption einer Fokussierung auf marginalisierte Bevölkerungsgruppen (eben nicht nur auf BLM und die "kritische Rassentheorie" – sondern auf möglichst alle davon) verstanden werden kann, ganz im Sinne der Frankfurter Schule. Diese unterscheidet sich im Wesentlichen kaum von Dostojewskis Prophezeiungen in "Die Dämonen" und "Die Legende vom Großinquisitor": die Menschen zu korrumpieren und zu Perverslingen zu machen, damit sie unfähig werden, Ideen wahrzunehmen, insbesondere befreiende – und somit letztlich ins Abseits zu drängen.

Die Epstein-Affäre ist spezifisch gegen Trump wieder aufgeflammt und spaltet seine MAGA-Koalition. Ebenso spaltende Wirkung hat hier die Frage der US-amerikanischen Souveränität – sprich, das Problem der proisraelischen Lobby in Washington: Fast alle jungen Menschen, von der alten Linken bis zu vielen Republikanern, lehnen Trumps Unterstützung für Netanjahus radikale Regierung ab.

Eine massive Aktienmarktblase bläht sich auf, alle Anzeichen einer normalen Korrektur sind verflogen, und das Wachstum wird ausschließlich von Unternehmen im Bereich der künstlichen Intelligenz getrieben. Eine aktuelle Studie des MIT zeigt jedoch, dass 93 Prozent der Unternehmen, die auf KI setzten, keine Renditesteigerung erzielten – der Effekt ist also in etwa gleich null. Daher droht eine ähnliche Krise wie der Dotcom-Crash von 2000, gefolgt von der Subprime-Kreditkrise von 2007, die die Weltfinanzkrise 2008 mit auslöste. Kurzum: Die strukturellen Probleme der US-Wirtschaft lassen sich nicht umgehen.

Gleichzeitig sinkt das Vertrauen in den US-Dollar, der Goldpreis hat sich verdoppelt – und Stablecoins, auf die Trump zur Lösung des Problems der angehäuften Staatsschulden setzt, stoßen in Europa, einschließlich der EZB, auf offenes Misstrauen. Zu allem Überfluss werden vor den US-Zwischenwahlen Staatsanleihen im Wert von neun Billionen Dollar neu emittiert, da sie bald auslaufen.

Zwei qualitativ neue Phänomene auf dem globalen Anleihenmarkt vervollständigen das Bild. Zum einen emittiert China Dollar-Anleihen in Saudi-Arabien – zu Zinssätzen, die etwas höher sind als die der US-Notenbank. Zweitens vergibt Russland auf Yuan (korrekt: Renminbi) lautende Anleihen, während die Yuanisierung internationaler Zahlungen auf Basis des digitalen Yuan, der als Alternative zu SWIFT dient, in ganz Ostasien bereits weit fortgeschritten ist.

Und schließlich der Kernpunkt: Mit dem neuen Gesetz könnte Trump Russland unter Druck setzen und damit die Aussicht auf eine Normalisierung der bilateralen Beziehungen zunichtemachen. Auch besteht die Möglichkeit, dass sich der US-Präsident mit den Kriegstreibern in Europa verbünden wird. Das würde eine Umstrukturierung der europäischen Sicherheitsarchitektur als Reaktion auf Russlands Forderungen nach Sicherheitsgarantien ausschließen. Anders ausgedrückt: Uns droht ein großer Krieg in Europa, da dieser von den europäischen Eliten ausschließlich mit dem Segen der USA entfesselt werden kann. Die Militarisierung Europas wird dann ernstzunehmend und langfristig sein, sofern nicht systemische Probleme in der Entwicklung der europäischen Länder selbst sichtbar werden.

Dies könnte zu einer Situation führen, in der unsere Sicherheitsinteressen ausschließlich durch einen Sieg auf dem Schlachtfeld gewahrt werden – also durch die Nutzung von Heer, Marine, Luft- und Weltraumstreitkräften. Dabei werden die neuen US-amerikanischen Sanktionen, sofern sie wirklich verhängt werden sollten, die globale Kluft zwischen dem Westen und der globalen Mehrheit nur weiter vertiefen – einer Mehrheit, die sich nach Russlands Sieg ohnehin grundlegend verändern wird.

Fakt ist aber auch, dass gerade und ausgerechnet ein russischer Sieg die westlichen Eliten, einschließlich der US-amerikanischen, von ihrer instinktiven Ablehnung eines jeden für Moskau günstigen Ergebnisses im Ukraine-Konflikt abbringen könnte. Derzeit leben sie in einer Parallelwelt und können sich schlichtweg nicht in einer Lage erkennen, in der sie mit Russland nichts anstellen können. Und das, wohlgemerkt, obwohl einige Experten diese westliche Hilflosigkeit bereits vor der NATO-Erweiterung im Jahr 1994 vorhergesagt haben.

Viele westliche Beobachter und Analysten, darunter auch US-Amerikaner, sind überzeugt: Trump hört auf niemanden, fragt niemanden um Rat, bereitet sich nicht auf seine Treffen, auch nicht auf internationale, vor und verlässt sich ausschließlich auf die in der Geschäftswelt entwickelten Modelle und seine Intuition. Wenn all dies versagt, gerät er in eine Sackgasse, und dann wird es möglich, dass er auf die unter den westlichen Eliten verbreiteten antirussischen Vorurteile zurückgreifen könnte.

Die kommenden Monate werden zeigen, ob die Ereignisse diesen Punkt schon erreicht haben oder ob eine politische und diplomatische Lösung möglich ist – einschließlich eines Machtwechsels, einer Dezentralisierung in der Ukraine und einer Angleichung des Territoriums an allgemein anerkannte Normen des Staatsaufbaus. Also einschließlich der Achtung der Menschen- und Minderheitenrechte, einschließlich der sprachlichen Rechte – ganz zu schweigen von der Ablehnung der aggressiven nationalistischen Staatsideologie und Mythologie.

Übersetzt aus dem Russischen. Zuerst erschienen bei RIA Nowosti am 19. November 2025.

Alexander Jakowenko ist ein russischer Diplomat (Außerordentlicher und Befugter Botschafter Russlands) und Rektor der Diplomatischen Akademie beim Außenministerium der Russischen Föderation. Er war Außerordentlicher und Befugter Botschafter Russlands in Großbritannien, stellvertretender Außenminister sowie Mitglied des Diplomatischen Kollegiums des russischen Außenministeriums.

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