OB-Wahl Ludwigshafen: War der Wahlausschluss von Joachim Paul eine ordinäre Intrige?

Manchmal stolpert man über Dinge. Mal abgesehen davon, dass natürlich weiter daran gearbeitet wird, die AfD loszuwerden ‒ der Ausschluss von Joachim Paul von der Bürgermeisterwahl in Ludwigshafen könnte einen einfacheren, aber ebenso unschönen Grund haben.

Von Dagmar Henn

Eigentlich sollte das eine ganz nüchterne Meldung werden. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat den Eilantrag des AfD-Politikers Joachim Paul gegen seine Nichtzulassung zur Bürgermeisterwahl in Ludwigshafen nicht zugelassen. Die Begründung für die Eilbedürftigkeit reiche nicht aus, und er hätte sich in seinem Antrag auch mit der Frage auseinandersetzen müssen, dass es sich eben um eine Bürgermeisterwahl handelt, die mit den Vorschriften des Grundgesetzes zu Wahlen zu Volksvertretungen nicht wirklich erfasst wird (Bürgermeister sind immer auch Leiter der kommunalen Verwaltungen ‒ so, wie auch die kommunalen Vertretungen juristisch Zwitter zwischen Verwaltung und Volksvertretung sind).

Dann hätte ich die Vorgeschichte berichtet, von der Entscheidung des Wahlausschusses über die des Verwaltungsgerichts Neustadt über das Oberverwaltungsgericht Koblenz. Nochmal an die elf Seiten erinnert, in denen der Verfassungsschutz Rheinland-Pfalz unter anderem mit einem Vortrag zur Nibelungensage begründete, warum Paul nicht auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung stünde (oder ‒ wenn man es genau nähme, was der Verfassungsschutz nicht tat ‒ warum Paul es ausreichend tut, um verbeamteter Lehrer zu sein, aber nicht, um als Bürgermeister zu kandidieren). Ja, das ist so schon eine wüste Geschichte, vor allem, weil das Bundestagswahlergebnis der AfD in Ludwigshafen erkennen lässt, dass der abgelehnte Bewerber in die Stichwahl kommen würde.

Aber weil mir irgendwie das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Koblenz durchs Sieb gerutscht war, musste ich natürlich erst einmal einen Blick auf dieses Urteil werfen. Und in diesem Urteil steht nun etwas, was die ganze Geschichte in einen breiteren Zusammenhang setzt. Oder einen ganz konkreten Grund liefert, warum Paul nicht antreten darf.

Der Grund findet sich in folgendem Satz:

"Mit Schreiben vom 14. Juli 2025 'an die betroffenen Kommunen' – dies waren offenbar diejenigen Kommunen, die im Jahr 2025 Wahlen von kommunalen Wahlbeamtinnen und -beamten durchzuführen hatten beziehungsweise haben – erinnerte die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) Rheinland-Pfalz an die Anforderungen bei der Prüfung und Zulassung der eingereichten Wahlvorschläge."

Es gibt im September zwölf Direktwahlen in Rheinland-Pfalz, bei denen kommunale Wahlbeamte bestimmt werden. Zwei davon betreffen Großstädte: in Koblenz und in Ludwigshafen. Es gibt einen wichtigen Unterschied im Ergebnis der Bundestagswahl im Februar zwischen den beiden Städten: In Koblenz lautete die Reihenfolge der Parteien CDU, SPD, AfD ‒ in Ludwigshafen CDU, AfD, SPD.

Im Juli und August gab es keine Wahlen, die Großstädte betrafen. Aber jetzt zum interessanten Punkt. Im Urteil heißt es weiter, nach diesem Schreiben aus der ADD habe sich die amtierende Ludwigshafener Bürgermeisterin Jutta Steinruck an das Innenministerium gewandt und um Auskunft zu Paul gebeten. Diese Abfolge legt nahe, dass ohne das erste Schreiben das Dossier nie erstellt und Pauls Kandidatur womöglich nie abgelehnt worden wäre.

Auf jeden Fall macht so ein Satz neugierig. Darauf, wer nun diese ADD ist. Und wer in ihr entscheidet. Dabei stellt sich heraus: Die ADD ist die kommunale Rechtsaufsicht in Rheinland-Pfalz. Und der Präsident der ADD seit 2016 heißt Thomas Linnertz und ist Mitglied der SPD (seine Stellvertreterin Christiane Luxem ist ebenfalls SPD-Mitglied und stammt wie Linnertz aus Trier).

An diesem Punkt wird die Sache interessant. Linnertz, das SPD-Mitglied, sorgt mit einem dienstlichen Schreiben dafür, dass die Ex-SPD-Politikerin Jutta Steinruck die Voraussetzungen schafft, dass der AfD-Kandidat nicht kandidieren darf, was erst den Weg dafür freimacht, dass dann der Kandidat der drittstärksten Partei mehr oder weniger automatisch in die Stichwahl kommt, der dann, welch ein Zufall, Jens Peter Gotter von der SPD ist.

