Von Gert Ewen Ungar
Die Kernkompetenzen von Friedrich Merz sind Blenden und Täuschen. Durch sie kam er ins Amt. Im Amt setzt Merz auch als Kanzler seine besondere Begabung zur Augenwischerei und Irreführung weiterhin effektiv ein. Aktuelles Beispiel dafür ist der Investitionsgipfel, der am Montag stattfand.
Investitionen in Höhe von über 600 Milliarden Euro verspricht der Kanzler. Doch wie sich die Summe konkret zusammensetzt, bleibt vollkommen unklar.
Ja, die großen Unternehmen sind auf den Zug aufgesprungen und haben bei der Merz’schen PR-Show mitgespielt. 61 große Unternehmen wollen in Deutschland investieren, bekennen sich publikumswirksam zu Standortpatriotismus und zaubern die Initiative "Made for Germany" aus dem Hut.
Wie viel und worin genau die Unternehmen investieren wollen, bleibt jedoch schwammig. Wenn es konkreter wird, stellt sich schnell heraus, die vollmundig angekündigten Investitionen sind seit langem geplant. Das gilt beispielsweise für das Unternehmen Flix. Das Unternehmen betreibt unter dem Namen Flixbus ein Fernbus-Netzwerk und expandiert seit 2017 zudem als Flixtrain in Richtung Schiene.
Das Netz soll ausgebaut werden, dafür plant Flixtrain den Kauf von Fernzügen – nicht erst seit gestern. Der Plan ist seit geraumer Zeit bekannt, gestern wurde dem Kanzler lediglich die Möglichkeit gegeben, ihn im Rahmen seiner PR-Show auszuschlachten. Mehr Geld kommt allein durch die Lautstärke der Ankündigung von Bekanntem jedoch nicht zusammen. Blenden und täuschen.
Ihre schwammigen Zusagen knüpften die Unternehmen an Forderungen. PR ist für sie kein Fremdwort und wenn der Kanzler die große PR-Bühne bereitet, dann weiß man das in den Vorstandsetagen natürlich für sich zu nutzen.
Jetzt muss die Politik liefern, ist die Forderung. Es brauche Bürokratieabbau, Politik müsse für ein freundliches Investitionsklima sorgen, Reformstaus müssten aufgelöst, der Standort Deutschland wieder attraktiver gemacht werden. Das übliche Blabla.
An dieser Stelle sei eingeschoben, dass die Bundesregierung zum 1. Juli mit dem "Innovationsbooster" ein Förderprogramm ins Leben gerufen hat, in dem sich einige der Forderungen der Unternehmen bereits wiederfinden. Das Programm setzt auf verbesserte Abschreibungsmöglichkeiten und auf Steuersenkungen.
Dass Merz nur wenige Wochen nach dem Start des Programms noch einen Innovationsgipfel abhält, spricht nicht gerade dafür, dass er an die Wirksamkeit seiner eigenen Maßnahmen glaubt. Im Grunde ist es auch ganz einfach: Ist ein Standort attraktiv, braucht es keinen Gipfel, der ihn zusätzlich bewirbt und euphorisch verklärt.
Worüber aber weder Unternehmen noch Politik sprechen, ist ein ganz einfacher Zusammenhang: Unternehmen investieren dann, wenn sie mit Nachfrage rechnen können. Jemand muss willens sein, das, was produziert wird, zu kaufen. Das ist in Deutschland nicht gegeben und wird sich auch durch die Umsetzung der angemahnten Maßnahmen nicht einstellen. Dass der Staat im großen Stil als Nachfrager einspringt, ist zudem unwahrscheinlich. Merz will sparen. Investieren sollen vor allem die Unternehmen, sagt Merz. Das Projekt ist damit zum Scheitern verurteilt.
Unter Merz sollen zwar in bisher nie dagewesenem Ausmaß Schulden aufgenommen werden. Allerdings fließt das aufgenommene Geld ins Ausland: in den Ankauf von Waffen in den USA und zur Unterstützung der Ukraine. Patriots in den USA kaufen und der Ukraine schenken, ist dafür ein illustrierendes Beispiel. Schuldenaufnahme zum Zweck zur Unterstützung der Wirtschaft und des Konsums anderer Länder, ist mit das Dümmste, was ein Staat tun kann.
Wer zudem glaubt, durch den viel beschworenen Abbau von Bürokratie ließen sich in einem Umfang Investitionen generieren, die eine Volkswirtschaft aus der Rezession führen könnten, hat ganz offenkundig das zugrundeliegende Problem noch gar nicht verstanden. Deutschland hat in erster Linie ein Nachfrageproblem. Wird nicht nachgefragt, wird auch nicht produziert und investiert schon gleich zweimal nicht. So einfach ist das.
Das deutsche Problem hat sich noch einmal dadurch verschärft, dass die USA als wichtigster deutscher Handelspartner außerhalb der EU nicht mehr willens sind, deutsche Waren zulasten der eigenen Handelsbilanz zu importieren. Sie sind nicht mehr bereit, für das Wohl der deutschen Industrie Produktionsstätten im eigenen Land zu schließen. Jedes aus Deutschland importierte Auto ist ein Auto, das nicht in den USA produziert wurde, dort nichts für den Arbeitsmarkt getan und dort nichts zum Wachstum beigetragen hat – Trump hat mit seiner Kritik durchaus recht. Sie ist zudem nicht neu. Das Verhältnis nun aber einfach umzukehren und in den USA auf Einkaufstour zu gehen, mag zwar Trump glücklich machen und ihn besänftigen, löst aber keins der deutschen Probleme.
Dass die EU gleichzeitig noch den Konflikt mit China sucht, schwebt zusätzlich wie ein Damoklesschwert über dem Wirtschaftsstandort Deutschland. Zu aller schon offen zutage getretenen Widersprüchlichkeit kommt hinzu, dass Merz klar erkennbar zum Modell "Exportweltmeister" zurückkehren will. Inlandsnachfrage drücken, Löhne runter, Export rauf.
Das muss unter den aktuellen Bedingungen scheitern. Dafür fehlen inzwischen alle Voraussetzungen, allen voran günstige Energie. Es fehlt obendrein der Wille der deutschen Handelspartner, die deutsche Beggar-thy-neighbour-Politik noch einmal mitzutragen.
Was Merz bisher geschafft hat, ist, dass sich die Stimmung in der Wirtschaft aufhellt. Von düster wandelte sich das Stimmungsbild in Richtung trüb. Man sollte die euphorischen Meldungen in den Wirtschaftsgazetten nicht überbewerten. Dass Merz und seiner Regierung mehr gelingt als eine kurzzeitige Aufhellung der Stimmung, ist unwahrscheinlich, denn Merz will vom eingeschlagenen wirtschaftspolitischen Pfad der letzten Jahre nicht abweichen.
Dieser aber dämpft die Inlandsnachfrage. Ohne Aussicht auf steigende Nachfrage lohnt es sich jedoch für Unternehmen nicht, zu investieren. Da hilft auch alle PR und alle Augenwischerei nichts.
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