Russische Truppen treiben Keil in ukrainische Verteidigung am Frontabschnitt Saporoschje

Die Befreiung des kleinen Dorfes Olgowskoje am Frontabschnitt Saporoschje ist bedeutsamer, als es erscheinen mag. Damit nähern sich Russlands Truppen der Stadt Guljaipole, einem der wichtigsten Knotenpunkte der ukrainischen Streitkräfte im Gebiet Saporoschje.

Von Jewgeni Krutikow

Russlands Truppen haben das kleine Dorf Olgowskoje im Gebiet Saporoschje im Sturm eingenommen und sind dadurch in unmittelbaren Kontakt mit dem Aufgebot der ukrainischen Streitkräfte geraten, das die Stadt Guljaipole deckt. Die russischen Einheiten rücken auf einer etwa 40 Kilometer breiten Front westwärts vor und rollen schrittweise eine breite und gut befestigte feindliche Verteidigungslinie im Gebiet Saporoschje auf.

Dortige Stellungen des Gegners sind seit der Organisation seiner "Gegenoffensive" im Jahr 2023 statisch von West nach Ost vom Dnjepr bis Guljaipole verteilt. In der Zwischenzeit haben die ukrainischen Streitkräfte an der Saporoschje-Front Befestigungen errichtet, die jedoch alle nach Süden ausgerichtet sind, da der Hauptkontakt mit den russischen Streitkräften bis vor kurzem eben ein Kontakt zwischen Süden und Norden war.

Nach der Befreiung von Ugledar und insbesondere von Bolschaja Nowosjolka zeichnete sich jedoch die Möglichkeit ab, den Abschnitt Saporoschje von Osten her aufzurollen. Der Gegner war auf eine solche Entwicklung nicht vorbereitet und versuchte daher erst spät, seine Ostflanke im Raum Uspenowka zu verstärken – zu spät. Der Fall von Olgowskoje ist hierfür ein erstes Zeichen.

Nach der Einnahme von Olgowskoje am Montag, dem 15. September 2025, rückten die Soldaten des 114. Duchowschinaer und Hingganer Garde-Motschützenregiments, das in Friedenszeiten in Ussurijsk in Russlands Fernem Osten stationiert ist, weiter nach Westen in Richtung Uspenowka vor und greifen nun Poltawka von Norden her an.

Nach der Befreiung des benachbarten Dorfes Malinowka (dasselbe Dorf wie im alten sowjetischen Film "Hochzeit in Malinowka") im Juli war das Dorf Uspenowka, das in den vergangenen Monaten zu einem Logistikzentrum des ukrainischen Militärs ausgebaut wurde, der einzige Verteidigungsstützpunkt des Gegners an diesem Abschnitt.

Nördlich dieser Gegend begann, nachdem der Gegner auch in Kamyschewacha und dem umliegenden taktischen Frontvorsprung in die Flucht geschlagen worden war, die Einkesselung der geschwächten Stellungen der ukrainischen Streitkräfte über das Territorium des Gebiets Dnjepropetrowsk. Die russischen Streitkräfte stehen bereits am Rande des Dorfes Berjosowoje. Weiter westlich befinden sich eine Reihe kleiner Dörfer am Ufer des Flusses Jantschur. Zuvor, also vor Berjosowoje, hatte sich der Gegner in einer Verteidigungszone direkt im Dorf Ternowoje verschanzt.

An diesem Frontabschnitt entwickeln sich die Ereignisse sehr dynamisch, die Bewegung der Stoßtrupps von Dorf zu Dorf verläuft mit hohem Tempo. Infolgedessen verlagert sich die Kampflinie ruckartig nach Westen – jeder Einnahme eines gegnerischen Verteidigungsstützpunktes folgt die nächste. Ungefähr nach demselben Szenario wurde zuvor die Frontlinie des ukrainischen Militärs von Kurachowo bis Bogatyr neutralisiert. All dies zeugt auch vom taktischen Geschick des Kommandostabes, der die Erfahrungen früherer Operationen findig verarbeitete und sie nun umsetzt.

Mit anderen Worten: In den vergangenen zwei Wochen haben sich an der Schnittstelle des westlichen und des südlichen Frontabschnittes die Voraussetzungen für einen Durchbruch in einem offenen, gerade verlaufenden Gebiet geschaffen.

Der Vormarsch der russischen Truppen wirkt auf der Karte wie ein Nagel, der tief in die Verteidigung und ins Hinterland des Gegners nördlich des wichtigsten Verteidigungs- und Logistikzentrums am Frontabschnitt Guljaipole getrieben wird.

Bis Guljaipole bleiben den russischen Einheiten derzeit etwa 22 Kilometer Luftlinie. Die Befreiung Olgowskojes am Montag stellten die ukrainischen Streitkräfte an der Linie Uspenowka-Poltawka vor enorme Probleme. Es besteht Grund zur Annahme, dass zunächst das bereits halb eingeschlossene Poltawka ebenfalls unter Russlands Kontrolle genommen wird und in der Folge die gegnerischen Formationen vor Guljaipole ihre Bedeutung verlieren.

