Erst Schulden, jetzt Steuern - Die EU auf dem Weg zur Autokratie

Nachdem die EU-Kommission Schulden aufgenommen hat, braucht sie jetzt auch Einnahmen, um sie zu bezahlen. Sie denkt dabei an eine EU-Unternehmenssteuer. Beides ist ihr eigentlich untersagt. Die Tendenz ist klar: Die EU vertieft ihre quasistaatliche Struktur und wandelt sich in eine Autokratie.

Von Gert Ewen Ungar

Als die EU-Kommission im Rahmen der Corona-Krise zum ersten Mal Bonds ausgab, das heißt, sich an den Finanzmärkten im Namen aller EU-Länder verschuldete, gelobte sie, das sei eine Ausnahme. Im Rahmen des Corona-Wiederaufbaufonds NextGenerationEU hat die EU-Kommission insgesamt 650 Milliarden Euro an den Finanzmärkten aufgenommen. Die Rückzahlung belastet den EU-Haushalt ab 2028 mit jährlich zwischen 25 und 30 Milliarden Euro. Die EU-Länder haben faktisch kein Mitspracherecht bei der Verteilung. 

Dass die Verteilung der Mittel an die EU-Staaten von der EU-Kommission als politisches Druckmittel eingesetzt wird, um die Parlamente und Regierungen auf Linie zu zwingen, hat sie mehrfach unter Beweis gestellt. So hat die EU-Kommission beispielsweise 5,8 Milliarden Euro für Ungarn aus dem Corona-Wiederaufbaufonds eingefroren. Die Begründung lautete, Ungarn habe rechtsstaatliche Defizite, die durch eine Justizreform nur unzureichend behoben worden sei.

Was ein Fonds zur Abfederung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise mit der Frage zu tun hat, ob eine Justizreform angemahnte Defizite vollständig oder nur in Teilen behebt, bleibt unklar. Klar dagegen ist jedoch, dass die EU-Kommission ihre finanzielle Macht instrumentalisiert und politisch einsetzt. Was aufgrund der Notsituation zur Zeit von Corona eine Ausnahme sein sollte, wurde allerdings schnell zur Regel. Auch für die Unterstützung der Ukraine verschuldet sich die EU-Kommission.

Wer Schulden macht, muss sie auch zurückzahlen. So entstand wohl die Idee, man könne eigene EU-Steuern erheben. Für den kommenden Finanzrahmen für den Zeitraum 2028 bis 2034 schlägt die Europäische Union daher unter anderem die Besteuerung von Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als 50 Mio. Euro vor. Zudem will sie chinesische Versandplattformen zur Kasse bitten, die Waren in die EU versenden. Beim Zoll soll eine Gebühr fällig werden. Diese Gebühr zahlt natürlich nicht die chinesische Versandplattform, sondern der Verbraucher, denn die Versender werden die Gebühr an den Empfänger durchreichen.

Brisant dabei ist, dass laut den EU-Verträgen der EU-Kommission sowohl die Aufnahme von Schulden als auch die Steuererhebung untersagt ist. Dafür gibt es einen guten Grund. Denn auch wenn sich die Länder zur immer weitergehenden EU-Integration bekennen – einen technokratischen EU-Staat gründen wollten sie dennoch nicht, weil es diesem EU-Staat an demokratischer Legitimation mangeln und er zudem die Souveränität der EU-Mitgliedsländer untergraben würde. Genau in diese Richtung bewegt sich nun die EU-Kommission. 

Schuldenaufnahme und Steuererhebung deuten ganz klar in Richtung der Vertiefung der Staatlichkeit der EU. Gesetze erlässt sie bereits. Die Verordnung der EU sind von den Mitgliedsländern umzusetzen. Die Richtersprüche des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) sind bindend und brechen die Urteile nationaler Gerichte und die Landesgesetze. Zwar sind die Bereiche, in denen der EuGH Recht sprechen darf, in den Verträgen eng begrenzt. In der Praxis weitet der EuGH seine Zuständigkeit aber ebenso aus wie die EU-Kommission. Die EU-Institutionen praktizieren eine schleichende Machtergreifung. 

Zwar ist zu erwarten, dass der Europäische Rat den Vorschlag einer eigenen Besteuerung zurückweisen wird. Aber das Thema ist gesetzt. Zur Erweiterung ihrer Befugnisse geht die EU-Kommission nach unterschiedlichen Strategien vor. Die eine ist die Aushöhlung bestehender Regeln durch ihre sukzessive Überschreitung. Oder sie nutzt wie zu Beginn der Corona-Krise eine Notsituation zur plötzlichen Ausweitung ihrer Macht durch Schaffung eines Präzedenzfalls. Die dritte Variante ist die wiederholte Setzung des Themas, wie das beim Thema EU-Steuer der Fall ist. Es ist nicht das erste Mal, dass die EU-Kommission nach eigenen Einnahmen in Form von Steuern strebt. Irgendwann klappt's.

Was mit jedem Machtzuwachs der Kommission jedoch symmetrisch zurückgebaut wird, ist die Macht der gewählten Parlamente und damit die Souveränität der EU-Länder. Mit anderen Worten: Die von der Kommission viel beschworene Demokratie bleibt auf der Strecke. Die EU formiert sich nach und nach als Staat – allerdings als Autokratie mit einem technokratischen Beamtentum im Zentrum und einer autokratisch herrschenden Kommissionspräsidentin, die willkürlich gibt und nimmt. Die Zukunft der EU-Bürger ist alles andere als rosig, und teuer wird sie obendrein.

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