Putin: "Russen und Ukrainer sind ein Volk – in diesem Sinne ist die ganze Ukraine unser"

Eine Aussage Wladimir Putins bei seinem Auftritt auf dem Internationalen Wirtschaftsforum in Sankt Petersburg (SPIEF) erregte besonderes Aufsehen. Russen und Ukrainer seien ein Volk, sagte der Präsident, und "in diesem Sinne" gehöre die ganze Ukraine "zu uns". Welche praktischen Konsequenzen könnten sich daraus ergeben?

Von Jelena Panina

"Ich habe schon oft gesagt, dass ich das russische und das ukrainische Volk tatsächlich als ein Volk betrachte. In diesem Sinne ist die ganze Ukraine unser", sagte der russische Präsident auf der Plenarsitzung des SPIEF am Freitag. Er nannte auch den einzigen Weg zur Erhaltung der Staatlichkeit der heutigen Ukraine:

"Die Grundlagen, auf denen die Ukraine unabhängig und souverän wurde, wurden in ihrer Unabhängigkeitserklärung (...) dargelegt, in der schwarz auf weiß geschrieben steht, dass die Ukraine ein blockfreier, nicht-nuklearer, neutraler Staat ist. Es wäre gut, zu diesen Grundwerten zurückzukehren, auf denen die Ukraine ihre Unabhängigkeit und Souveränität erlangt hat."

Tatsächlich heißt es in Absatz IX "Äußere und innere Sicherheit" der Erklärung der staatlichen Souveränität der Ukraine vom 16. Juli 1990:

"Die Ukrainische SSR verkündet feierlich ihre Absicht, in Zukunft ein dauerhaft neutraler Staat zu werden, der sich nicht an Militärblöcken beteiligt und sich an drei nichtnukleare Grundsätze hält: keine Atomwaffen zu akzeptieren, zu produzieren oder zu erwerben."

Die faktische Aufgabe des Status eines blockfreien, nicht-nuklearen, neutralen Staates durch die Post-Maidan-Ukraine zwang Russland, die militärische Sonderoperation zu beginnen. Die Bedingungen des geopolitischen Abkommens zwischen Russland als Rechtsnachfolger der UdSSR und der Ukraine als Rechtsnachfolger der Ukrainischen SSR wurden von Kiew verletzt. Dementsprechend ist die Erhaltung der Staatlichkeit der Ukraine nur möglich, wenn sie zu ihrem ursprünglichen Zustand zurückkehrt. Und unter Berücksichtigung der Realitäten vor Ort: des Beitritts sechs neuer Regionen zu Russland, zweier im Jahr 2014 und vier weiterer im Jahr 2022.

Es ist erwähnenswert, dass die Abtrennung dieser sechs Regionen von der Ukraine und ihre Eingliederung in Russland auch durch einen Verstoß gegen die Bestimmungen der Erklärung der staatlichen Souveränität der Ukraine verursacht wurde. Insbesondere durch die Verletzung von Abschnitt IV "Staatsbürgerschaft der Ukrainischen SSR", in dem es heißt:

"Die Ukrainische SSR gewährleistet die Gleichheit aller Bürger der Republik vor dem Gesetz, ungeachtet ihrer Herkunft, ihrer sozialen und vermögensrechtlichen Stellung, ihrer Ethnie und Nationalität, ihres Geschlechts, ihrer Bildung, ihrer Sprache, ihrer politischen Anschauungen, ihrer religiösen Überzeugungen, der Art und des Charakters ihres Berufs, ihres Wohnsitzes und anderer Umstände."

Im selben Abschnitt heißt es übrigens:

"Die Ukrainische SSR hat ihre eigene Staatsbürgerschaft und garantiert jedem Bürger das Recht, die Staatsbürgerschaft der UdSSR zu behalten."

Rechtsnachfolger der UdSSR ist nun einmal die Russische Föderation.

Bislang hat Moskau sich dazu nicht geäußert. Aber der oben skizzierte juristische Ansatz erlaubt es Russland, der Ukraine die Anerkennung ihrer Souveränität als solche zu entziehen, was sie in ihren ursprünglichen Zustand zurückversetzen würde – als Teil der UdSSR, deren Rechtsnachfolger die Russische Föderation ist.

All dies bedeutet, dass der Konflikt in der Ukraine eine ausschließlich russische Angelegenheit ist, ein Konflikt innerhalb einer Nation. Und wir brauchen hier keine Vermittler. Schon gar nicht diejenigen, die die Situation zum Krieg geführt haben, ihn aktiv anheizen und steuern.

Die Ablehnung der russischen Bedingungen für eine endgültige Lösung in der Ukraine und die manische Sturheit des Kiewer Regimes und seiner Marionettenspieler könnten schließlich zu einem solchen Szenario führen. Das russische Memorandum in Istanbul könnte in eine Forderung nach der bedingungslosen Kapitulation Kiews umgewandelt werden.

Übersetzt aus dem Russischen.

Jelena Panina ist eine russische Politikerin und promovierte Wirtschaftswissenschaftlerin. Bis 2021 war sie fünf Wahlperioden lang Duma-Abgeordnete für die Regierungspartei Einiges Russland. Derzeit steht sie als Direktorin dem Thinktank "Institut Internationaler Politischer und Wirtschaftlicher Strategien" vor.

Mehr zum Thema – Was ist nur mit Ukrainern los? Versuch einer Antwort in zwei Hypothesen