Mächte der Revision: Die Neuordnung der Welt aus Sicht der Kalten Krieger (Teil II)

Auch Teil II präsentiert aus der Sicht Kalter Krieger aus den USA die internen Dynamiken der "Achse des Aufbruchs", ihre strategischen Ambitionen und ihre Zusammenarbeit einschließlich ihrer Bemühungen, westliche Einflussmöglichkeiten wie Sanktionen zu unterlaufen.

Von Rainer Rupp

Teil I können Sie hier nachlesen.

Die "Achse des Umbruchs" – bestehend aus China, Russland, Iran und Nordkorea – ist durch eine gemeinsame Ablehnung der westlich dominierten Weltordnung vereint. Alle vier Staaten betrachten die USA als das Haupthindernis für ihre regionalen Ambitionen und streben eine Reduzierung des amerikanischen Einflusses in ihrer jeweiligen Region an. "Alle vier Länder sehen die Vereinigten Staaten als das primäre Hindernis für die Errichtung ihrer Einflusssphären", erklären Andrea Kendall-Taylor und Richard Fontaine in ihrem Essay in Foreign Affairs.

Jedes Land verfolge dabei eigene geopolitische Ziele: China beansprucht "Kerninteressen" wie Taiwan und das Südchinesische Meer, Iran stützt sich auf seine "Achse des Widerstands" mit Proxy-Gruppen in Ländern wie dem Libanon und dem Jemen, Nordkorea reklamiert die gesamte koreanische Halbinsel für sich, und Russland betrachtet seine "nahe Umgebung" – die Länder seines historischen Imperiums – als seinen Einflussbereich. So einfach strukturiert scheint die Welt aus Sicht der beiden Autoren zu sein.

Trotz ihrer gemeinsamen Ziele gebe es auch Spannungen innerhalb der Achse. China und Russland konkurrierten etwa um Einfluss in Zentralasien, während Russland und Iran um Ölmärkte in Asien wetteiferten. Historische Konflikte, wie die sowjetische Invasion Irans 1941 oder die langjährige Rivalität zwischen China und Russland, könnten die Zusammenarbeit erschweren. Dennoch betonen die Autoren: "Ihre Differenzen reichen nicht aus, um die Bindungen zu lösen, die durch ihren gemeinsamen Widerstand gegen die westlich dominierte Welt geschmiedet wurden." Ihr gemeinsames Ziel, die USA und ihre Führungsrolle zu schwächen, fungiert als starkes Bindeglied.

Russland spiele eine zentrale Rolle als Hauptanstifter dieser Achse. "Die Invasion der Ukraine markierte einen Punkt ohne Wiederkehr in Putins langjährigem Kreuzzug gegen den Westen", stellen die Autoren fest. Seit Beginn des Krieges sei Moskau auf die Unterstützung seiner Partner angewiesen, da westliche Sanktionen den Zugang zu Handel, Investitionen und Technologie eingeschränkt hätten. China, Iran und Nordkorea lieferten Munition, Drohnen, Mikrochips und andere Hilfsmittel, die Russlands Kriegsmaschinerie am Laufen halten. Diese Abhängigkeit gebe den Partnern jedoch auch Einfluss: China erhalte fortschrittliche Waffensysteme, Iran verbesserte militärische Fähigkeiten, und Nordkorea strebe nach neuen Technologien für Raketen und U-Boote.

Die wachsende militärische Zusammenarbeit der Achse

Schon vor der russischen Invasion in der Ukraine hatte Moskaus militärische Unterstützung für Peking den militärischen Vorsprung der USA gegenüber China verringert. Seither liefert Russland China noch mehr hochentwickelte Waffensysteme. Zugleich haben die gemeinsamen Militärmanöver beider Länder an Umfang, Häufigkeit und Intensität deutlich zugenommen. Russische Offiziere, die in Syrien und in der ukrainischen Donbass-Region gekämpft haben, teilen wertvolle Erfahrungen mit ihren chinesischen Kollegen. Dies hilft der Volksbefreiungsarmee, ihren Mangel an operativer Erfahrung auszugleichen, die laut den Autoren "eine spürbare Schwäche im Vergleich zu den kampferprobten US-Streitkräften" darstellt.

Zwar habe Chinas militärische Modernisierung dank Russlands Hilfe die Dringlichkeit einer vertieften Verteidigungskooperation mit Russland verringert, doch beide Länder setzten weiterhin auf Technologietransfers sowie die gemeinsame Entwicklung und Produktion neuer Waffensysteme. Im Februar bestätigten russische Vertreter etwa, dass sie mit chinesischen Partnern an militärischen Anwendungen künstlicher Intelligenz arbeiten. Moskau behält laut den Autoren in Schlüsselbereichen wie U-Boot-Technologie, Fernerkundungssatelliten und Flugzeugtriebwerken einen Vorteil gegenüber Peking.

