Von Gert Ewen Ungar
Die EU verbietet den Bezug und Transit von russischem Öl und Gas ab Januar 2028. Um den absehbaren Widerstand gegen das Vorhaben schon im Vorfeld zu brechen, hat die EU-Kommission den Weg über ein Gesetz und nicht über Sanktionen gewählt.
Sanktionen müssen einstimmig vom Rat der Mitgliedsstaaten verabschiedet werden. Für die Verabschiedung eines Gesetzes genügt eine qualifizierte Mehrheit. Damit konnte sichergestellt werden, dass Länder wie Ungarn, die Slowakei oder Tschechien ihr Veto nicht geltend machen können.
Die EU-Energieminister stimmten dem Gesetz mehrheitlich zu. Dass auch das EU-Parlament noch zustimmen wird, steht nicht ernsthaft infrage. Die Europäische Union erfüllt damit einen Wunsch Trumps und steigt früher als geplant aus dem Bezug von russischem Öl und Gas aus. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte Donald Trump bei ihrem Treffen auf einem Golfplatz in Schottland Energiekäufe der EU in den USA für insgesamt 750 Milliarden Dollar in den nächsten drei Jahren zugesagt.
Bisher importierte die EU jährlich Energie im Wert von rund 440 Milliarden Dollar. Energie für 80 Milliarden stammten dabei aus den USA. Diese Menge soll auf 250 Milliarden Dollar pro Jahr erhöht und damit mehr als verdreifacht werden. Damit käme über die Hälfte der von der Europäischen Union importierten Energie zukünftig aus den Vereinigten Staaten. Die EU begibt sich in eine gefährliche Abhängigkeit, indem sie den Bezug von russischen Energieträgern aufgibt. Darüber will in der Europäischen Union und in Deutschland aber niemand sprechen.
Die EU schadet obendrein der eigenen Wirtschaft und senkt die Binnennachfrage, denn natürlich ist der Bezug von Gas und Öl aus den USA um ein Vielfaches teurer und die Energiebilanz schlechter. Gas muss unter Aufwand von Energie verflüssigt werden, um dann in entsprechenden Tankern über den Atlantik transportiert zu werden. Öl und Gas werden über Fracking-Technik in den Vereinigten Staaten gefördert. Die Schäden für die Umwelt sind enorm. Der technische Aufwand ebenso.
Ein Absinken des Ölpreises unter eine bestimmte Marke ist zudem nicht möglich, da sich dann die Fracking-Methode zur Förderung nicht mehr rentiert. Die Marke liegt derzeit bei rund 60 Dollar pro Fass. Durch den Deal mit der EU, die sich unabhängig vom Preis zur Abnahme verpflichtet, gibt Trump den Fracking-Unternehmen in den USA quasi eine Bestandsgarantie. Bravo, Donald Trump! Auf Kosten der Volkswirtschaften der Europäischen Union schützt er in den Vereinigten Staaten einen ganzen Industriezweig.
Für die EU sind die Auswirkungen des Gesetzes ausschließlich negativ. Energie wird dadurch dauerhaft teurer. Die Volkswirtschaften der Europäischen Union haben einen wirtschaftlichen Nachteil. Sie verlieren im internationalen Wettbewerb ebenso, wie sich steigende Energiekosten negativ auf die Binnennachfrage auswirken. Verantwortungsvolle Regierungen haben den Zusammenhang zwischen günstiger Energie und Wohlstand verstanden. Sie streben daher danach, den Energiepreis zu senken. In der EU versteht man diese Beziehung offenbar nicht. Man diversifiziert nicht und schränkt das Angebot künstlich ein. Dadurch erhöht sich der Preis. Der Hass auf Russland hat den ökonomischen Verstand komplett besiegt.
In einer Marktwirtschaft regelt der Preismechanismus so ziemlich alles. Wer zu einem günstigeren Preis liefern kann, hat einen Wettbewerbsvorteil. Wer zu einem günstigeren Preis einkauft, kann den Preisvorteil an seine Kunden weitergeben, was sich in einer höheren Nachfrage niederschlägt. Man kann dieses Prinzip nicht einfach aushebeln. Vor allem kann man es nicht durch Prinzipien der Moral ersetzen. Wer es dennoch versucht, muss scheitern. Die EU führt dieses Scheitern nun vor.
