Der "westliche Flüchtling" – Humbug der Financial Times oder Fakt?

Wie wichtig oder schädlich Massenmigration aus kulturfremden Ländern in den Westen ist, zeigt die große Fehde im deutschen politischen Spektrum. Die Einwanderung ist indessen nur ein Teil des Tanzes. Wer wandert aber aus dem Westen aus? Ist hier doch nicht alles bestens?

Von Elem Chintsky

Eine der negativen Folgen der Masseneinwanderung könnte eine mittlerweile merklich angestiegene Auswanderungswelle aus westlichen Staaten sein. Es ist nicht gerade das Lieblingsthema der deutschen Massenmedien, die ohnehin in ihrem Zuarbeiten der Bundesregierung sichtlich überlastet und von wachsender Einfallslosigkeit geplagt sind. Sogar die englischsprachige Financial Times hat das Thema direkt angestoßen, und zwar mit einer unzweifelhaften Schlagzeile: "The Rise of the Western Refugee" (zu Deutsch ungefähr: "Das Kommen bzw. der Aufstieg des westlichen Flüchtlings"). 

Das britische Finanzblatt behauptet zudem, dass die vier größten Länder Europas hoher Wahrscheinlichkeit nach bis zum Ende des Jahrzehnts in den Händen der Opposition sein werden. Man mag es kaum fassen, aber zu diesen vier Nationen gehört auch die BRD. Doch viele Unzufriedene, die bis heute auf ein Wunder an der Wahlurne hoffen und durchaus eine Kehrtwende der Politik begrüßen würden (um nicht auswandern zu müssen), sollten sich nicht zu früh freuen. Wahlsiege und Regierungsverantwortungen seitens Rechtskonservativer (zum Beispiel der AfD) im Herzen Europas werden zweifelsohne durch die zahlreichen Anhänger des alten neoliberalen Systems mit Wut und Zorn bekämpft, was in der Folge zu sozialen Unruhen führen dürfte. Das Amerika Trumps, welches bereits im Sumpf politischer Gewalt versinkt, lebt es ja bereits vor.

Die Financial Times erinnert auch daran, dass Bürger reicher, westlicher Länder ihre Heimat durchaus immer wieder seit 1945 verlassen haben. Aber die beiden eher pragmatischen Gründe waren, eine interessante Arbeit oder neue Art der Unterhaltung zu finden. Die heutige Situation ist dahingehend ganz anders, da die Umstände dramatischer und die Gründe nun dringlicher sind und von einer "Optionalität" befreit erscheinen, da es viel zu verlieren gibt. Weshalb die Financial Times bei der Motivation dieser neuen Generation an westlichen Auswanderern auch schon von "Flüchtlingen" spricht, die "weniger den Ehrgeiz als vielmehr den Überlebensinstinkt" als Antrieb haben.

Deswegen handelt sich eben auch nicht um betagte, unter der Armutsgrenze lebende Rentner, abenteuerlustige Obdachlose oder langfristig motivierte Bürgergeld-Empfänger, die der BRD den Rücken kehren, sondern mehrheitlich um wirtschaftliche Leistungsträger der Gesellschaft in der Blüte ihrer produktivsten Schaffensjahre. Es handelt sich um deutsche Bürger, die am stärksten für die Übergriffigkeit des deutschen Staates sensibilisiert sind. Die Steuerabgaben, die mannigfaltigen Staatseinnahmen, Krankenkassenbeiträge, das viele Sondervermögen (genauer gesagt: die Sonderschulden) als Kapital für die weitere Aufrüstung der Ukraine und die eigene Militarisierung – dafür müssen die heimischen Leistungsträger aufkommen wollen, nicht die Wirtschaftsmigranten.

Für die stetig steigende Steuerbelastung durch den Staat und seine steil abstürzenden, öffentlichen Leistungen bekommt der Durchschnittsdeutsche Kriminalitätsraten auf Höchststand. Besonders die Gewaltdelikte wachsen dabei rasant: 15.700 Messerangriffe waren es im Jahr 2024. Das sind 11 Prozent mehr als im Vorjahr. Noch vor wenigen Jahren wurde eine solche Statistik gar nicht von der Polizei geführt.

