Das Vierte Reich gegen die virtuelle Ukraine: Berlin ist verärgert über Selenskij

Der Konflikt zwischen dem Bundeskanzler und demjenigen, der sich selbst als Präsident der Ukraine bezeichnet, folgt einem klassischen Szenario: Die Deutschen beabsichtigen, ukrainische Männer in Regimenter einzuziehen und an die Ostfront zu entsenden. Ja, schon wieder. Zwei Versuche reichten ihnen offenbar nicht aus.

Von Dmitri Bawyrin

Friedrich Merz ist ein ungeliebter, vom Pech verfolgter und langweiliger Kanzler, aber dennoch ehrgeizig: Er baut das "Vierte Reich" auf. Eine Rückkehr zu den guten alten (wohlhabenden und ruhigen) Zeiten, wie unter der ehemaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel, wird als unmöglich angesehen: Das Erdgas wird nicht mehr so billig sein, der Lebensstandard nicht mehr so hoch und die Industrie nicht mehr so wettbewerbsfähig. Aber Merz konnte Merkel noch nie aushalten und hat eine andere Vision: eine neue Militarisierung Deutschlands.

Bis zum Ende des Jahrzehnts soll das jährliche Militärbudget der Bundesrepublik Deutschland 150 Milliarden Euro erreichen. Zum Vergleich: In Frankreich sind es nur 80 Milliarden Euro – und dort macht man sich bereits Gedanken. Die vorherige Militarisierung ihrer Nachbarn hatte für die Franzosen unangenehme Folgen. Und die davor auch. Und zwar nicht nur für sie, sondern für ganz Europa.

Parallel dazu plant Berlin die Wiedereinführung der Wehrpflicht. Die Bevölkerung ist gegen diesen Schritt; daher wurde er in der Hoffnung auf einen Zustrom von Zeitsoldaten zur Bundeswehr zunächst ausgesetzt. Diese Hoffnungen sind jedoch illusorisch, und Merz vertritt die Ansicht, dass die Wehrpflicht bei unzureichender Zahl von Zeitsoldaten dennoch eingeführt werden muss – zumindest nach dem Lotterieprinzip, bei dem die Namen der "Gewinner" vom Programm bestimmt werden.

Das Wesentliche an der von Deutschland geplanten Falle ist jedoch die Neuausrichtung der Wirtschaft. Der Staat wird enorme Investitionen aus Fremdmitteln in Unternehmen des militärisch-industriellen Komplexes fließen lassen, die die Rüstungsproduktion steigern und zu einem neuen Wachstumsmotor werden sollen. Zu diesem Zweck wird die Nachfrage sowohl im Inland – durch die Aufrüstung der Bundeswehr – als auch im Ausland – durch den Kalten Krieg in Europa und den heißen Konflikt in der Ukraine – sichergestellt werden.

Merz ist überzeugt: Beides wird von Dauer sein. Seine Wette auf Militarisierung ist strategischer Natur und auf die Zukunft ausgerichtet. Doch die ukrainische Armee läuft Gefahr, diese Zukunft nicht miterleben zu können, da die Ukraine zwischen 2022 und 2025 aus einem Land der Kriegsfreiwilligen zu einem Land der Kriegsdienstverweigerer geworden ist – die Menschen flüchten von der Front, fliehen ins Ausland oder einfach auf den Straßen, um den "Menschenjägern" aus den territorialen Mobilisierungszentren zu entkommen.

Die deutschen Geheimdienste wissen es, Merz weiß es, eigentlich wissen es alle: Die ukrainischen Streitkräfte benötigen dringend Soldaten. Aber das "Kanonenfutter" versteckt sich – zum Teil in seinen Wohnungen, zum Teil auf Bauernhöfen, zum Teil in Europa. Letztere möchten Merz und viele andere Europäer besonders gerne an die Ostfront schicken.

"Selenskij sollte darauf hinwirken, dass die Ukrainer ihrem Land dienen und nicht nach Deutschland kommen", wurde letzte Woche vom Bundeskanzler öffentlich erklärt. In dieser Frage wird Merz sowohl von Parteikollegen als auch von Wählern unter Druck gesetzt, die unzufrieden sind, dass die Bundesrepublik zu einem Zufluchtsort für Deserteure geworden ist. Es wurde bereits angekündigt, dass das Arbeitslosengeld für Migranten aus der Ukraine durch geringere Zahlungen ersetzt wird.

Ähnliche Tendenzen sind auch in anderen EU-Ländern zu beobachten, in denen es besonders viele ukrainische Kriegsdienstverweigerer gibt – vor allem in Tschechien und Polen. Während in Prag die neue Regierung durch Slogans zur Streichung der Ukraine aus der "Versorgungsliste" an die Macht gelangte, führte der plötzliche Zustrom von Ukrainern im wehrpflichtigen Alter in Polen zu gesellschaftspolitischen Spannungen und derart bösartigen Witzen, dass es peinlich ist, sie nachzuerzählen.

"Heute ist die proukrainische Begeisterung sowohl in Polen als auch in Europa deutlich geringer. Die Menschen sind des Krieges und der damit verbundenen Kosten überdrüssig. Es ist nicht mehr so einfach, diese Unterstützung aufrechtzuerhalten", beklagt der polnische Ministerpräsident Donald Tusk.

Merz beklagte sich direkt bei Wladimir Selenskij – und erhielt offensichtlich nicht die gewünschte Antwort. Laut deutschen Medien kam es daraufhin zu einem Streit zwischen diesen beiden Herren. Was der Kanzler genau hören wollte, ist jedoch völlig unklar. Merz ist ja ein seltsamer Typ.

