Merz, der Schamlose: "Taurus"-Freigabe mit Lügen garniert

Kiew nehme nur militärische Ziele unter Beschuss. Dies behauptet Bundeskanzler Friedrich Merz ("Ultimaten-Fritz"), als er am Montag faktisch die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine und deren Freigabe für maximale Reichweiten verkündete. Selten haben wir eine schamlosere Lüge gehört.

Von Alexej Danckwardt und Martin Eulenburg

Der Montag, der 26. Mai 2025, wird wahrscheinlich in die Geschichte eingehen. An diesem Tag verkündete der amtierende deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU), es gebe keine Reichweitenbeschränkungen für an die Ukraine gelieferte westliche Waffen mehr, und zwar ausdrücklich auch nicht für deutsche Waffen. Damit verstrickt er unser Land noch tiefer als bislang in den Krieg in der Ukraine, mit noch unberechenbaren Folgen. Es könnte durchaus der letzte oder vorletzte Eskalationsschritt zum offen und ohne Stellvertreter geführten Dritten Weltkrieg gewesen sein. 

Für diese Verlautbarung wählte Merz einen "angemessenen" Rahmen: das 27. Internationale WDR Europaforum in Berlin, eine ihrem Selbstverständnis nach "wichtige Plattform für europapolitische Debatten", in diesem Jahr jedoch eine Propagandaveranstaltung für Militarisierung, "Kriegstüchtigkeit" und Aufrüstung. 

Was Merz während seines als "Interview" inszenierten Auftritts (sonst hält man ja bei einem offenen Kriegseintritt wenigstens eine Rede an die Nation) von sich gab, lässt einem den Atem stocken und das Blut gefrieren. Nicht allein wegen der potenziell für Millionen und Abermillionen tödlicher Konsequenzen seiner Ankündigung – auch und vor allem wegen der Dreistigkeit seiner Lügen, mit denen sie garniert wurde. 

Zuerst die Ankündigung selbst – und ja, sie ist nicht anders zu verstehen als die Bekanntgabe der angedrohten Taurus-Lieferungen an die Ukraine und die Freigabe von Schlägen mit deutschen Marschflugkörpern auf international anerkanntes russisches Territorium in ihrer maximal erreichbaren Reichweite. Betroffen sind nun auch Moskau und Wolgograd, das Deutsche besser unter dem Namen Stalingrad kennen. Zwei Namen, die deutsche Revanchistenherzen höher schlagen lassen. 

O-Ton Merz:

"Es gibt keinerlei Reichweitenbeschränkungen mehr für Waffen, die an die Ukraine geliefert worden sind. Weder von den Briten noch von den Franzosen noch von uns, von den Amerikanern auch nicht."

Das "von uns", also von Deutschland, ist hier die zentrale Botschaft: Es geht um "Taurus". 

Später ausdrücklich danach gefragt, dementiert dies der Kanzler auch nicht: 

"Ich gebe darauf eine wirklich abschließende Antwort: Wir werden alles tun, was in unseren Kräften steht, um die Ukraine auch militärisch weiter zu unterstützen."

"Wirklich alles" umfasst eben auch die Lieferung von "Taurus". Alea iacta est – die Würfel sind gefallen.

Nochmals Merz: 

"Das heißt also, die Ukraine kann sich jetzt also auch verteidigen. … Auch verteidigen, indem sie zum Beispiel militärische Stellungen in Russland angreift. Das konnte sie bis vor einiger Zeit nicht. Das hat sie bis vor einiger Zeit bis auf ganz wenige Ausnahmen nicht getan. Das kann sie jetzt. Wir nennen das im Jargon Long-Range-Fire. Also auch mit Waffen die Ukraine auszustatten, die militärische Ziele im Hinterland angreifen."

Auch hier sind mehrere Lügen verbaut. Zum einen konnte die Ukraine schon immer mit ihren Drohnen russisches Hinterland angreifen. Zum anderen hat sie es auch intensiv getan. Drohnenschläge gab es im Frühjahr 2023 auf Moskau. Sogar der Kreml wurde getroffen, besonders angetan hatten es den Ukrainern indes die Wolkenkratzer im Geschäftsviertel Moskau-City. In den letzten Monaten machten fast täglich Städte tief im russischen Hinterland Schlagzeilen mit Drohnenschlägen: Kasan, Saratow, Engels, Rostow, Woronesch, Belgorod, Kursk …

Zu den wirklich dreisten Lügen des Bundeskanzlers an diesem Tag kommen wir noch, aber schon im vorstehend Zitierten sind die handfeste Lüge und die Täuschung mit eingebaut. Merz tut so, als tue Deutschland "nur" das, was die USA ebenso tun, und als handele es sich bei dem Wegfall ausdrücklich jeglicher Beschränkungen des Einsatzes westlicher Waffen gegen Russland um eine gemeinsame Entscheidung von vier Verbündeten, Washington eingeschlossen. Das ist aber nicht nur zweifelhaft, es ist falsch. 

