Von Alexej Danckwardt
Es hat was von Provinzposse, lässt aber auch tief in den Geisteszustand der deutschen Linken auf Bundesebene blicken. Nicht nur der Linken allerdings, denn auch namhafte Politiker der CDU und anderer Parteien haben sich in der "Kühlschrank-Affäre" zu Wort gemeldet. Die politische Kaste hält gegen den miesmütigen Bürger zusammen, so könnte man das Ganze in einem Satz zusammenfassen.
Seit 2002 ist der gebürtige Lübecker Tim Drygala Jura-Professor in Leipzig. Ostdeutsche sind an der Juristenfakultät dort seit 1990 nahezu chancenlos. Später stieg er gar zum Dekan auf und ging in dieser Eigenschaft als treibende Kraft der Hetzjagd auf einen Kollegen, Professor für internationales Zivilrecht Thomas Rauscher, in die Annalen der Fakultät ein. Rauscher, eigentlich ein weltläufiger und für andere Kulturen offener Geist (ich hörte in den 1990ern Vorlesungen unter anderem zum islamischen Recht bei ihm), war der Meinung, dass die deutsche Kultur wie jede andere auch etwas für die Nachwelt Erhaltenswertes an sich habe, und forderte 2016 und 2017 auf Twitter lautstark ihren Schutz vor der "Vermischung" mit anderen Kulturen. Dekan Drygala, Studentenrat und Antifa witterten Rassismus, und Rauscher erlebte berufliche Repressionen und einen Shitstorm, der sich gewaschen hat.
Damals war Drygala Liebling der Linken, heute sieht es ganz anders aus. Herr Professor ist inzwischen Gründungsmitglied des "Teams Freiheit" von Frauke Petry. Ältere Leser werden sich erinnern: Petry zog 2017 für die sächsische AfD in den Bundestag ein, war so etwas wie der aufsteigende Star der Partei, trat aber kurz darauf überraschend aus ihr aus. Im Denken der zeitgenössischen "Linken" gilt: "Einmal Nazi, immer Nazi, und wer sich in der Straßenbahn danebensetzt, ist auch Nazi." Frühere "Verdienste" spielen dann keine Rolle mehr. Ergo wurde aus dem "Nazi-Jäger" Drygala nun selbst einer.
Ende Oktober postete er auf X, wie Twitter inzwischen heißt, ein Foto seines Kühlschranks. Auf diesem strahlte das Gesicht des Linken-Stars Heidi Reichinnek, groß und in Schwarz-Weiß. Drygalas Text dazu:
"Unsere Kühlschranktür schließt schlecht. Man muss immer mit der Faust dagegenschlagen, damit sie richtig zu ist. Damit ich das nicht vergesse, habe ich mir jetzt einen kleinen Reminder gebastelt. Wirkt 1a."
Dieser Post verbreitete sich schnell, auch weil Petry ihn kommentierte und mehrfach teilte. Reichinnek sah sich dadurch an Leib und Leben bedroht und erstattete Strafanzeige. Begründung: Mit Gewalt gegen Frauen dürfe nicht gescherzt werden.
Nun erreichte der polizeiliche Anhörungsbogen Drygala und er legte, wieder auf X, nach:
"Laut dem bei mir eingetrudelten polizeilichen Anhörungsbogen ist sie ne Geschädigte. Hmm, könnte sogar stimmen."
Das löste auf X und anderswo wiederum eine neue Welle der Empörung aus. Ines Schwerdtner, Bundesvorsitzende der Linken, bemängelte die Wortwahl:
"Das ist ekelhaft und das wissen Sie."
CDU-Politiker Ruprecht Polenz fordert die Uni Leipzig in einem X-Post auf, ein Disziplinarverfahren zu prüfen. Polenz sieht in Drygalas Fall gleich drei Beamtenpflichten verletzt: die politische Mäßigungspflicht, die "Pflicht zu achtungswürdigem Verhalten" und außerdem eine "Rufschädigung der Hochschule und Beeinträchtigung der dienstlichen Integrität".
Drygala erwiderte, nur aus dem amtlichen Schreiben zitiert zu haben und sich über die Formulierung zu wundern:
"Weil ob die wirklich geschädigt wurde oder ob sie sich das als Spitzenpolitikerin als Kritik aus dem Volk gefallen lassen muss, steht noch gar nicht fest. Ist unsere Polizei am Ende parteiisch?"
Am Sonntag deutete Drygala eine angebliche Parallele zur Verfolgung Andersdenkender durch das Nazi-Regime an:
"1934 wurde ein Mann verurteilt, weil er ein Hitlerbild fallen ließ, es nicht aufhob, sondern mit dem Fuß darauf trat. Und heute gibt es Leute, die sich exakt diese Rechtslage zurückwünschen. Und nicht mal merken, in welche Fußstapfen sie da treten. So sad."
Der Rauscher-Fluch: Parallel zur Strafanzeige gab es laut Stern Forderungen gegenüber der Universität Leipzig, ein Disziplinarverfahren gegen Drygala einzuleiten. Nach anfänglicher Zurückhaltung schaltet sich Uni-Rektorin Eva Inés Obergfell nun doch ein. Wie die Leipziger Volkszeitung am Dienstag berichtete, hat sie den Jura-Professor "zu einem Gespräch in der kommenden Woche eingeladen". Bisher hatte die Universitätsleitung versucht, auf Fakultätsebene bei Drygala "das Bewusstsein für Mäßigung, Amtsangemessenheit und Diskriminierungsfreiheit zu stärken". Indessen will man rechtlich bewerten, ob Drygala eventuell Dienstpflichten verletzt oder gegen das Beamtenrecht verstoßen hat.
Ein Ratschlag: Fotos von Politikern Gewalt anzutun, mit Faust oder Buntstiften, ist nicht strafbar (noch nicht) und dient dem Abbau von Aggressionen beim Bürger, für deren Anschwellen Politiker regelmäßig und mit erstaunlicher Beharrlichkeit sorgen. Es darf nur nicht publik werden. "Alles in der Still' und wie es sich schicket", lautet das deutsche Freiheitsmotto.
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