Von Felicitas Rabe
Ein deutsches Gericht kippte eine Auflage des deutschen Umweltbundesamtes mit der Begründung, diese deutsche Umweltbehörde sei für Umweltbestimmungen in Deutschland nicht zuständig. Das nenne ich mal ein Exempel statuieren: Deutsche Gerichte entscheiden gegen die Auflagen deutscher Behörden im Sinne von EU-Lobbyisten.
Was war passiert? Nach einer Bestimmung des Umweltbundesamtes (UBA) müssen Landwirte in Deutschland aus Umweltschutzgründen 10 Prozent ihrer Ackerflächen freihalten von Behandlungen mit dem umstrittenen Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat von Monsanto bzw. heute Bayer.
In der Anwendungsbestimmung mit der Nummer NT306-0 des Umweltbundesamtes heißt es zum Einsatz von Glyphosat:
"Zum Schutz von nicht zu bekämpfenden Insekten und anderen Gliederfüßern darf die Anwendung des Pflanzenschutzmittels nur auf maximal 9/10 der zu behandelnden Anbaufläche erfolgen."
Die Richter des Verwaltungsgerichts Braunschweig erklärten diese in der deutschen Landwirtschaft gültige Auflage in der vergangenen Woche für rechtswidrig. Schließlich dürfe es keine deutschen Sonderwege geben, so das Gericht in seiner Urteilsbegründung. In der übrigen EU dürften die Bauern ja auch sämtliche Ackerflächen mit dem Insektizid begießen.
Im Fachmagazin Agrarheute begrüßte man das Urteil offenbar. Es handele sich um ein klares Signal gegen nationale Alleingänge. In dem Artikel hieß es am Donnerstag:
"Das Verwaltungsgericht Braunschweig hat ein klares Signal gegen nationale Alleingänge bei der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln gesetzt. In einem aktuellen Urteil (Az. 1 A 41/22) erklärt das Gericht die Anwendungsbestimmung NT 306-0/2 für rechtswidrig."
Bei dem deutschen Sonderweg handele sich um eine Ungleichbehandlung gegenüber den anderen Bauern in der Europäischen Union. Wenn also allen Landwirten in der EU gestattet werde, sämtliche Ackerflächen zu vergiften, dann müsse dies auch den deutschen Bauern erlaubt sein, so offenbar die Logik.
Jahrelang hatte die einstige Umweltschutzpartei Bündnis 90/Die Grünen erklärt, sie würde bei einer Regierungsbeteiligung dafür sorgen, dass der Einsatz von Glyphosat in Deutschland komplett und auf allen Flächen untersagt würde bzw. es hierzulande keine Genehmigung für eine verlängerte Zulassung des Herbizids geben werde. Bedauerlicherweise habe man das aber für Deutschland nicht durchsetzen können, erklärten die grünen Möchtegern-Umweltschützer nach der Wahl. Leider habe nämlich die EU-Kommission Glyphosat für weitere 10 Jahre genehmigt. Auf der Homepage der Grünen wurde dazu am 8. Dezember 2023 veröffentlicht:
- "Glyphosat ist ein Totalherbizid, das alle Pflanzen – und damit die Grundlage für funktionierende Ökosysteme – abtötet. Zudem steht es im Verdacht, krebserregend zu sein.
- Die Koalitionspartner haben deshalb im Koalitionsvertrag der Bundesregierung festgelegt, Glyphosat Ende 2023 vom Markt zu nehmen.
- Unter den EU-Mitgliedsstaaten gibt es keine qualifizierte Mehrheit für die Wiedergenehmigung von Glyphosat. Dennoch hat die Europäische Kommission das Gift für weitere 10 Jahre genehmigt."
Schwups, das war's. Und was ist das Fazit? Mit der Ausrede, "uns sind leider die Hände gebunden", kann man in Deutschland nach der Wahl und in scheinbarer Regierungsverantwortung sämtliche vor der Wahl gegebenen Versprechen ad acta legen. Als gewählte Regierungspartei kann man sich in Deutschland offensichtlich jederzeit damit entschuldigen, dass man ja keine Kompetenzen habe, die Versprechen auch zu realisieren.
Im Falle der aktuellen Gerichtentscheidung für den unbegrenzten Einsatz von Glyphosat auf deutschem Bauernland scheint es den Glyphosat-Lobbyisten ungeheuer wichtig zu sein, dass jeder Quadratmeter in der europäischen Landwirtschaft mit ihrem Produkt begossen werden darf. Während also nach der Übernahme von Monsanto der deutsche Bayer-Konzern dafür aufkommen muss, die enormen Schadensersatzforderungen für die gesundheitlichen Folgen von Glyphosatvergiftungen bei US-Bürgern zu bezahlen, werden hierzulande die Beschränkungen für den Glyphosat-Einsatz von den Gerichten aufgehoben.
Im gleichen Streich werden deutsche Behörden von deutschen Gerichten im Interesse der EU-Chemielobby abgewatscht. Das Braunschweiger Urteil ist also auch ein Exempel dafür, dass nationale Bestimmungen, wie sie teilweise in einzelnen EU-Mitgliedsstaaten noch bestehen, scheinbar das Papier nicht wert sind, auf dem sie gedruckt wurden.
Wer weiß denn zum Beispiel, wie lange die EU-Getränkelobby noch akzeptieren wird, dass deutsches Leitungswasser so vielen nationalen Auflagen unterliegt und es bedenkenlos aus dem Hahn getrunken werden kann? Dadurch entgehen der Getränkewirtschaft doch Milliardengewinne, die sie mit dem Wasserverkauf in Plastikflaschen erzielen könnte. Das funktioniert doch in anderen Ländern auch.
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