Von Gert Ewen Ungar
Die Bundesregierung ist inzwischen 100 Tage im Amt. Mit Ruhm bekleckert hat sie sich bisher nicht. Den großen wirtschaftspolitischen Ankündigungen folgten keine Taten. Es herrscht weiter Stillstand in Deutschland. Die wirtschaftlichen Indikatoren weisen steil nach unten: Das produzierende Gewerbe klagt über hohe Energiepreise und fährt die Produktion zurück. Die Deindustrialisierung Deutschlands ist in vollem Gange. Der Pleitegeier kreist. Die gemeldeten Insolvenzen liegen auf Rekordniveau. Der Wohnungsmangel bleibt akut, es wird kaum noch gebaut, die Obdachlosigkeit steigt rasant. Deutschland ist im freien Fall.
Allerdings bringt das in Berlin niemanden wirklich in Aktion, vor allem nicht die Bundesregierung. Das liegt am Personal, vor allem an einer Personalie. Ziel von Friedrich Merz war es, Bundeskanzler zu werden. Er wollte auf die große Weltbühne, andere Ambitionen hatte er nicht. Er tingelt durchs Ausland, schüttelt Hände, lächelt in Kameras, spricht in vorgehaltene Mikrofone und ordnet deutsche Interessen den Interessen anderer Länder unter.
Deutschland und die deutsche Gesellschaft sind Merz völlig gleichgültig, das macht er mit jedem Tag im Amt deutlich. Seine Kanzlerschaft verdankt er dem Wortbruch. Friedrich Merz hat alle seinen Wählern gegenüber gemachten Wahlkampfversprechen gebrochen. Der Betrug war so umfassend, dass er selbst in den eigenen Reihen den Rückhalt verlor. Bei der Kanzlerwahl fehlten Stimmen aus der Koalition. Merz fiel im ersten Wahlgang durch und wurde so zum Kanzler der zweiten Wahl. Ein bisher einmaliger Vorgang in der Geschichte der Bundesrepublik. Merz bekam noch vor Amtsantritt das Misstrauen ausgesprochen.
Verwunderlich ist das nicht. Der CDU-Politiker ist unsympathisch. Man sieht ihm die Verschlagenheit an. Für die Deutschen empfindet er nichts. Er droht ihnen mit Einschnitten, mit Rückbau des Sozialstaats, längerer Lebensarbeitszeit, Absenkung des Lebensstandards. Er kündigt ganz offen und ehrlich an, dass er für die Mehrheit der in Deutschland lebenden Menschen nichts tun wird. Merz ist gegenüber den Deutschen völlig empathielos. Ihre Lebensverhältnisse, Sorgen und Nöte sind ihm völlig gleichgültig.
Dabei wäre Geld da, um die Wirtschaft zu einem selbsttragenden Aufschwung zu führen und so den Wohlstand in Deutschland zu mehren. Zum Ende der vergangenen Legislaturperiode hat sich Merz mit den Stimmen der Grünen durch eine Grundgesetzänderung einen Freifahrtschein für die Aufnahme neuer Schulden in bisher noch nie dagewesener Höhe geben lassen.
Allerdings stellt sich nun allmählich heraus, dieses Geld war nie für Deutschland bestimmt. Es fließt über Waffenkäufe in die USA und in die Ukraine. Das ist nicht nur empathielos gegenüber den Deutschen, das hat den Geschmack von Verrat.
Die Deutschen verstehen inzwischen, dass diese Bundesregierung gegenüber dem Land und seinen Menschen nichts Gutes im Schilde führt. Die Zustimmungswerte der kleinen großen Koalition sind im Keller. Bei der Sonntagsfrage geht es für die ehemaligen Volksparteien CDU und SPD ganz verdient weiter bergab.
Und dann ist da ja noch die Ukraine. Merz nutzt den Ukraine-Konflikt nicht, um – wie von Deutschland mit dem Zwei-plus-Vier-Vertrag versprochen – einen Beitrag zum Frieden zu leisten. Diplomatie lehnt auch diese Bundesregierung ab, wenn Diplomatie bedeutet, mit jenen zu reden, mit denen man nicht sofort einer Meinung ist. Es gibt weiterhin keinerlei Kontakt zur russischen Regierung.
Friedrich Merz, unterstützt von den Mitgliedern der Bundesregierung, den Grünen und der Partei Die Linke sowie im Verbund mit den deutschen Propaganda-Medien, fantasiert im Gegenteil eine russische Bedrohung herbei. Fällt heute die Ukraine, steht der Russe morgen am Brandenburger Tor, ist die Behauptung.
Ein kurzer Blick in deutsche Medien genügt, um zu erkennen: Der Feindbildaufbau läuft auf Hochtouren. Merz will Deutschland zur größten Militärmacht in Europa machen. In den deutschen Gazetten herrscht eine Stimmung wie 1939. Russland ist Erzfeind und wird als geografisch gewordene Gestalt des reinen Bösen inszeniert. Die Bundesrepublik bereitet einen Krieg gegen Russland vor.
Auch hinsichtlich der Unterstützung der Ukraine ist das Ziel klar. Idealerweise soll die Ukraine über die Atommacht Russland siegen und für Deutschland die "Drecksarbeit" machen, damit ein im letzten Jahrhundert zweimal gescheiterter Plan beim dritten Mal endlich aufgeht: die Unterwerfung Russlands unter deutsches Diktat und der freie Zugang zu den unermesslichen Schätzen des Landes. Dass Merz und die ihn umringenden Minister tatsächlich glauben, sie könnten den Krieg mit der Atommacht Russland gewinnen, macht sie für Deutschland und Europa höchst gefährlich.
Die Ukraine jedenfalls wird von Merz weiter verheizt. Bis zum letzten Ukrainer wird gekämpft. Der Bundeskanzler tut in diesen Tagen alles, um einen möglichen Friedensschluss zu verhindern und den Krieg zu verlängern.
Für die Zukunft Deutschlands verheißt das nichts Gutes. Den Deutschen wird Merz gleich eine doppelte Schuld hinterlassen: einmal einen riesigen Berg an Schulden, der abzutragen ist, obwohl damit kaum ein Wachstumsimpuls in Deutschland erzeugt wurde. Das Geld floss ins Ausland.
Und obendrein noch eine moralische Schuld, weil die Ukrainer eines vermutlich nicht mehr allzu fernen Tages erkennen werden, wer für die Auslöschung einer ganzen Generation an Männern und den Niedergang der Ukraine letztlich die Verantwortung trägt. Merz ist dann allerdings mit großer Wahrscheinlichkeit längst über alle Berge.
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