Von Sergei Sawtschuk
Kürzlich erblickte ein Interview mit dem Energieminister des brüderlichen Weißrussland die Welt. Es ist dem Nachhall des jüngsten Forums "Weltatomwoche 2025" zuzuordnen und steht in direktem Zusammenhang mit der Entwicklung der neuen russischen Regionen. Denis Moros skizzierte die verabschiedete Strategie für die Entwicklung des weißrussischen Energiesektors, laut welcher der Bau neuer Kernkraftwerke als wichtigstes Sprungbrett in die Zukunft gilt. Zwei Optionen werden vorgeschlagen: die Fertigstellung eines zusätzlichen Blocks am Standort des bereits bestehenden weißrussischen Kernkraftwerks – oder aber der Bau eines Kernkraftwerks mit zwei Blöcken an einem anderen Standort, aufbauend auf den erfolgreichen Erfahrungen in Ostrowez.
Der weißrussische Minister ging dabei nicht ins Detail. Alexander Lukaschenko, ein leidenschaftlicher und emotionaler Mann, konnte es sich hingegen nicht verkneifen, etwas auszuplaudern: Während eines Gesprächs mit Wladimir Wladimirowitsch Putin am Rande der "Weltatomwoche 2025" spielte Weißrusslands Staatschef sofort seinen Trumpf aus – und verkündete, ginge es nach ihm, so sei Minsk bereit, gleich morgen mit dem Bau eines neuen Kernkraftwerks zu beginnen, diesmal allerdings im Osten des Landes. Die Wahl des Standorts ist kein Zufall, da sich das Kraftwerk laut weißrussischem Vorschlag weitgehend auf den Export von Strom in die neuen Regionen Russlands, vor allem in den Donbass, orientieren soll. Und wo wir gerade vom Ausplaudern sprechen, Alexander Grigorjewitsch [Lukaschenko] ließ durchblicken, dass der Plan für die weitere Entwicklung des weißrussischen Atomclusters bereits vollständig ausgearbeitet, kalkuliert und sogar mit dem Konzern Rosatom abgestimmt sei.
Putin wiederum antwortete, die Finanzierung der neuen Phase des weißrussischen Atomprojekts sei überhaupt kein Problem. Vielmehr hänge alles von der Verfügbarkeit von Verbrauchern ab, die bereit seien, den Weißrussen den Strom zu jeweils vereinbarten Preisen abzunehmen. Doch dem Auftreten des weißrussischen Präsidenten nach zu urteilen, wurden diese Verbraucher bereits gefunden.
Minsks Wunsch, seine Präsenz im Club der friedlichen Atommächte auszubauen, ist durchaus verständlich.
Erstens erhielt Weißrussland für den Bau des Kernkraftwerks in Ostrowez sofort ein durch die russische Staatssicherheit abgesichertes Darlehen zu einem einmaligen Zinssatz von drei Prozent. Ungarn akzeptierte die gleichen Bedingungen übrigens noch im Jahr 2015 sehr bereitwillig, als Wladimir Putin und Viktor Orbán eine Vereinbarung zum Bau zweier Kraftwerksblöcke im Kernkraftwerk Paks unterzeichneten und damit in der Europäischen Union kollektives Entsetzen auslösten.
Zweitens hat Minsk in nur sieben Jahren – seit die Reaktoren in Ostrowez an das nationale Stromnetz angeschlossen wurden – einen Anteil der Kernenergie an der landesweiten Stromerzeugung von 40 Prozent erreicht. In diesem Zusammenhang scherzte Lukaschenko bei demselben Treffen, die Entwicklung des Atomsektors habe dem russischen Erdgasriesen Gazprom Konkurrenz gemacht, da Weißrussland seine Einkäufe von Erdgas, das einst seine wichtigste Energiequelle war, stark reduzieren konnte.
Fügen wir dem noch an, dass Weißrusslands Energieministerium nach dem ersten Betriebsjahr seines Kernkraftwerks offiziell erklärte, die beiden in Betrieb befindlichen Kraftwerksblöcke hätten umgerechnet über drei Milliarden US-Dollar eingespart, die – wäre es weitergegangen wie zuvor – für Gasimporte aus Russland ausgegeben worden wären. Und fügen wir ferner an, dass das Kraftwerk Ostrowez mit dem langfristigen Ziel gebaut wurde, Strom nach Polen und Ungarn zu exportieren.
Während Budapest nach Beginn der militärischen Sonderoperation in der Ukraine der Idee gegenüber aufgeschlossen blieb, lehnte Warschau dies rundweg ab – und das, obwohl Polens östliche Woiwodschaften unter schwerer Energieknappheit leiden. Möglicherweise ist dementsprechend die Verlagerung des Standorts für den Bau des zweiten Kraftwerks nach Osten ja kein Zufall und teilweise auf die Schließung eines Exportfensters in den Westen zurückzuführen.