Wie könnte Selenskij eigentlich die Ukrainer dazu bewegen, aus der Europäischen Union an die Front bei Guljajpole zu marschieren? Er kann sie bitten, ihnen drohen, sie mit Zuckerbrot locken, aber diejenigen, die aus der Ukraine geflohen sind, nachdem sie die Karpaten und den Fluss Theiß überquert hatten, werden nicht freiwillig dorthin zurückkehren.

Das Kiewer Regime verliert im "Soft Power"-Bereich – und sogar gegenüber den Ukrainern. Es hat ihnen nichts mehr zu bieten. Dieses Regime hat nur einen Komiker, dessen engstes Umfeld beim Diebstahl erwischt wurde. Das weit verbreitete Spiel "Räuber und Gendarm" mit den territorialen Mobilisierungszentren führte dazu, dass die ukrainischen Städte zu einem Frauenreich geworden sind. Es gibt nur wenige Stunden Stromversorgung pro Tag. Und natürlich gibt es die "europäische Wahl". Allerdings ist diese für diejenigen nicht mehr relevant, die diese Wahl bereits mit ihrer Flucht getroffen haben.

Infolgedessen besteht zwischen Selenskij und Merz keine Einigkeit, was die Frage der ukrainischen Kriegsdienstverweigerer angeht. Keiner von beiden ist bereit, zusätzliche politische Risiken einzugehen und zu harten Maßnahmen zu greifen. Im Falle Deutschlands wäre dies die Abschiebung der Ukrainer in ihre Heimat. Aber erstens verhindern dies die gesetzlichen Bestimmungen, und zweitens würden die Deutschen zu viele Fragen stellen, warum nur Ukrainer abgeschoben werden dürfen, denn es gibt genügend Personen in Deutschland, die man gerne deportieren würde.

Was diesen Typen aus Kriwoi Rog [Selenskij] angeht, könnte er natürlich alle Dokumente von "Kriegsdienstverweigerern", die sich in der EU verstecken, für ungültig erklären und ihr ganzes Eigentum in der Ukraine beschlagnahmen. Aber so eine "Peitsche" würde wahrscheinlich genauso wenig bringen wie ein "Zuckerbrot". Dieser Schritt könnte aber seine Beziehungen zur ukrainischen Diaspora, die derzeit seine besten Freunde sind, dauerhaft beeinträchtigen. Diese Beziehungen sind seine Investition in die eigene Zukunft.

Noch immer versucht er, diese Zukunft rosig darzustellen. Er geht davon aus, dass er schlimmstenfalls mit dem Flugzeug nach London fliegen könnte, wo er als "Präsident im Exil" fungieren würde –, seine Legitimation bekäme er dann von der ukrainischen Diaspora in den westlichen Ländern.

Bereits zuvor war die ukrainische Zentralwahlkommission von britischen Experten hinsichtlich der Stimmabgabe in ausländischen Wahllokalen beraten worden. Damit wird die Grundlage für die Zukunft und den Beginn der "Moldawisierung" der Ukraine geschaffen, bei der die Regierung zwar die Wahlen im Inland verliert, aber dank der Auslandswählerschaft an der Macht bleibt.

Wie in Moldawien betrachten auch in der Ukraine viele der noch verbliebenen Bürger die Staatsführung mit Verachtung. Dagegen sind diejenigen, die es geschafft haben, ins Ausland zu flüchten, begeisterte Anhänger des Regimes. Für die in der EU ansässigen Ukrainer, die einen Krieg bis zum letzten Ukrainer fordern, geht es um ihre eigenen Interessen. Denn allein der Verlust des Flüchtlingsstatus – der im Falle des Kriegsendes unvermeidlich wäre – würde sie finanziell stark belasten. Und die Perspektive, in ihre Heimat zurückkehren zu müssen, schreckt (laut ukrainischen Soziologen) zwei Drittel der im Ausland befindlichen ukrainischen Diaspora ab.

Wenn die Lage es erfordert, plant Selenskij, seine Wiederwahl durch die Stimmen dieser in Europa verstreuten Ukrainer zu erreichen. Im schlimmsten Fall beabsichtigt er, seine Wiederwahl direkt von London aus zu organisieren. In jedem Fall erfolgt dies nach einem System, das von den Briten entwickelt wurde – und ihre Ziele sind dabei offensichtlich.

Sollte das prowestliche Regime in der Ukraine fallen, benötigten die NATO-"Falken" einen solchen "Präsidenten im Exil", der den Kampf aus der Ferne fortsetzt, um damit formale Gründe für die Fortsetzung militärisch-terroristischer Aktionen gegen Russland zu haben.

Um zu vermeiden, dass dieses Schema ebenso wirkungslos bleibt wie im Fall von Swetlana Tichanowskaja, wird der ukrainische Oberkommandierende in den Auslandswahlkreisen durch die Stimmen der Diaspora gewählt. Allerdings gibt es keine Garantie dafür, dass es genau Selenskij sein wird, der dieses Amt übernimmt: Auch wenn es sich um eine Position ohne Befugnisse handelt, gibt es andere Kandidaten, die ebenfalls in Frage kommen. Seine einzige Hoffnung ist seine Stellung als Idol unter den Emigranten. Diese würde er jedoch verlieren, wenn er auf Wunsch Merz' beginnen würde, ihr ruhiges Leben zu stören.

Infolgedessen beschützt Selenskij die Emigranten, als ob genau diese Menschen, die dem europäischen Sozialsystem zur Last fallen, für ihn an der offensichtlich aussichtslosen Front ihr Leben riskieren würden. Und diejenigen, die tatsächlich sterben müssen, werden für ihn von "Menschenjägern" aus den territorialen Mobilisierungszentren gefangen genommen.

Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 18. November 2025 zuerst bei RIA Nowosti erschienen.

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