Von Alexej Danckwardt
Ob Andrei Sacharow selbst damit einverstanden wäre, weiß man nicht: In der letzten Phase seines Lebens mutierte der Akademiker unter dem Einfluss seiner Ehefrau Elena Bonner zu einem politischen Aktivisten niederer Güte, der seine weitgehende Unantastbarkeit für Krawallaktionen in Gerichtssälen und auf der Straße nutzte. Als Abgeordneter des Obersten Sowjets Ende der 1980er Jahre glänzte er nur mit krankhaftem Geltungsdrang und hielt sich nie an eine vereinbarte und für jeden anderen geltende Redezeit. Er überzog stets um das Dreifache und stellte damit sogar die Geduld des ihm sichtlich wohlgesonnenen Michail Gorbatschow auf die Probe.
Also ja, möglich, dass Sacharow stolz darauf wäre, wie das EU-Parlament den nach ihm benannten Preis verwaltet. In diesem Jahr verlieh es ihn zwei politischen Krawallmachern aus gleich zwei Ländern, die sich die EU zur nächsten Beute ihrer imperialistischen Expansion auserkoren hat. Laut der offiziellen Darstellung geht der Sacharow-Preis 2025 an "zwei Journalisten, die Missstände in ihren Heimatländern kritisierten, sie sitzen derzeit in Belarus und Georgien im Gefängnis".
Man muss schon genauer hinsehen, um die Manipulation zu entdecken: Ja, ihrem Hauptberuf nach kann man die beiden Preisträger, Msia Amaghlobeli aus dem georgischen Batumi, und den weißrussischen Polen Andrei Potschobut (polnisch Andrzej Poczobut) als Journalisten bezeichnen. Die Erste leitet zwei Internetpublikationen, der Zweite arbeitete für diverse polnische Zeitungen. Nur, dass die beiden nicht des Journalismus wegen im Gefängnis sitzen...
Bei Amaghlobeli kann sich davon sogar jeder mit eigenen Augen überzeugen: Beispielsweise ist in diesem Video ‒ beginnend mit dem Timecode 0:44 ‒ die Tat aufgezeichnet, wegen der die Dame zu zwei Jahren Haft verurteilt wurde. Man sieht in der Aufzeichnung, wie sie sich mit einem Polizisten in Uniform streitet. Der Polizist dreht sich von ihr weg und fängt an wegzugehen. Als er schon zwei Schritte von Amaghlobeli weg getan hat, packt die "politisch Verfolgte" seine Jacke, zerrt ihn zurück zu sich und schlägt ihm mit der flachen Hand auf Gesicht und Nase. Heftig genug, damit der Polizist das Gleichgewicht verliert, nach hinten zu stürzen beginnt, aber von einem hinter ihm stehenden Kollegen noch aufgefangen wird.
In Deutschland wäre dies ein Fall für § 114 StGB:
"Wer einen Amtsträger oder Soldaten der Bundeswehr, der zur Vollstreckung von Gesetzen, Rechtsverordnungen, Urteilen, Gerichtsbeschlüssen oder Verfügungen berufen ist, bei einer Diensthandlung tätlich angreift, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft."
Wie man sieht, ohne Haftstrafe soll es laut dem Willen des Gesetzgebers in der Regel auch in Deutschland nicht enden. Das georgische Strafgesetzbuch sieht für tätliche Angriffe auf Polizisten Haftstrafen von zwei bis fünf Jahren vor, Amaghlobeli hat die Mindeststrafe erhalten. Bewährung gab es nicht, weil sie keine Einsicht zeigte und sich nicht entschuldigte, das wäre auch in Deutschland nicht anders.
Es hat einen gewissen Belustigungsfaktor zu lesen, wie sich all die "Menschenrechtsschützer" winden, um angesichts dieser klaren Sachlage doch noch eine "politische Verfolgung durch das prorussische Regime" zu konstruieren: Die "kleine Hand" von Amaghlobeli habe doch bei einem "Mannsbild" gar keine Schmerzen hervorrufen können, ist unter anderem zu lesen. Was ein deutscher Strafrichter jedem Verteidiger sagen würde, der so plädiert, kann auch der Laie erahnen...
Ein Sonderrecht für Journalisten, das ihnen erlauben würde, Polizisten zu schlagen, kennt im Übrigen weder das deutsche noch das georgische Strafrecht.
