Baerbock: Taschenspielertricks zum Abschied

Wirklich, für ein Menschenleben hat sie genug Zerstörung angerichtet. Sie war die fleischgewordene grüne Heuchelei, eine permanente Qual für Ohr und Geist, ein als höhere Tochter getarnter Schredder auf Beinen der deutschen Außenpolitik. Und nahm heute ihren Abschied.

Von Dagmar Henn

Immerhin, eine erfreuliche Tatsache bleibt zu vermelden: das war die letzte Rede von Annalena Baerbock im Bundestag. Zumindest vorerst, und man kann hoffen, dass es dabei bleibt. Auch wenn sie die Gelegenheit nicht ungenutzt verstreichen ließ, ihre Beherrschung der deutschen Sprache erneut mit Sätzen wie "Auch das wurde erfolgt" zu unterstreichen.

Und sonst? Die Presse zieht Sätze heraus, die markig wirken sollen. Wie, die AfD betreibe ein "Projekt der Einschüchterung der Zivilgesellschaft" und sei "eine echte Gefahr für Deutschland". Allerdings -das ist eben so viel Taschenspielerei wie die Rede Baerbocks selbst, weil umgangen wird, um welches Problem es dabei ging.

Der Tagesordnungspunkt, zu dem Baerbock auftrat, lautete "Finanzierung von Nichtregierungsorganisationen", und Auslöser war ein Gesetzentwurf der AfD, der aus dem Antrag bestand, genau zwei Sätze in die Bundeshaushaltsordnung einzufügen:

"Zuwendungen an Vorfeldorganisationen von politischen Parteien sind untersagt. Es wird vermutet, dass eine Organisation, die im politischen Meinungskampf für oder gegen eine politische Partei auftritt oder wesentliche Forderungen einer politischen Partei zur eigenen Zielsetzung macht, Vorfeldorganisation einer Partei ist."

Das ist vielleicht nicht optimal formuliert, aber es zielt auf ein Problem, das in den letzten Jahren immer deutlicher wurde: dass viele der Organisationen, die unter "Nichtregierungsorganisation" firmieren, gar keine Mitgliederorganisationen sind, sondern Lobbyvereine oder Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen für Parteipersonal, die mit privaten Großspenden und zunehmend mit öffentlichen Mitteln aufrechterhalten werden. Musterbeispiel für die Gefährlichkeit dieser Struktur war die Kampagne gegen die AfD vom Anfang 2024, als gleich mehrere dieser NGOs (u.a. Correctiv und Campact) koordiniert einen falschen Eindruck erweckten, um Hunderttausende gegen eine vermeintliche "Gefahr von Rechts" auf die Straße zu locken und für ein AfD-Verbot zu werben.

Unabhängig von der Sicht auf die AfD ist das ein demokratisch bedenklicher Zustand, weil in einem geschlossenen Kreislauf aus besagten NGOs und den Leitmedien eine fiktive Wirklichkeit erzeugt wird, die sich schon alleine dank der stärkeren finanziellen Basis gegen originäre politische Bestrebungen von Organisationen, die von Mitgliedsbeiträgen abhängen, durchsetzen kann. Was den ohnehin massiven politischen Nachteil für Interessen und Initiativen "von unten" noch weiter verstärkt.

Nun ist dieser Sektor der im Antrag gemeinten NGOs ganz klar grün dominiert; er verkörpert gewissermaßen die Beute, die diese Partei aus ihrer Regierungsbeteiligung ziehen konnte, und damit ist klar, dass Baerbock mit ihrer Rede einen Auftrag hatte: diese Beute mit allen Mitteln zu verteidigen.

Was sie mit einem Taschenspielertrick tat. Und kaschierte ihn mit einer Bemerkung, die bei jedem, der sie in den letzten Jahren in Aktion gesehen hat, Alarm auslösen müsste:

"In Ihrem Gesetzesantrag geht es aber um etwas anderes. Genaues Lesen hilft. Und ehrlich gesagt habe ich das immer am liebsten gemacht in all den zwölf Jahren."

Baerbock und Lesen? Vielleicht, wenn es sich um Arbeitserzeugnisse von Robert Habeck aus seiner Zeit als Kinderbuchautor handelt; ansonsten dürfte sie doch eher in die Kategorie jener fallen, die lesen lassen. Und die Vermutung ist mehr als angebracht, dass auch der Trick selbst nicht auf ihrem eigenen Mist gewachsen ist.

Der erste Schritt: sie löst den Begriff der "Forderungen einer politischen Partei" in allgemeine Soße auf, Sorte "europäische Werte":

"Wenn Sie jetzt aber mal schauen, was die wesentlichen Ziele aller demokratischen Parteien sind, unabhängig davon, dass wir uns über Tausende von Fragen hier immer wie die Kesselflicker streiten, dann sind das der Schutz der Demokratie, die Würde des Menschen, die Rechtsstaatlichkeit, die Freiheit, der Frieden, weil wir Verfassungspatrioten sind."

Also, sie übergeht den Punkt des "für oder gegen eine politische Partei" Auftretens ganz und macht aus "wesentliche Forderungen" etwas völlig Vages. Dem sie dann hinterherschickt: "Das unterscheidet alle demokratischen Parteien von der AfD."

Taschenspielertrick zwei: sie vermischt die Förderung von Zivilgesellschaft mit dem Auftrag politischer Parteien.

"Und genau weil wir Verfassungspatrioten sind, fördern wir auch Zivilgesellschaft alle demokratischen Parteien, egal ob Regierung oder Opposition, weil wir das Grundgesetz ernst nehmen, sei in Artikel 21, in dem Parteien aufgefordert werden, zur demokratischen Willen- und Meinungsbildung beizutragen."

