Endspiel um Selenskij: Korruption, Inszenierung und der Machtkampf zwischen Brüssel und Washington

In der Ukraine flog die Korruption auf, in die der innere Machtzirkel um Selenskij verstrickt ist. Das überrascht nicht. Was überrascht, ist, dass die Ermittlungsbehörde im laufenden Verfahren Beweise öffentlich präsentiert. Wir sehen eine Inszenierung, die den Sturz Selenskijs legitimieren soll.

Von Gert Ewen Ungar

Die Ukraine ist hoch korrupt. Die Korruption durchzieht die gesamte Gesellschaft und reicht bis in den innersten Machtzirkel in Kiew hinein. Das ist längst bekannt. Neu ist, dass Korruption und Geldwäsche von einer Ermittlungsbehörde nachgewiesen wurden. Die Behörde heißt NABU und ermittelt unabhängig. Zumindest wird das behauptet. 

Stutzig machen sollte nämlich das Vorgehen der Behörde im aktuellen Korruptionsfall. NABU hat ein groß angelegtes Korruptionssystem aufgedeckt. In das System ist das unmittelbare Umfeld des ukrainischen Präsidenten mit abgelaufenem Haltbarkeitsdatum verwickelt. 

Im Zentrum steht der staatliche ukrainische Atomkonzern Energoatom. Die Vertragspartner von Energoatom hätten für Aufträge zwischen 10 und 15 Prozent Bestechungsgeld kassiert. Über 100 Millionen Dollar sollen über das System gewaschen und verschoben worden sein.

Laut den Ermittlungen soll die Verwaltung von Energoatom von Außenstehenden geleitet worden sein. Eine behördliche Kontrolle gab es nicht, obwohl Energoatom in Staatsbesitz ist. NABU hat über 15 Monate ermittelt und dabei insgesamt über 1.000 Stunden Tonmitschnitte aufgezeichnet. 

Höchst erstaunlich ist nun allerdings, dass die Behörde ihre Ermittlungsergebnisse der Öffentlichkeit zugänglich macht. In einem nicht abgeschlossenen Verfahren präsentiert NABU die gesammelten Beweise der Öffentlichkeit. Und nicht nur das. NABU bereitet alles medial in einer Weise auf, fertigt Videos in einer Qualität zu den Ermittlungen an, die von Medienunternehmen sofort übernommen und gesendet werden können. Die Behörde verspricht eine ganze Serie weiterer Veröffentlichungen mit einem sich steigernden Spannungsbogen. Spätestens jetzt sollte klar sein: Wir bekommen eine Inszenierung vorgesetzt.

NABU ist nämlich keineswegs eine unabhängige ukrainische Behörde. NABU wird vom FBI kontrolliert. Mit der Einrichtung der vermeintlich unabhängigen Antikorruptionsbehörden haben sich die USA die Durchgriffsrechte auf ukrainische Politik gesichert. 

So berichteten ukrainische Quellen, in der vergangenen Woche sei ein hochrangiger Vertreter des FBI nach Kiew gekommen, um sich mit den Leitern des Antikorruptionsbüros NABU und der Sonderstaatsanwaltschaft zur Korruptionsbekämpfung SAPO zu treffen. Beide Behörden sind nur formal ukrainisch. Ein ständiger Vertreter des FBI hat ein eigenes Büro im Gebäude, in dem auch NABU ansässig ist. Seine Aufgabe ist die Kontrolle der Ermittlungen. 

Die Gefahr, die von den fürs Ausland arbeitenden Antikorruptionsbehörden für den Kiewer Machtzirkel ausgeht, hatte auch Selenskij erkannt. Erst im Sommer hat er versucht, die Behörden unter seine Kontrolle zu bringen, musste aber nach Protesten seitens der westlichen Geldgeber zurückrudern. Selenskij argumentierte damals, die Behörden seien ein Einfallstor für russische Einmischung. Damals wie heute gelang es, unmittelbar Protest auf die Straße zu bringen. Das System westlicher NGOs zur Kontrolle der Regierung ist noch intakt. 

Was wir also aktuell zu sehen bekommen, ist eine gut orchestrierte Aufführung. Offenbar ist man in den USA zu dem Schluss gekommen, dass Selenskij abgelöst werden soll. Es wurde ausreichend kompromittierendes Material gesammelt, um den Machtzirkel in Kiew vernichten zu können. Der Weg zur Entmachtung führt dabei über die mediale Hinrichtung der Selenskij-Clique. Das ist weder rechtsstaatlich noch seriös, entspricht aber dem Charakter des Hegemons. 

Wer allerdings glaubt, der Sturz Selenskijs führt im Anschluss zum Frieden, wird sich getäuscht sehen. So einfach geht es nicht. Vor allem die Westeuropäer halten am Krieg fest. Während es für die Kumpels um Selenskij um ein paar hundert Millionen Dollar geht, geht es für die EU und die Koalition der Willigen um viel mehr. Vor allem die EU hat alles auf "Sieg" gesetzt. Geht der Krieg verloren, steht für sie die eigene Existenz auf dem Spiel. Brüssel hat daher ein Interesse daran, dass auch nach dem Fall von Selenskij ein neuer Warlord in Kiew an die Macht kommt.

Die eigentliche Schlacht wird daher zwischen Brüssel und Washington ausgetragen. Die Ukrainer haben da übrigens kein Mitspracherecht. Die Demonstrationen von angeblichem Volkswillen, wie sie sich im Jahr 2014 auf dem Maidan gezeigt haben, waren ebenso eine Inszenierung für die westlichen Medienkonsumenten, wie es nun der öffentlich gemachte Korruptionsfall und die damit verbundenen Proteste sind. Wer etwas genauer hinschaut, sieht klar: In beiden Fällen drückt sich die vollständige Verachtung des Kollektiven Westens für die Souveränität der Ukraine aus.

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