Die westlichen Flüchtlinge haben sicherlich keine Lust auf Krieg mit Russland. Die Vorfreude auf den kommenden Bürgerkrieg auf deutschen Straßen – zwischen der von der Linkspartei, den Grünen, der SPD und dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk bejubelten NATO-Antifa und der mittelfristig womöglich knapp in Regierungsverantwortung geratenen AfD und ihren Anhängern – hält sich wohl auch in Grenzen. Warum knapp erreichte AfD-Regierungsverantwortung? Knapp deswegen, weil bei den nächsten Bundestagswahlen in der BRD derselbe "letzte Trick der Scheindemokratie" eingesetzt werden wird wie in Ungarn oder Polen.

Bei Ersterem hat das nicht geklappt, da der laut Wikipedia "rechtextremen und antidemokratischen" Fidesz-Partei Orbáns eine Koalition mit der Christlich-Demokratischen Volkspartei reichte, um eine unmissverständliche, dem Brüsseler Diktat trotzende, vom Volk demokratisch legitimierte Regierungsmehrheit zu bilden. In Polen wiederum hat der Trick funktioniert, wo ein grober von Donald Tusk angeführter Parteienbrei aus allen Richtungen (außer der monarchistischen Konfederacja-Partei) das mit Abstand stärkste Einzel-Partei-Wahlergebnis der rechtskonservativen PiS sehr holprig übertrumpfen konnte.

Der westliche Flüchtling hat womöglich keine Lust auf politische Gewalt, wie sie die heutigen USA für die EU als Omen vorleben. Der westliche Flüchtling der Financial Times möchte die bald auf 75 Prozent getakteten Steuersätze und 15 Euro für eine Nicht-Biobutter meiden – geschaffen für "die Klimarettung" und für "die bedingungslose Unterstützung der Ukraine sowie Israels". Banderismus und Genozid zu finanzieren ist eben nicht jedermanns Sache. Zuguterletzt hat die besonders in der EU, Großbritannien und Kanada sich zuspitzende Demontage der Redefreiheit für den westlichen Flüchtling den einstigen Zauber verloren.

Ein konkreter Blick auf Deutschland kann nicht schaden. Im Zeitfenster vom Jahr 2018 bis 2024 haben (bei einer Gesamtbevölkerung von 83,5 Millionen) 1,8 Millionen Deutsche die BRD langfristig verlassen. Zieht man an dieser Stelle den Prozentsatz, wären das 2,2 Prozent in sechs Jahren. Das wäre also noch zu verkraften.

Wenn man es jedoch etwas genauer nimmt, lebten im Jahr 2018 in der BRD knapp 73 Millionen Deutsche – bei weiteren 10,5 Millionen handelt es sich um Nichtdeutsche. Von den 73 Millionen Staatsbürgern waren damals 40,8 Millionen erwerbstätig. In diesen wenigen, überschaubaren Jahren waren die meisten Erwachsenen unter den Auswanderern erwerbstätig. Dann sind es plötzlich fast 4,4 Prozent der Leistungsträger, die aus Deutschland "geflüchtet" sind. Diese Leute bemühen sich, trotz aller vorsätzlich platzierten Hürden der deutschen Bürokratie, nicht nur sich selbst, sondern ihr Eigentum und Kapital aus dem deutschen Steuerraum zu schleusen.

Dagegen wurden im Jahr 2020 122.000 Asylanträge gestellt – wobei sich das zuständige Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) bisher weigerte, die genaue Zahl der Genehmigungen zu publizieren. Zwar wird auch gesagt, dass es weniger Asylanträge gab als im Vorjahr, aber es wird nicht sofort erklärt, dass dies eher mit der Coronakrise und den damit fast nahezu geschlossenen Ländergrenzen zu tun hatte als mit einem "rechtskonservativen Erwachungsmoment" in der letzten Merkel-Regierung.