Es sind die Parteien, die dazu aufgefordert sind; aber natürlich ist es unpraktisch, dass die finanziellen Regeln für Parteien eng sind, weil der Vorteil, den jene haben können, die finanzkräftige Großspender haben oder sich Beute aus dem Staatshaushalt verschaffen können, vom Gesetzgeber einst absichtlich eingeschränkt wurde. Ja, man kann von einer Annalena Baerbock nicht erwarten, das elementare Verhältnis zwischen Demokratie und Gleichheit zu verstehen, selbst wenn es in diesem Fall nur um eine ansatzweise Angleichung der Durchsetzungsmöglichkeiten geht.

Taschenspielertrick drei: sie nennt reihenweise Organisationen, die nicht oder bestensfalls partiell mit diesem Antrag gemeint sind, was jedem klar ist, der die Debatte kennt.

"Es geht bei dieser Frage öffentliche Finanzierung nicht nur um Projekte des Lesben- und Schwulenverbandes, psychosoziale Zentren für Geflüchtete, Unterstützung von Frauen und Kindern, bei häuslicher Gewalt oder die AWO, wie ich gelernt habe, gegen die Sie offensichtlich was haben. Es geht natürlich auch um die Caritas. Die Diakonie. Betroffen wären auch das Jüdische Museum, der Volksbund Deutscher Kriegsgräber."

Nein, geht es nicht. Es geht um jene Organisationen, die sich selbst vor allem mit der Durchsetzung einer klar identifizierbaren politischen Linie befassen. Um Correctiv und Campact und all die unzähligen Zensurfilialen, das Denunziationsnetzwerk zu "Hass und Hetze", aber auch um solche wie die Deutsche Umwelthilfe, die politische Ziele per Gerichtsverfahren durchsetzen, die in der offenen politischen Auseinandersetzung nicht durchsetzbar wären. Ja, auch um Pro Asyl und die Migrationslobby, die sich nach Kräften bemüht, eine von der Bevölkerung mehrheitlich gewünschte Änderung der Migrationspolitik zu verhindern.

Gut ausgewählt, die Liste. Um den Eindruck größtmöglicher Unschuld zu erzeugen. Allerdings sind viele der von ihr angeführten Organisationen klassische Mitgliedsorganisationen. Dann kommt der ganz große Sprung:

"Dieses Gesetz der AfD, die AfD, ist nicht nur eine Gefahr für dieses Parlament, sondern auch, dass Deutschland jemals wieder Fußballweltmeister wird. Und daher ist dieser Antrag im jeglichen Sinne abzulehnen, weil wir dieses Land lieben und weil wir Fußball lieben."

An der Stelle entsteht dann doch der Verdacht, Baerbock selbst habe an dieser Rede zumindest mitgeschrieben. Das ist so dumm, denkt man sich, darüber müssen auch die Mainstream-Kollegen stolpern. Denn es ist nirgends in diesen zwei Sätzen des AfD-Antrags die Rede von Breitensportförderung. Aber vielleicht hat Baerbock ja gemeint, dass nur eine beliebig zusammengekaufte und eingebürgerte Mannschaft für ein Deutschland, dessen Breitensportförderung ohnehin schon kahlrasiert ist, noch eine Chance zur Weltmeisterschaft bietet?

Die Baerbocksche Sicht auf die Welt ist und bleibt befremdlich. Wenn ausgerechnet die Frau, die erklärte, "wir befinden uns im Krieg mit Russland", auf einmal den Frieden zum Wert erklärt, obwohl sie all die Jahre hindurch gegen nichts konsequenter gearbeitet hat als den Frieden. Oder wenn sie sagt, " dass wir uns als Politiker aller demokratischen Parteien Selbstkritik auch aus der Gesellschaft heraus immer wieder stellen", und damit zu erkennen gibt, dass sie nie begriffen hat, was das Wort Selbstkritik bedeutet. Und jeder weiß, was sie von Kritik aus der Gesellschaft wirklich hält. Da gibt es immerhin das berühmte Zitat mit "egal, was meine Wähler denken". Schön ist auch die Behauptung, "selbstkritische Aufarbeitung ernst nehmen"... vor dem Hintergrund der grauenvollen Corona-Periode.

Echte Baerbock eben. Von der Frau, die ihrer eigenen Ansicht nach "Außenministerin unseres wunderbaren, vielfältigen Landes war und auf der ganzen Welt mit Vertrauen und Respekt willkommen geheißen wurde". Man kennt die Bilder. Untertroffen wurden sie nur noch von dem Empfang, der einst US-Außenminister Tony Blinken in Istanbul zuteil wurde, mit Begrüßung durch den stellvertretenden Provinzgouverneur im Dunkeln. Immerhin hat sie ein Talent, das sich beim Durchwandern des von ihr hinterlassenen Trümmerhaufens (der leider, mit Blick auf die Ukraine und Gaza, alles andere als metaphorisch ist) als nützlich erweist: jederzeit die Wahrnehmung der wirklichen Welt vollständig durch die eigene Fantasie ersetzen zu können.

Nur eines ist an dieser Rede erfreulich: dass sie sich auch bei den Saaldienern und den Putzfrauen bedankt.

Es wird ihr auch in New York gelingen, völlig auszublenden, wenn ihre Zuhörer ob ihrer im Englischen noch fremdartigeren Ausdrucksweise schmerzhaft das Gesicht verziehen oder sich angestrengt auf etwas Anderes konzentrieren. Immerhin, UN-Vollversammlungen werden in Deutschland nicht im Fernsehen übertragen, und sie leitet ja nur die Sitzung und hält dort keine Reden. Also kann man zuversichtlich darauf hoffen, vorerst verschont zu werden. Manchmal muss man sich eben über kleine Wohltaten freuen.

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