Cancel Culture: Die geheuchelte Sorge um die Meinungsfreiheit in den USA

Deutsche Medien sorgen sich um die Meinungsfreiheit in den USA. Das wirkt verlogen. Die Meinungsfreiheit ist dem Mainstream gleichgültig, wenn sie für jene eingeschränkt wird, die vom Narrativ abweichen. Deutscher Journalismus hat zudem aktiven Anteil am Rückbau von Grundrechten.

Von Gert Ewen Ungar

Endlich ist es so weit! Der deutsche Mainstream sorgt sich um die Meinungsfreiheit. Allerdings nicht in Deutschland, sondern in den USA. Anlass ist die Absetzung der Late-Night-Show von Jimmy Kimmel durch den US-Sender ABC. Deutsche Medien sehen die USA nun auf der Kippe zur Autokratie. Schuld daran ist, wie soll es anders sein, Donald Trump.

Kimmel hatte sich anlässlich der Ermordung von Charlie Kirk im Ton vergriffen. Ob das ein hinreichender Grund sein kann, um seine Sendung zu canceln, sei dahingestellt. Darum soll es hier nicht gehen. 

Worum es geht, soll ein zweites Beispiel eines Rauswurfs verdeutlichen: Vor etwas mehr als zwei Jahren wurde der US-Journalist Tucker Carlson von seinem Arbeitgeber Fox News ohne Angaben von Gründen gekündigt. Damals beklatschte der deutsche Mainstream den Rauswurf, denn Tucker Carlson vertritt politisch eine konservative Haltung und gilt nicht wie Kimmel als "Trump-Kritiker".

Damit sich auch die Zuschauer und Leser auf der moralisch richtigen Seite positionieren konnten, wurde Carlson als Antisemit, homophob, ausländerfeindlich und misogyn diffamiert. Stellvertretend für zahlreiche andere großen deutschen Medien sei hier die Tagesschau zitiert

"Tucker Carlson, ein Phänomen in der US-Medienlandschaft. Er gilt als ultrakonservativer Hetzer,  Quotengarant und Starmoderator." Im Beitrag zur Entlassung Carlsons heißt es dann weiter, "Fakt ist, dass er sich selbst jahrelang in seiner täglichen Abendsendung antisemitisch, rassistisch und homophob geäußert sowie Verschwörungserzählungen und Falschmeldungen verbreitet hat." 

Weil das einfach Fakt ist, muss man das auch gar nicht weiter belegen. Den behaupteten Fakt mit Zitaten Carlsons zu unterfüttern, wäre auch schwierig. Eine Beweisführung erfolgte, wenn sie denn überhaupt stattfand, unter Verweis auf Hörensagen. Handfeste und vor allem eindeutige Belege für die gemachte Behauptung gibt es schlicht nicht. Die Diffamierungskampagne, mit der damals Tucker Carlson in den deutschen Medien überzogen wurde, wiederholen deutsche Medien von jeder Scham befreit nun gegenüber dem ermordeten Charlie Kirk. Irgendwie sei er an seiner Ermordung selbst schuld, wird suggeriert. Mit so einer Meinung wie Kirk sollte man sich einfach nicht auf die Straße trauen. 

Die Kritik Carlsons am Ablauf der US-Präsidentschaftswahl im Jahr 2020 wurde übrigens sofort mit dem Prädikat "Verschwörungstheorie" versehen. Dass dieser Vorwurf ausgerechnet von Medien wie der Tagesschau erhoben wurde, die an der Geschichte einer russischen Wahleinmischung in den USA im Jahr 2016 auch dann noch festgehalten haben, als "Russiagate" längst als gut orchestrierte und in Szene gesetzte Lüge der demokratischen Partei aufgeflogen war, setzt der Dreistigkeit der Vorwürfe gegenüber Carlson dabei noch die Krone des Absurden auf.

Während in der Angelegenheit wenig an Fakten aufgefahren wurde, lässt sich immerhin ein ganz konkretes Faktum festhalten: Sorgen um die Meinungsfreiheit in den USA machte sich die deutsche Journaille damals nicht.   

Die kognitive Dissonanz ist leicht zu erklären. Damals traf es aus der Sicht der Mainstream-Medien den Richtigen. Nun trifft es mit Kimmel den Falschen. Richtig und falsch ergeben sich dabei an der Ausrichtung an einem sehr einseitigen, sich jeder Differenzierung verweigernden Narrativ. In diesem Fall lautet es: Wer gegen Trump ist, ist ein Guter, wer ihn unterstützt, einer aus dem Kreis der Bösen. 

Die offensichtliche Unterkomplexität der deutschen Berichterstattung speist sich aus der Schlichtheit des Weltbildes, in dem dieses Narrativ wurzelt. Es gibt immer nur zwei Seiten. Schattierungen gibt es nicht. Wer abwägt, ist ein Nazi. Der deutsche Journalismus hat sich von dem Anspruch, Zusammenhänge zu erklären, vollständig befreit. Seine neue Aufgabe ist die Implementierung und Durchsetzung feststehender Narrative. 

Glaubwürdiger werden die deutschen Medien durch diese offensichtliche kognitive Dissonanz und Unausgewogenheit natürlich nicht. Vielmehr zeigt sich an ihrer wenig glaubhaften Sorge um die Meinungsfreiheit in den USA erneut, dass die großen deutschen Medien in ihrer Breite längst vereinnahmt wurden und sich gleichgeschaltet haben. 

Dass die Sorge um die Meinungsfreiheit nicht mehr als ein rhetorisches Tool der deutschen Propaganda ist, zeigt sich aber nicht nur an der unterschiedlichen Haltung zu Tucker Carlson und Jimmy Kimmel. Sie zeigt sich auch ganz konkret daran, dass die großen deutschen Medienkonzerne und die bekannten Talking-Heads wie Dunja Hayali, Anja Reschke und Georg Restle den Rückbau von Presse- und Meinungsfreiheit in Deutschland nicht nur hinnehmen, sondern sogar euphorisch begrüßen.

Sie vertreten implizit die Auffassung, wenn alle zu den großen gesellschaftspolitischen Themen weitgehend die gleiche Auffassung haben, ist Meinungsfreiheit verwirklicht und die Demokratie geschützt. Abweichler müssen daher konsequent identifiziert, nach Möglichkeit um ihre Existenz gebracht und aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden.

Jan Böhmermann hat es bei dieser pervertierten Version demokratischer Prinzipien in einer modernisierten Variante des Blockwarts und des Denunzianten aus Niedertracht zu hoher Professionalität gebracht. Der deutschen Gesellschaft zum Ruhm gereicht das alles natürlich nicht. Es drückt sich darin vielmehr eine grundlegende Unfähigkeit aus, die Freiheit des Anderen auszuhalten. 

Offensichtliches Ziel all dieser Umdeutungen ist die Schaffung einer kontrafaktischen, medial konstruierten Realität, wo Demokratie und alles, was sie ausmacht, nur noch simuliert, aber nicht mehr gelebt wird. Von dieser Diktatur der Narrative werden die Multiplikatoren in den Redaktionen behaupten, es handele sich um die beste und höchste Form der Demokratie.

Für die Umsetzung dieser Aufgabe des gesellschaftlichen Umbaus sind die deutschen Medien mit der deutschen Politik erneut eine ungute Symbiose eingegangen. Meinungs- und Pressefreiheit bleiben dabei nicht einfach auf der Strecke. Ihre Abschaffung ist das Ziel. 

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