Aber auch während der Ampel-Koalition und unter der GroKo von Friedrich Merz werden Zehntausende von Menschen unter einem humanitären oder durch Fachkräftemangel bedingten Vorwand aus dem Nahen Osten, Zentralasien oder Nordafrika per Flugzeug eingeflogen, wie eine Kleine Anfrage der AfD-Fraktion im Deutschen Bundestag vor zwei Wochen ergab. Dies sind durchaus die zukünftigen Wähler der SPD, der Grünen, der CDU und der Linkspartei, aber ob sie die Deindustrialisierung Deutschlands umkehren und die wachsende gesellschaftliche Krise abmildern und bewältigen können, bleibt vorerst für die meisten unklar. 

Die Basis, von der man historisch die Steuern in der BRD großzügig einzog, schrumpft. Die demografische Gruppe von Menschen, die bei ihrer Ankunft in Deutschland sofort Sozialleistungen bezieht und zum großen Teil diese langfristig beziehen wird, wächst hingegen stark. Diese Dynamik wird den deutschen Sozialstaat zerreißen. Statistisch ist der Trend bereits zu erkennen: Einzelne Fachkräfte wandern genauso ab, wie industrierelevante Institutionen und Unternehmen. Die USA und Asien – westlich und östlich von Deutschland – und nicht das EU-Ausland, sind die neuen Standorte, welche mit viel besseren Bedingungen wie billigerer Energie, oft politischer Neutralität, einer vernünftigen Steuerlast oder sogar niedrigeren Lebenshaltungskosten locken.

Ein häufiges Gegenargument, um Panik und Kontemplation in den Reihen der Deutschen zu vermeiden, ist, dass ungefähr genauso viele einst ausgewanderte Deutsche in denselben Jahren zurück in die Heimat kehren. Selbst wenn man das für bare Münze nehmen würde, sagen die Daten, dass im Jahr 2024 191.000 deutsche Auswanderer in die BRD zurückkehrten, während 270.000 die Heimat verließen: Das hieße in absoluten Zahlen, dass die BRD 79.000 deutsche Staatsbürger ans Ausland verloren hat. Im Jahr 2023 sollen es 75.893 gewesen sein. Ob es sich bei den Rückkehrern um Leistungsträger handelte, ist in den heute geführten Statistiken schwer nachzuvollziehen. Ebenso schwer zu erfassen ist, nach welchem Zeitraum der Abwesenheit die Rückkehr stattfand. Sicher ist, dass seit 2005 das Wanderungssaldo im negativen Bereich ist und der Trend extrem Richtung weiteren Verlust von Fachkräften und somit Leistungsträgern zeigt. Da wird das Drucken von neuem Geld über die EZB nicht lange kompensieren können.

Wäre die Diskrepanz und der Verlust von produktiven Teilnehmern der deutschen Gesellschaft wirklich eine solche Banalität, würde der deutsche Staat nicht auf so transparente und dreiste Art nach höheren und neueren Steuerabgaben gieren. Es wäre nicht die Rede von einer Rezession in Deutschland, die aber seit dem Jahr 2023 als wirtschaftswissenschaftlicher Fakt kaum mehr in den genderkonformen Systemmedien schöngeredet werden kann. Das Pseudoargument, dass die Russen an allem schuld sind, beginnt, beschwingt an Erklärungskraft zu verlieren.

Die Gründe, Deutschland – und den Westen als Ganzes – zu verlassen, sind heutzutage nicht mehr wegzuretuschieren. Alles Gute dem "westlichen Flüchtling" und herzlich willkommen im letzten Stadium des Informationskriegs!

Elem Chintsky ist ein deutsch-polnischer Journalist, der zu geopolitischen, historischen, finanziellen und kulturellen Themen schreibt. Die fruchtbare Zusammenarbeit mit RT DE besteht seit 2017. Seit Anfang 2020 lebt und arbeitet der freischaffende Autor im russischen Sankt Petersburg. Der ursprünglich als Filmregisseur und Drehbuchautor ausgebildete Chintsky betreibt außerdem einen eigenen Kanal auf Telegram, auf dem man noch mehr von ihm lesen kann.

Mehr zum Thema – Republikflucht 2.0 – Wird die BRD attraktiver oder abstoßender?