Kurz nach der Wahl Trumps hatte Biden die Beschränkung für ATACMS insofern aufgehoben, als nun "gestattet" war, mit diesen weiterreichenden Waffen die russischen Truppen im russischen Gebiet Kursk zu beschießen. Tatsächlich haben sich USA, Großbritannien und Frankreich nicht daran gehalten und auch russisches Gebiet außerhalb von Kursk mit ATACMS und Marschflugkörpern beschossen. 

Wenn Merz jetzt so tut, als ob es "nun" keine westlichen Reichweitenbeschränkungen für den Einsatz gegen russisches Territorium mehr gäbe, ist das nur der rhetorische Kniff, um seine Aufhebung der bislang bestehenden Beschränkungen für den Einsatz deutscher Waffen gegen russisches Gebiet zu kaschieren. Berlin versteckt sich hinter den Verbündeten. Bei den Westmächten hat sich indes nichts geändert, aber eben in Berlin.

Die wirklich dreiste Lüge des Kanzlers ist seine Behauptung, der russischen Zivilbevölkerung drohe kein Unheil durch die deutschen Marschflugkörper. Wir haben selten jemanden so unverschämt lügen gehört, wie es Merz in den folgenden Passagen tut: 

"Das ist der entscheidende qualitative Unterschied in der Kriegsführung der Ukraine. Russland greift völlig rücksichtslos zivile Ziele an, bombardiert Städte, Kindergarten, Krankenhäuser, Altenheime. Das tut die Ukraine nicht."

Lassen wir die Verleumdung Russlands, die Merz hier eingebaut hat, beiseite. Allein schon die Tatsache, dass Merz mit seinen Kumpanen unbehelligt in die fast völlig intakte ukrainische Hauptstadt reisen konnte, spricht eine andere Sprache. Wer wissen will, wie eine tatsächlich ausgebombte Stadt aussieht, kann sich Aufnahmen Dresdens im Jahr 1945 ansehen oder aktuell Gaza-Stadt. Russland behauptet von sich, nur militärische oder militärisch-industrielle Ziele und die Logistik der ukrainischen Armee gezielt anzugreifen. Alles, was einen anderen Eindruck erweckte, entpuppte sich bald als Folge der Tätigkeit ukrainischer Luftabwehr und in spektakulären Einzelfällen gar als ukrainische False-Flag-Aktion. 

Aber eine Negativtatsache zu beweisen ist kaum möglich und würde jeden vernünftigen Rahmen sprengen. Juristisch betrachtet ist der Nachweis einer Negativtatsache schlicht unmöglich: Deshalb ist immer der Behauptende in der Darlegungs- und Beweispflicht.

Doch schauen wir uns dieses unverschämte "Das tut die Ukraine nicht" einmal genauer an!

Belgorod, 30. Dezember 2023. Vorfeststimmung auf einem der zentralen Plätze der Stadt. Kinder sind auf der hier installierten Eislaufbahn, Familien kommen vom Einkauf, Passanten gehen ihren Wegen nach. 

Der ukrainische Beschuss aus Raketenwerfern, verwendet wurde Streumunition, begann um etwa drei Uhr nachmittags. Die Einschläge erfolgten in der Nähe des Dynamo-Sportkomplexes in der Parkowaja-Straße, in der Nähe eines Kaufhauses in der Popowa-Straße, in der Nähe der Ostrowski-Straße und in der Straße des 50-jährigen Bestehens der Region Belgorod. Eine der Granaten fiel auf die Eislaufbahn am Sobornaja-Platz, die zu dieser Zeit geöffnet war. Auch das Gebäude der Technischen Universität Belgorod wurde getroffen.

14 Menschen, alles Zivilisten, wurden dabei getötet, es gab 108 Verletzte, darunter 17 Minderjährige. Militärische Objekte gab es an keiner der genannten Adressen.

Eislaufbahn, Kaufhaus, Hochschule, zentrale Plätze und Straßen – sind das nach Meinung des "Christdemokraten" Merz militärische Objekte?

21. Januar 2024, Donezk. Ein folgenschwerer ukrainischer Beschuss trifft einen Sonntagsmarkt am Stadtrand, einen der billigsten, auf dem besonders Bedürftige das Lebensnotwendige kaufen. Es gab 25 Tote und 30 Verletzte, die Aufnahmen der Leichen ersparte RT DE seinen Lesern damals. RT-Gastautorin Tatjana Montjan wird zufällig Augenzeugin. In einem Interview berichtet sie, was sie gesehen hat:

"Auf dem Markt war alles voller Leichen, das zog sich bis in die Nebenstraßen. … Ich allein habe mehr als zwanzig Tote gezählt, aber einige Tote wurden noch danach aus den Trümmern geholt." 