Wäre ein solches Manöver Linnertz zuzutrauen? Dazu muss man nur noch ein weiteres Detail über diesen Mann wissen: Die ADD war für die Leitung des Krisenstabs bei der Ahrtalflut zuständig. Wäre in Deutschland noch irgendetwas normal, stünde Linnertz ziemlich weit oben auf der Liste jener, die wegen der 135 Todesopfer den Hut hätten nehmen müssen. Vielleicht nur in Gestalt einer vorzeitigen Pensionierung, aber er säße heute nicht mehr auf diesem Stuhl.

Dass er dies tut, deutet entweder darauf hin, dass seine Hausmacht in seiner eigenen Partei ziemlich stark ist, oder dass es sich bei ihm um einen sehr gerissenen Intriganten handelt. Selbst eine Strafanzeige wegen uneidlicher Falschaussage im Untersuchungsausschuss zur Ahrtalflut, die der Chef der CDU-Landtagsfraktion gegen ihn gestellt hatte, prallte von ihm ab.

Auch wenn Steinruck im Sommer 2023 aus der SPD ausgetreten ist ‒ sie und Linnertz dürften sich schon lange kennen. Und ist es zu weit gegriffen, anzunehmen, dass sie leicht zu überzeugen wäre, doch eher einen SPD-Mann in die Stichwahl zu lassen als einen AfD-Vertreter? Steinruck hätte sich jederzeit darauf berufen können, dass Paul als Landesbeamter eigentlich schon längst in Bezug auf seine Verfassungstreue geprüft ist. Sie hat diesen Entscheidungsspielraum nicht genutzt und genau das getan, worauf Linnertz es wahrscheinlich angelegt hatte. Der Leiter des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes, Elmar May, ist übrigens auch in der SPD.

Das Problem mit der juristischen Gegenwehr Pauls war genau die Frage des Eilverfahrens. Denn dabei geht es nicht darum, ob eine Entscheidung einen Schaden anrichtet oder nicht, sondern nur um die Frage, ob er so groß ist, dass die Entscheidung nicht im Wege des normalen Verfahrens gefällt werden kann. Man könne ja, so die Überlegung dahinter, die Wahl immer noch wiederholen, sollte sie als fehlerhaft erkannt werden.

Das Problem dabei wird selbst in dem Bericht erkennbar, den die Tagesschau zu der BVerfG-Entscheidung machte. Dort heißt es nämlich:

"Nach der OB-Wahl am Sonntag kann Joachim Paul nun eine Wahlprüfungsbeschwerde einlegen. Da kann er überprüfen lassen, ob die Entscheidung, ihn von der Wahl auszuschließen, richtig war. Bei der Beschwerde müsste er auch darlegen, dass sein Ausschluss von der Wahl einen Einfluss auf das Ergebnis hatte."

Da wird schon die Falle benannt, die Ausrede, mit der auch eine nachträgliche Überprüfung abgewendet werden könnte: Es ist nämlich nur eine OB-Wahl, und nicht zusätzlich die eines Stadtrats, was bedeutet, Paul wäre bei dieser Wahl der einzige Kandidat der AfD gewesen. Da er nicht antreten darf, können die möglichen Wähler auch nicht für seine Partei stimmen. Womit dann nicht mehr nachweisbar wäre, dass Paul nach allen Regeln der Wahrscheinlichkeit in die Stichwahl gelangt wäre.

Das hätte noch lange nicht bedeutet, dass er die Stichwahl gewonnen hätte ‒ auch bei einem CDU-Gegner würde dann die "Brandmauer" aktiviert, damit die Wähler von SPD, Grünen und Linken brav ihre Stimmen bei der CDU abliefern. Die Argumentation, eine Kandidatur von Paul hätte "unsere" Demokratie gefährdet, wäre nur dann stichhaltig, wenn der CDU-Kandidat Klaus Blettner (ein BWL-Professor, der erst seit einem Jahr Mitglied der CDU ist) so unbeliebt wäre, dass die "Brandmauer"-Mobilisierung unmöglich wäre.

Das ganze Manöver folgt also nur dem Zweck, den SPD-Kandidaten Gotter, der sich ganz amerikanisiert JP Gotter nennt, ins Amt zu hieven. Für diesen Zweck wurde der Kandidat der AfD ohne gerichtliches Verfahren seines passiven Wahlrechts beraubt und die Wähler Ludwigshafens der Möglichkeit, ihn zu wählen. Zugegeben, die SPD ist in Deutschland vermutlich die intriganteste Organisation nach der katholischen Kirche, aber das ist selbst für SPD-Maßstäbe dreist. Mal sehen, wie die Ludwigshafener das quittieren.

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