Im Kern der Marktwirtschaft steht zudem das Prinzip des Produktionsfortschritts. Die Produktivität zu erhöhen, führt ebenfalls zu einem Wettbewerbsvorteil. Um die Produktivität zu erhöhen, muss Energie aufgewendet werden. Seit dem Ingangsetzen der kapitalistischen Produktionsweise vor rund 300 Jahren hat die Welt einen ständig wachsenden und keinen sinkenden Energiebedarf.
In einer Welt mit wachsendem Energiebedarf aber einen wichtigen Lieferanten von Energie durch einen Boykott strafen zu wollen, ist eine ausgesprochen dumme Idee. Man schadet damit nicht dem Lieferanten, sondern nur sich selbst. Erstaunlich ist, dass es angesichts des angekündigten wirtschaftspolitischen Suizids der EU medial still bleibt.
Erstaunlich sind zudem die Reaktionen in den sozialen Netzwerken. Viele Nutzer begrüßen das Verbot, offenbar ohne zu verstehen, welche Auswirkungen es auf ihren Lebensstandard und den Zusammenhalt der Gesellschaft haben wird. Man verwechselt in Deutschland Moral und Vernunft. Man möchte Russland schaden, versteht aber den Wirkmechanismus der eingesetzten Mittel nicht.
Russland habe Deutschland den Gashahn zugedreht, behauptet beispielsweise der Nutzer Bernd Loxstedt, in Umkehrung der tatsächlichen Abläufe. Er glaubt, durch Energiekäufe in Russland würde man Russlands Kriegskasse füllen. Das ist ein vielfach vorgebrachtes Argument in Westeuropa, mit dem auch die Sanktionen begründet werden.
Allerdings ist Russland zum Führen des Krieges nicht auf ausländische Devisen angewiesen. Alles, von der Waffenproduktion bis zum Sold der Soldaten, wird in Rubel abgewickelt. Russland kauft keine Waffen im Ausland in Dollar. Auch ist im Verlauf der vergangenen drei Jahre deutlich geworden, dass die Behauptung, über die Sanktionen ließe sich Einfluss auf das Geschehen auf dem Schlachtfeld nehmen, offenkundig falsch ist. Russland kann trotz 18 Sanktionspaketen zu jeder Zeit jeden beliebigen Punkt in der Ukraine angreifen und macht stetig Geländegewinne. Schlüsse aus diesen Fakten will man aber in der EU nicht ziehen. Im Gegenteil, es wird nach mehr wirtschaftlichem Druck auf Putin gerufen. Das ist angesichts des bisherigen Sanktionsverlaufs absurd.
Allerdings ist 2022 insbesondere mit Blick auf die Nord-Stream-Pipelines noch etwas anderes geschehen: In einer gemeinsamen Kraftanstrengung und auf der Grundlage einer gemeinsamen politischen Verabredung hatte ein Firmenkonsortium aus russischen und westeuropäischen Firmen enorme Investitionen auf sich genommen. Gasfelder wurden für den europäischen Markt erschlossen, Pipelines durch die Ostsee wurden gebaut, mit denen das Gas bis nach Deutschland geführt wurde. Kurz vor Fertigstellung von Nord Stream 2 sagte die deutsche Seite mit einer moralischen Begründung ab. Man wolle das Gas wegen "Russlands Angriffskrieg in der Ukraine" nun doch nicht. Die Pipeline geht nicht in Betrieb, wir haben es uns anders überlegt. Die Schlussfolgerung für potenzielle Investoren muss seither sein: Finger weg von Deutschland!
Der Imageschaden, der für Deutschland und die EU durch dieses Verhalten entstanden ist, ist immens. Jeder Großinvestor wird sich vor diesem Hintergrund eine Investition in Deutschland mehrfach überlegen. Unter Umständen ist das investierte Geld einfach weg. Über diesen Zusammenhang wird in Deutschland bisher nicht nachgedacht.
Fakt ist aber, aufgrund steigender Energiepreise, einer schwachen EU-Binnennachfrage sowie der Unzuverlässigkeit der EU-Länder hinsichtlich getroffener Vereinbarungen verliert der Standort EU an Attraktivität. Mit dem Gesetz zum Verbot des Imports und Transits von russischem Gas und Öl hat die EU-Kommission den Abstieg der Europäischen Union noch einmal beschleunigt. Dass Menschen in Deutschland das Gesetz dennoch begrüßen, liegt wohl an mangelndem Verständnis der Zusammenhänge. Eine andere Erklärung habe ich nicht.
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