Sollte China Russlands abhängige Position in Bezug auf Wirtschaft und Finanzen nutzen, um Zugang zu weiteren fortschrittlichen russischen Technologien zu erzwingen, dann könnte dies den Vorsprung der USA gegenüber China noch weiter untergraben. Eine ähnliche Dynamik zeige sich in Russlands Beziehungen zu Iran und Nordkorea. Moskau und Teheran hätten eine "beispiellose Verteidigungspartnerschaft" geschmiedet, die Irans militärische Fähigkeiten erheblich stärke. Russland habe Iran mit modernen Kampfflugzeugen, Luftabwehrsystemen, Aufklärungs- und Überwachungstechnologien sowie Cyberfähigkeiten ausgestattet, die Teheran im Falle militärischer Angriffe der USA oder Israels widerstandsfähiger machen würden.

Im Gegenzug für Nordkoreas Lieferung von Munition und anderer militärischer Unterstützung für Russland soll Pjöngjang fortschrittliche Raumfahrt-, Raketen- und U-Boot-Technologien von Moskau gefordert haben. Sollte Russland diesen Forderungen nachkommen, könnte Nordkorea die Präzision und Überlebensfähigkeit seiner nuklearfähigen Interkontinentalraketen verbessern und mit russischer Nuklearantriebstechnologie die Reichweite und Leistungsfähigkeit seiner U-Boote steigern, sorgen sich die beiden Autoren.

Bereits jetzt liefere Russlands Einsatz nordkoreanischer Waffen auf dem Schlachtfeld in der Ukraine den koreanischen Entwicklern in Pjöngjang wertvolle Daten, die zur Weiterentwicklung ihrer Waffen genutzt werden könnten. Zudem dürfte russische Unterstützung Nordkorea geholfen haben, nach zwei fehlgeschlagenen Versuchen im Vorjahr im November 2024 erfolgreich einen militärischen Spionagesatelliten zu starten.

Die strategischen Ambitionen der Achse

Diese zielen laut den Autoren darauf ab, eine alternative Weltordnung zu schaffen. Gemeinsame Marineübungen in der Straße von Oman, die Erhebung Irans zum Vollmitglied der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) und die Einladung Irans zu den BRICS-Staaten sind Beispiele für ihre Bemühungen, institutionelle Gegenstrukturen aufzubauen. Diese Schritte erhöhen die Legitimität der Mitglieder und eröffnen neue Handelsmöglichkeiten, die westliche Sanktionen umgehen.

Ein zentraler Aspekt ihrer Strategie sei die Schwächung westlicher Instrumente wie Sanktionen. "Der Anteil der russischen Importe, die in chinesischen Renminbi abgerechnet werden, ist von 3 Prozent im Jahr 2021 auf 20 Prozent im Jahr 2022 gestiegen", verdeutlichen die Autoren. Iran und Russland haben kürzlich ein Abkommen abgeschlossen, um ihren bilateralen Handel in lokalen Währungen abzuwickeln, wodurch sie sich der Wirksamkeit US-amerikanischer Sanktionen entziehen. Zudem nutzen die Länder ihre geografische Nähe, etwa durch den Transport von Waffen über das Kaspische Meer, um westlicher Überwachung zu umgehen.

Die Kooperation der Achse schwäche auch die Fähigkeit der USA, internationale Koalitionen gegen die destabilisierenden Aktionen der Achse zu mobilisieren. Chinas Weigerung, die russische Invasion der Ukraine zu verurteilen, hat es Ländern in Afrika, Lateinamerika und dem Nahen Osten erleichtert, eine neutrale Haltung einzunehmen. Im Informationsbereich verstärken die Länder ihre Wirkung durch abgestimmte Narrative, etwa durch die Unterstützung von Russlands Behauptung, die NATO habe den Krieg in der Ukraine provoziert. Diese parallelen Botschaften verstärken sich gegenseitig und wirken glaubwürdiger, so die Autoren.

Die Achse strebe keine kohärente alternative Ordnung an, doch die Autoren warnen: "Die Geschichte zeigt, dass ein positives Programm nicht notwendig ist, um Unruhe zu stiften." Ähnlich wie die Achse von Deutschland, Italien und Japan im Zweiten Weltkrieg bedarf es keiner detaillierten Vision, um die bestehende Ordnung zu destabilisieren. Die wachsende Koordination der vier Länder stelle eine ernsthafte Bedrohung dar, die die geopolitische Landschaft nachhaltig verändere.

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