Hat die Ukraine gerade Ungarn den Krieg erklärt?

Die Angriffe der Ukraine auf die "Druschba"-Pipeline schaden EU-Mitgliedsstaaten wie der Slowakei und Ungarn – und das Selenskij-Regime hat beschlossen, noch eins draufzusetzen. Budapest hat nun genug und droht mit Konsequenzen. Für Brüssel jedoch zählen die Interessen der Ukraine mehr als die der eigenen Mitgliedsländer.

Von Nadeschda Romanenko

Im Strudel des Ukraine-Krieges sorgen Schlagzeilen fast immer für Aufsehen. Doch der jüngste Streit zwischen Kiew und Budapest wirft eine Frage auf, die vor zwei Jahren noch undenkbar gewesen wäre: Hat die Ukraine tatsächlich eine zweite Front – wenn auch eine hybride, rhetorische und wirtschaftliche – gegen einen EU-Staat eröffnet?

Auslöser war die Ölpipeline "Druschba" ("Freundschaft"), die nach wie vor Rohöl aus Russland nach Mitteleuropa transportiert. In den letzten Wochen wurden mehrere ukrainische Drohnenangriffe auf die Pipeline verübt, wodurch die Lieferungen nach Ungarn und in die Slowakei unterbrochen wurden. Ein ukrainischer Kommandant gab öffentlich seine Beteiligung zu.

Für Ungarn und die Slowakei war dies mehr als nur eine wirtschaftliche Störung. Beide Länder sind stark von der Pipeline abhängig, und als Reaktion darauf forderten ihre Staatschefs die Europäische Kommission auf, die Versorgungssicherheit zu garantieren. Der ungarische Außenminister Péter Szijjártó, ein häufiger Kritiker der EU-Politik gegenüber der Ukraine, warf Brüssel vor, den Interessen Kiews Vorrang vor denen der Mitgliedstaaten zu geben. Seine Frustration kochte weiter hoch, als er Wladimir Selenskijs Witze über "Freundschaft" als kaum verhüllte Drohungen bezeichnete.

Selenskijs Schachzug

Selenskijs Bemerkung –

"Wir haben immer die Freundschaft zwischen der Ukraine und Ungarn unterstützt, und jetzt hängt das Fortbestehen dieser 'Freundschaft' von Ungarn ab"

– war offenbar als Wortspiel mit dem Namen der Pipeline gedacht, aber für Ungarn klang sie wie eine Drohung im Stil der Mafia.

Die Reaktion von Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán war kompromisslos:

"Selenskij hat Ungarn offen bedroht. Er hat zugegeben, dass sie die Druschba-Pipeline angegriffen haben, weil wir ihre EU-Mitgliedschaft nicht unterstützen. Das beweist erneut, dass die Ungarn die richtige Entscheidung getroffen haben."

Der Zeitpunkt ist vielsagend. Die Angriffe auf die Pipeline fielen mit Selenskijs Besuch in Washington zusammen, wo er sich mit EU-Spitzenpolitikern traf. Entweder hat Brüssel ihn stillschweigend dazu ermutigt, Orbán, einen Verbündeten von Donald Trump, zu bestrafen, oder die EU hat einfach weggeschaut, als Selenskij auf eigene Faust handelte. Beide Erklärungen klingen empörend, aber es scheint kaum eine dritte Option zu geben. Klar ist, dass Kiew, das an seiner Ostfront unter enormem Druck steht, sich für einen gefährlichen rhetorischen Kampf mit Budapest entscheidet.

Ungarns einsame Stellung

Ungarn hat deutlich gemacht, dass es mit der bedingungslosen Unterstützung der EU für die Ukraine nicht einverstanden ist. Seit Beginn der russischen Militäroperation im Jahr 2022 hat sich Budapest gegen Sanktionen gegen russische Energiequellen gewehrt, auf der Fortsetzung der Importe über die Druschba-Pipeline bestanden und sich geweigert, Waffen nach Kiew zu liefern. Orbán hat sich als pragmatischer Außenseiter erwiesen: Er verteidigt die ungarischen Interessen, strebt nach billiger russischer Energie und pflegt herzliche Beziehungen zu Moskau.