Montjan, selbst Ukrainerin, Rechtsanwältin, gibt auch ihre Einschätzung, warum die Ukraine dies den Menschen antut, die nach Kiewer Duktus Bürger des Landes sind: 

"Viele fragen, warum die Ukraine das macht. Es ist einfach: Sie handeln Menschenleben gegen eine Ablenkung der russischen Armee von den Frontabschnitten, wo diese aktuell gute Aussichten auf Erfolg und Frontdurchbrüche hat. Russland ist dadurch gezwungen, einen Teil der Truppen und besonders der Luftabwehr zum Schutz der Zivilbevölkerung umzudisponieren. Tragödien wie diese zu verhindern, gelingt trotzdem nicht immer, weil die Luftabwehr nicht allmächtig ist und es Methoden gibt, um sie auszutricksen." 

Zweifel daran, wer es war, hat sie keine:

"Ich war selbst da, ich habe gesehen, woher die Geschosse kamen. Es war die Ukraine und niemand sonst!"

Es handelte sich nach Angaben russischer Ermittler auch um NATO-Munition, wer sonst soll es also gewesen sein? Und überhaupt, wie kommen eigentlich die 14.000 getöteten Zivilisten in der Volksrepublik Donezk zwischen April 2014 und Februar 2022 zustande, wenn die Ukraine so ein Musterknabe der humanitären Kriegsführung ist, wie Merz meint? 

21. Dezember 2024, Kasan. In den frühen Morgenstunden trifft in drei Wellen ein massiver Drohnenangriff Wohnviertel und zivile Infrastruktur der Hauptstadt Tatarstans. Das Büro des Bürgermeisters von Kasan meldete Brände infolge von Drohnenangriffen auf Wohnhäuser in drei Bezirken der Stadt. Insgesamt wurden acht Einschläge verzeichnet. Wie durch ein Wunder gab es keine Todesopfer. Mehrere Bewohner der beschädigten Hochhäuser mussten medizinisch versorgt werden – sie erlitten Schnittwunden durch Glassplitter. Auf Telegram wurden Bilder und Videos veröffentlicht, die den Moment der Einschläge oder deren Folgen zeigen.

8. März 2025 (Frauentag), Region Cherson. Die ukrainische Armee greift einen an diesem Tag besonders belebten Markt (Märkte haben es ukrainischen Kriegsverbrechern besonders angetan) in der Ortschaft Welikije Kopani mit HIMARS-Mehrfachraketenwerfern an. In einem zweiten, zeitlich perfide berechneten Angriff werden zur Rettung der Verletzten herbeigeeilte Sanitäter ins Visier genommen. Insgesamt wurden sechs Menschen, darunter ein Minderjähriger, getötet, acht wurden verletzt. Nur einen Tag später griff die ukrainische Armee auf dieselbe Weise das Dorf Welikaja Lepeticha an, hier gab es vier Tote und mehrere Verletzte. Einen Krankenwagen, der die Verletzten auf die Krim abtransportierte, griffen die Kriegsverbrecher später mit einer Drohne an.

Das sind nur vier aus Hunderten herausgegriffene Beispiele. Besonders der Donbass und die russischen Grenzregionen erleben ukrainischen Beschuss und Drohnenangriffe täglich, fast täglich sind getötete Zivilisten zu beklagen. Wir kommen mit unseren beschränkten Kapazitäten kaum nach, alles zu berichten, und wenn, dann hauptsächlich in unserem Liveticker zum Ukraine-Krieg.

Ukrainische Drohnenführer machen gezielte Jagd auf Zivilisten. Bombenterror im russischen Hinterland hat Kiew zum Mittel der Wahl auserkoren, nicht nur gegen Militärangehörige, auch gegen Zivilisten. Das prominenteste zivile Opfer ist Daria Dugina, aber es gab weitaus mehr. Die Ukraine macht gezielt Jagd auf Journalisten. Kiews Offizielle prahlen mit ihren Terroraktionen.

Gerade eben hatten Russland und die Ukraine in Istanbul den Gefangenenaustausch "Tausend gegen Tausend" vereinbart. Nun stellte sich heraus, dass unter denen, die Moskau damit freikaufen konnte, zwanzig durch Kiews Militär entführte Einwohner der Region Kursk waren. Zivilisten. Das, was man im Fall der Hamas Geiselnahme und Terror nennt, was ist es im Fall der Ukraine?

Wir können es dem durchschnittlichen deutschen Medienkonsumenten kaum zum Vorwurf machen, dass er wenig über die Kriegsverbrechen Kiews weiß. Die deutschen Medien berichten es kaum. Wenn sie es berichten, dann verstecken sie es in der Flut an Informationen oder spielen es herunter. 

Aber Merz ist kein gewöhnlicher Medienkonsument. Er bezieht sein Wissen nicht aus ARD und ZDF, der Bild oder dem Spiegel. Ihm werden Aufklärungsmappen und analytische Schriften vorgelegt. Er weiß am besten, dass und in welch massivem Umfang die Ukraine Kriegsverbrechen gegen Zivilisten begeht. Er ist schlicht und ergreifend ein Lügner, der keine Schamesröte unter wohl vom vielen Arbeiten aufgetauchter Sonnenbräune zu verstecken braucht. Sie kommt bei ihm schlichtweg nicht vor. 

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