Bei Potschobut ist die Straftat nicht auf Video dokumentiert, dafür aber um einiges ernster. Verurteilt wurde er nach Artikel 363-3 des weißrussischen Strafgesetzbuchs sowie wegen Volksverhetzung. Letzteres ist plausibel. Noch bevor Potschobut "Journalist" wurde, war er Aktivist der polnischen Separatistenbewegung im westlichen Teil Weißrusslands. Diese setzt sich für den Wiederanschluss, wenn nicht ganz Weißrusslands, so doch zumindest seiner westlichen zwei Verwaltungsgebiete Brest und Grodno an Polen ein. Da gehört auch Hassstiftung gegen Russen und Weißrussen zum Repertoire.
Artikel 363-3 hingegen ist nochmals eine andere Nummer: In dieser Norm ist unter anderem das Anwerben von Weißrussen für Söldnergruppen in einem anderen Land unter Strafe gestellt. Ausgerechnet eine polnische Zeitung, die Myśl Polska, verrät uns in einer Publikation aus dem Jahr 2022, für welche Söldnergruppe Potschobut geworben hat:
"Das Jahr 2005 ist das Jahr, in dem Polen die ersten Anführer der Partisanenbewegung in Belarus installiert. Spaltung in der ZPB [Bund der Polen in Weißrussland], Andżelika Borys wird zur Oberbefehlshaberin ernannt. Die abtrünnigen Partisanen, getarnt als polnische Minderheit [für die polnischen Aufsichts- und Finanzierungsinstanzen war es dabei am wenigsten wichtig, dass diese Minderheit eine Minderheit innerhalb der Minderheit ist und dass die eigentliche Organisation ZPB ohne jegliche Behinderung seitens der weißrussischen Behörden arbeitet], beginnen ihre langjährige subversive Tätigkeit."
Wenig später taucht auch Potschobut selbst in der polnischen Beichte auf:
"Nur muss man, um ehrlich zu sein, gemäß den Tatsachen sagen: Ja, 2005 hat Polen auf dem Gebiet von Weißrussland eine PARTISANENBEWEGUNG installiert. Diese stand unter dem Kommando von A. Borys in Zusammenarbeit mit den Poczobuts, Romaszewskis und [einigen] polnischen Priestern, in Zusammenarbeit mit den polnischsprachigen Medien in Polen, unter dem Deckmantel einer 'sozialen Organisation', von Warschau aus manuell gesteuert und finanziert, subversive Aktivitäten gegen den weißrussischen Staat."
Potschobut bereitete zusammen mit anderen in Polen also eine Untergrundarmee vor, die zur gegebenen Zeit in Weißrussland einmarschieren und mit Gewalt eine wie auch immer geartete "neue Ordnung" schaffen würde.
In Deutschland würde dies juristisch als Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat (§ 89a Abs. 2a StGB, 6 Monate bis zu 10 Jahre Haft), vielleicht sogar als Hochverrat gegen den Bund (§ 81 StGB, Freiheitsstrafe nicht unter 10 Jahren) und als Bildung einer terroristischen Vereinigung gelten.
Aber in der Doppelmoral der EU-Europäer gilt alles, was in der EU selbst natürlich als Verbrechen gilt, als legitim, wenn es der Expansion der EU in den Osten dient. "Proeuropäer" durften schon auf dem Kiewer Maidan alles: Polizisten mit Ketten schlagen und mit Pflastersteinen und Molotow-Cocktails bewerfen, ihnen die Augen ausstechen, in den entscheidenden Tagen sogar mit Schusswaffen auf sie schießen. Sie durften: das Parlament mitten in seiner Tagung zu stürmen versuchen und auf dem Weg dahin die Parteibüros der ihnen nicht genehmen Mehrheitspartei anzünden und dort IT-Personal töten. Nach ihrem Sieg durften die proeuropäischen Ukrainer friedliche Städte mit Artillerie und Raketen beschießen, Gegner in ein Gewerkschaftshaus treiben und es anzünden, Oppositionsmedien verbieten und ihnen nicht genehme Journalisten töten. Proeuropäern erlauben EU-Europäer schlichtweg: alles. Warum soll es in den nächsten Beuteländern Georgien und Weißrussland anders sein?
All die "renommierten" Preise, das gilt sogar für den Friedensnobelpreis, sind seit langem nichts weiter als ein politisches Instrument des Westens. Neben dümmster Propaganda gegen die Opferländer sind sie der Judaslohn für diejenigen, die ihre Völker und deren Reichtümer Brüssel und internationalen Korporationen auf dem Silbertablett servieren wollen. Dieses Mal ist dem Preis eine Botschaft beigepackt:
"Ihr dürft alle Gesetze brechen!"
Bei Sacharow fing es einst mit der Redezeit an...
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