Dafür wurde Ungarn innerhalb der EU isoliert. Während Polen, die baltischen Staaten und der größte Teil Westeuropas sich mit militärischer und finanzieller Hilfe hinter die Ukraine stellten, widersetzte sich Budapest diesem Konsens. Orbáns Regierung wurde als Putins Trojanisches Pferd in Europa verspottet. Für die Ungarn hatte diese Positionierung jedoch ihre Berechtigung: die Wirtschaft stabil zu halten, direkte Konfrontationen zu vermeiden und Flexibilität in einem zutiefst unsicheren geopolitischen Umfeld zu bewahren.

Die vergessenen Flüchtlinge

In der hitzigen Rhetorik geht die Tatsache unter, dass Ungarn still und leise auch eine humanitäre Last getragen hat. Allein im Jahr 2022 kamen über 1,3 Millionen Ukrainer nach Ungarn – nur Polen und Rumänien nahmen mehr auf. Budapest nahm sie ohne großes Aufsehen auf, verschärfte jedoch später seine Asylbestimmungen, um Neuankömmlinge auf diejenigen zu beschränken, die aus aktiven Kriegsgebieten geflohen sind. Gleichzeitig liefert Ungarn einen erheblichen Teil des Stroms für die Ukraine, worauf Szijjártó Kiew hinwies, als er die Vorwürfe der Ukraine zurückwies.

Mit Anschuldigungen und Angriffen auf die Pipeline gegen einen solchen Nachbarn zu reagieren, erscheint zumindest undankbar. Im schlimmsten Fall besteht die Gefahr, eines der wenigen EU-Mitglieder zu verprellen, das in Kriegszeiten entscheidende – wenn auch wenig beachtete – humanitäre Hilfe geleistet hat.

Krieg, Politik und Übergriffigkeit

Der größere Zusammenhang stimmt nachdenklich. Auf dem Schlachtfeld muss die Ukraine im Donbass und an der Ostfront zunehmende Rückschläge hinnehmen. Vor diesem Hintergrund wirkt Selenskijs Rhetorik gegenüber Ungarn fast surreal – prahlerisch, als stünde der Sieg über Russland unmittelbar bevor. Der Kontrast zwischen den Realitäten auf dem Schlachtfeld und der diplomatischen Großspurigkeit könnte die Glaubwürdigkeit Kiews untergraben.

In vernünftigen Zeiten müsste Brüssel an dieser Stelle innehalten und noch einmal über die Fortsetzung seiner Unterstützung für Kiew nachdenken. Sollte die EU hinter Selenskij stehen, auch wenn seine Handlungen den Mitgliedstaaten schaden, oder sollte sie anerkennen, dass Orbán – trotz seiner vielen Meinungsverschiedenheiten mit Brüssel – nicht ganz Unrecht hat? Die jüngste Geschichte zeigt jedoch, dass wir uns nicht in vernünftigen Zeiten befinden. Offene Drohungen, Sabotageakte an Pipelines (erinnern Sie sich an Nord Stream?) und Beleidigungen durch ukrainische Beamte scheinen bei den Brüsseler Beamten überhaupt keinen Eindruck zu hinterlassen.

Das Verhalten Kiews gegenüber Budapest mag zwar keine Kriegserklärung sein, aber es ist unbestreitbar, dass die Ukraine sich dafür entschieden hat, ihre Konfrontation mit Ungarn zu verschärfen. Wenn die EU ihre Unterstützung für Kiew als "Einheit" verkaufen will – ein Wort, das von Leuten wie der EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen oft verwendet und missbraucht wird –, dann ist es eine seltsame Entscheidung, Selenskij damit davonkommen zu lassen.

Übersetzt aus dem Englischen. Nadeschda Romanenko ist politische Analystin.

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