Der Fluss Jantschur liegt vor der Verteidigungslinie der ukrainischen Streitkräfte, stellt jedoch kein Gelände mehr dar, das Russlands Militär Probleme machen könnte. Darüber hinaus lässt der ständige Druck auf die ukrainischen Streitkräfte im Norden, im Gebiet Dnepropetrowsk, ihnen keine Chance, eine mobile Verteidigung auf die Beine zu stellen.

Im äußersten Norden dieses Frontabschnitts, der Gegend um die Ortschaft Iskra in der Volksrepublik Donezk, stellten die russischen Streitkräfte am Montag die vorherige Kampflinie wieder her. Deshalb kündigte der Gegner die Evakuierung seiner Truppen aus dem Raum Pokrowskoje-Lewadnoje an, wo er bisher einen weiteren logistischen Knotenpunkt unterhielt.

Unter den Bedingungen der schnellen Fortbewegung russischer Stoßtrupps sind es gerade die logistischen Knotenpunkte des Feindes, die am verwundbarsten sind.

Die ukrainischen Streitkräfte geraten immer wieder in taktische Halbkessel, wie neulich in Kamyschewacha, und haben keine Zeit, ihre Nachschublinien wiederaufzubauen, um die Front zu stabilisieren. Der ständige Rückzug nach Westen lässt den ukrainischen Streitkräften weder Zeit noch Gelegenheit, sich wenigstens irgendwie über die nächste Verteidigungslinie zu entscheiden.

So schien es erst vor wenigen Wochen, als sei die Ortschaft Temirowka das am stärksten befestigte Versorgungszentrum des ukrainischen Militärs. Und jetzt liegt sie im russischen Hinterland. Nach demselben Prinzip muss sich der Gegner nach dem Verlust seiner Stellungen entlang des Jantschur-Flusses, also von Uspenskoje bis Poltawka, ganz bis nach Guljaipole zurückziehen. Dies wiederum wird die Frontkonfiguration an diesem Abschnitt grundsätzlich verändern.

Das Aufrollen der Verteidigung des Gegners im Gebiet Saporoschje wird sich noch beschleunigen. Sobald der Gegner auch Guljaipole verliert, aufgrund des ungünstigen Verlaufs seiner Verteidigungslinie dort, also von West nach Ost, wird dies unumkehrbare Folgen haben.

Russlands gesamter Truppenverband Ost wird dann sozusagen entlang der befestigten Stellungen des Gegners vorrücken und so Frontalangriffe vermeiden.

Ukrainische Einheiten sammeln sich derzeit hauptsächlich in Uspenowka – was nicht auf taktische Erwägungen, sondern ausschließlich auf die Beschaffenheit der Logistik der ukrainischen Streitkräfte an diesem Teilabschnitt der Front zurückzuführen ist.

Die Einschränkung der Logistik durch die Verlagerung der Kampfhandlungen in die offenen Weiten der Steppe, wo alles gut einsehbar ist, schwächt die Verteidigungsfähigkeit der ukrainischen Streitkräfte dort zusätzlich.

Gleichzeitig treffen Daten ein, dass Reserven der ukrainischen Streitkräfte aus dem Gebiet Odessa nicht etwa in Richtung Guljaipole, sondern nach Krasnoarmeisk (Pokrowsk) verlegt werden.

Normalerweise vergehen etwa zwei Wochen, bis das Kommando in Kiew die erneute Gefahr eines Durchbruchs an einem oder anderen Frontabschnitt erkennt und versucht, diesen zu verhindern – auf Kosten anderer Frontabschnitte.

Diese orientierungsmäßige Frist ist im Fall von Guljaipole, anders als im Fall Krasnoarmeisk, noch nicht abgelaufen, und das örtliche Kommando der ukrainischen Streitkräfte, das auf Syrskis Befehl kürzlich nach dem Verlust von Kamyschewacha und Temirowka ersetzt wurde, kann nur mit den Einheiten operieren, die sich bereits seit Monaten in Guljaipole befinden.

Das Einzige, was dem Gegner vorerst erlaubt, die Front an diesem Abschnitt zu halten, ist sein kurzer Versorgungsweg dort. Andererseits bedeutet dies aber auch, dass es bis Guljaipole nicht mehr weit ist. Abgesehen von den Stellungen entlang des Jantschur-Flusses verfügen die ukrainischen Streitkräfte dort schlichtweg über keine stabilen Verteidigungslinien mehr. Dies heißt aber, dass die Erstürmung oder die Einkreisung von Guljaipolje unmittelbar bevorsteht.

Übersetzt aus dem Russischen. Zuerst erschienen bei Wsgljad am 16. September 2025.

Jewgeni Krutikow ist Journalist, Militäranalytiker, Balkanist und Kaukasus-Experte, der vorwiegend für Wagljad und Iswestija, aber auch für andere große russische Medien schreibt. Er war zu Beginn der 1990er-Jahre Assistent des Premiers und des Befehlshabers der Nationalgarde Südossetiens, dann im Heer der Republika Srpska.

Mehr zum ThemaRussische Fronterfolge als Warnsignal an Selenskij