von Hans-Ueli Läppli
Präsident Donald Trumps Hinwendung zur Kryptowelt ist mehr als nur ein politisches Signal an technikaffine Wähler. Es ist der Versuch, mit einem unorthodoxen Instrumentarium eine strukturelle Herausforderung zu adressieren: die über 37 Billionen Dollar schwere Staatsschuld der Vereinigten Staaten. Beobachter sprechen inzwischen von einer grundlegend neuen Fiskalstrategie – einer Mischung aus digitalem Finanzkapitalismus, geopolitischem Kalkül und persönlichem Opportunismus.
Im Zentrum dieser Entwicklung steht die Vorstellung, dass die USA Teile ihrer Schulden durch den gezielten Einsatz von Stablecoin und Bitcoin mittelfristig stabilisieren oder gar abbauen könnten. Trumps Regierung verweist dabei auf Innovationspotenziale, während Kritiker massive Interessenkonflikte und systemische Risiken befürchten.
Den Anfang machte die Einführung des USD1-Stablecoins durch World Liberty Financial – ein Unternehmen mit offenkundigen Verbindungen zur Trump Organization. Kurz nachdem die Börsenaufsicht SEC Anfang des Jahres erstmals klare Regeln für staatlich regulierte Stablecoins festgelegt hat, wurde USD1 auf den Markt gebracht. Die erste Finanzierungsrunde brachte mehr als 550 Millionen Dollar ein, gespeist aus Golfstaaten und US-Kryptofonds. Donald Trump Jr. und Eric Trump sollen laut Medienberichten aktiv in das Projekt involviert sein; Sohn Barron gilt in Krypto-Kreisen gar als zukünftiger "digitaler Stratege" im Familienimperium.
Während Demokraten den Vorwurf erheben, hier werde staatliche Macht zur privaten Bereicherung instrumentalisiert, verteidigt Trump das Vorgehen als pragmatisch: Wenn private Stablecoins helfen könnten, den Markt für US-Staatsanleihen zu stabilisieren, sei das nicht nur zulässig, sondern auch im nationalen Interesse.
Einen gesetzlichen Rahmen hat Trump bereits geschaffen. Mit dem sogenannten GENIUS Act (Government-Enabled Network for Issuing U.S. Stablecoins) dürfen ausgewählte Stablecoin-Emittenten künftig kurzfristige US-Staatsanleihen als Reserve halten – eine Maßnahme, die die Nachfrage nach Treasuries erhöhen und damit die Zinskosten senken soll. Laut einer Studie der Brookings Institution könnten die Emissionen öffentlicher Schulden dadurch um bis zu 20 Prozent gesenkt werden.
Ziel ist es, bis 2030 ein Volumen von bis zu fünf Billionen Dollar an Staatsschulden in die Bilanzen regulierter Krypto-Emittenten zu verlagern – ein potenzieller Schutz vor Kapitalabflüssen aus dem Ausland.
Parallel dazu verfolgt das Weiße Haus einen weiteren Baustein der digitalen Strategie: den Aufbau einer staatlichen Bitcoin-Reserve. Die Idee: Mit Haushaltsüberschüssen, Auslandskapital und möglicherweise auch durch Steuererleichterungen für in Bitcoin gezahlte Kapitalerträge soll ein Krypto-Sicherheitsfonds entstehen – ähnlich den Goldreserven der Federal Reserve.
Sollte der Bitcoin-Kurs auf 500.000 Dollar steigen, wie es Berater in Regierungskreisen prognostizieren, könnte der Staat allein durch Kursgewinne mehrere Billionen Dollar generieren – genug, um zumindest die Zinslast der Schulden substanziell zu senken.
Die Risiken dieser Strategie sind jedoch erheblich. Ein Einbruch des Bitcoin-Kurses oder das "De-Pegging" eines großen Stablecoins vom US-Dollar könnte massive Turbulenzen im globalen Finanzsystem auslösen. Die Federal Reserve, deren Bilanz bereits durch frühere QE-Programme stark belastet ist, hätte im Krisenfall nur begrenzten Handlungsspielraum.
International regt sich Skepsis. China, nach wie vor einer der größten Gläubiger der Vereinigten Staaten, lehnt Krypto-basierte Rückzahlungen bislang kategorisch ab. Die Europäische Zentralbank betrachtet die US-Initiative als Währungsdumping und sieht die Souveränität des digitalen Euros gefährdet.
Innenpolitisch trifft Trumps Krypto-Offensive einen Nerv – insbesondere bei jungen männlichen Wählern, die das traditionelle Finanzsystem als veraltet und ausgrenzend empfinden. Auf Plattformen wie X verbreitet Trump markige Slogans: "Crypto will SAVE the Dollar" oder "No more Chinese debt slavery". In Umfragen unter technikaffinen Wählern verzeichnet der Präsident wachsenden Zuspruch.
Zugleich formiert sich Widerstand. Die Demokraten bringen derzeit den CRYPTO Act (Congressional Restraint on Presidential Token Ownership) ins Parlament ein, der es Präsidenten und ihren direkten Angehörigen untersagen würde, an Krypto-Projekten zu verdienen, deren rechtlicher Rahmen durch die Exekutive mitgestaltet wird.
Noch ist offen, ob Trumps digitaler Schuldenkurs ein visionäres Reformprojekt oder ein riskanter Irrweg ist. Was sich jedoch schon jetzt sagen lässt: Kryptowährungen sind nicht länger ein Randthema der Geldpolitik. Mit einem Präsidenten im Weißen Haus, der persönliche, politische und strategische Interessen in einem digitalen Finanznarrativ bündelt, steht die US-Finanzarchitektur vor einer tektonischen Verschiebung.
Ob daraus ein Weg in die fiskalische Stabilität oder ein Einfallstor für neue Krisen wird, bleibt die zentrale Frage der kommenden Jahre.
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