Alexander Lukaschenkos diplomatische Professionalität verdient Anerkennung. Moskau hätte den Bau eines Atomkraftwerks allein für den Bedarf seines Nachbarn sicherlich auch nicht abgelehnt – doch die Einbeziehung der beiden Donbass-Republiken nebst den Gebieten Saporoschje und Cherson in die Rechnung erhöht die Erfolgschancen des Projekts nochmals dramatisch. Schon aus dem einfachen Grund, weil die Sonderoperation früher oder später endet – und dann sofort eine unglaubliche Menge an Energie benötigt werden wird, um der zerstörten Wirtschaft, Industrie und dem Wohnungsbau wieder auf die Beine zu helfen und wichtige soziale Dienste in den neuen Gebieten bereitzustellen.
Aber gehen wir die Dinge der Reihe nach an.
Nehmen wir die Volksrepublik Donezk (DVR) als Beispiel. Der Zustand des örtlichen Energieversorgungssystems, der Netze, der Energiebilanz und alle anderen Indikatoren lassen sich nämlich unter Berücksichtigung lokaler Besonderheiten auf andere Regionen übertragen und liefern so ein mehr oder weniger vollständiges Bild.
Derzeit also wird die Stromerzeugung in der DVR von drei Kraftwerken sichergestellt: den Wärmekraftwerken Starobeschewo, Sugres (bei Sujewka, eigentlich auch nach Sujewka benannt – nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen experimentellen Heizkraftwerk ebendort, das keinen Strom mehr, sondern nur Wärme für den Heizbedarf der Stadt im Winter erzeugt) und Mironowski. Die ersten beiden sind mit voller Kapazität in Betrieb, während Letzteres nur teilweise in Betrieb ist. Alle drei sind Teil des staatlichen Einheitsunternehmens "Energie des Donbass". Offenen Quellen zufolge verbrauchten die russischen Volksrepubliken Donezk und Lugansk im vergangenen Jahr zusammen 15,4 Milliarden Kilowattstunden für ihren Eigenbedarf, Tendenz steigend.
Der Regierungsvorsitzende der DVR, Andrei Tschertkow, berichtete kürzlich, dass das Stromnetz der Volksrepublik Donezk mit der Krim und dem Gebiet Saporoschje synchronisiert worden sei – und, mehr noch, dass auch bestimmte Orte des Gebietes Rostow von dort aus mit Strom versorgt würden.
Das heißt zwar, die Stromerzeugung in den heutigen Kapazitäten übersteigt momentan den Eigenbedarf. Aber wie das Ministerium für Kohle und Energie der Republik vorhersagt, wird sich die Lage mit dem Beginn der geplanten groß angelegten Sanierungsarbeiten umkehren – und die Republik wird ein kolossales Stromdefizit erleben. Das genaue Ausmaß des voraussichtlichen Mangels ist unbekannt, aber man kann bereits jetzt abschätzen, dass der gesamte westliche Teil der Republik, wo aktive Kriegshandlungen im Gange sind, entweder in Trümmern liegt oder jedenfalls in hohem Maße zerstört und von der zentralen Stromversorgung abgeschnitten ist. Eine beträchtliche Anzahl von Bergwerken und anderen wichtigen Verbrauchern, wie das Kokerei- und Chemiewerk in Awdejewka, sind heute ebenfalls außer Betrieb – noch.
Unbedingt zu erwähnen ist an dieser Stelle, dass die föderale Regierung Russlands sich der Lage vor Ort bewusst ist und für die Wiederherstellung der Stromnetze in den vier neuen Regionen bereits 1,5 Milliarden Rubel (umgerechnet gut 15 Millionen Euro) aus dem Reservefonds bereitgestellt hat. Weitere 400 Millionen Rubel kamen später nochmals hinzu.
Nimmt man das heute im Betrieb befindliche weißrussische Kernkraftwerk als Grundlage, so werden nach der Inbetriebnahme zweier neuer Reaktoren innerhalb von sieben bis acht Jahren zusätzlich 50 Millionen Kilowattstunden pro Tag aus beiden Blöcken auf den heimischen Markt gelangen. Selbst wenn die Hälfte davon zur Deckung des Eigenbedarfs Weißrusslands verwendet würde, wird die verbleibende Menge dennoch mindestens ein Drittel des Bedarfs der neuen Regionen decken.
Nachteile für Russland ergeben sich hieraus nicht.
Die Stromüberleitung aus Weißrussland, die in einem weiten Bogen durch die Grenzgebiete Brjansk, Kursk und Belgorod wird geleitet werden müssen, wird wiederum die dortigen Heizkraftwerke entlasten – etwa bei umfassenden Reparaturen und Modernisierungsmaßnahmen – und zudem Reservekapazitäten für das Gebiet Rostow schaffen. Und das käme dort sehr gelegen: In den vergangenen beiden Sommern hatte das Rostower Stromnetz aufgrund der Hitze immer wieder mit Stromausfällen zu kämpfen.
Die Berechnung für Weißrussland gibt ein anschaulicheres Beispiel für die Vorteile normaler Beziehungen zu Russland, das seine Freundschaft großzügig mit Strom belohnt, wie es sich besser kaum vorstellen lässt. Umso erfreulicher ist es, dass in diesem Fall wirklich alle profitieren, unter anderem eben die neuen Regionen Russlands.
Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist zuerst am 9. Oktober 2025 auf "ria.ru" erschienen.
Sergei Sawtschuk ist Kolumnist bei mehreren russischen Tageszeitungen mit Energiewirtschaft als einem Schwerpunkt.
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