Von Dagmar Henn
Letztendlich waren es nur 13.000 Stimmen, die eine Lage geschaffen haben, die das politische System Deutschlands vorerst vor tieferen Erschütterungen bewahrt. Nur das politische System ‒ für das Land bedeutet dieses Ergebnis das genaue Gegenteil.
Dass das BSW den Einzug in den Bundestag nicht geschafft hat, um besagte 13.000 Stimmen, macht eine Mehrheit aus CDU und SPD möglich. Die vermutlich keine allzu langen Verhandlungen benötigen wird, und daher auch die Wahrscheinlichkeit verringert, dass Ereignisse außerhalb Deutschlands, wie beispielsweise zwischen den USA und Russland, Auswirkungen auf die Verhandlungen haben werden. Im Gegenteil. Friedrich Merz und Boris Pistorius werden sich bestens vertragen, und beide werden mit Begeisterung dabei sein, in der EU den Kriegskurs weiter zu verschärfen.
Eine höhere Wahlbeteiligung gab es zuletzt 1987. Die Zahl der Nichtwähler lag also so niedrig wie seit über 30 Jahren nicht mehr. Die niedrigste Wahlbeteiligung gab es übrigens 2009. Fatal ist jedoch, dass das Resultat dieser Wahl trotzdem keine Antwort auf die drängendsten Fragen gibt, und dass mit der SPD, die das schlechteste Ergebnis seit 1887 eingefahren hat, sichergestellt ist, dass all die Entwicklungen, die in den letzten Jahren beispielsweise von einer Innenministerin Nancy Faeser ausgelöst wurden, nicht zurückgedreht werden.
Geschickt gemacht, muss man sagen. Obwohl laut "Forschungsgruppe Wahlen" die für die Wähler wichtigsten Themen "Frieden und Sicherheit", "Wirtschaft" und "Soziale Gerechtigkeit" waren, ist es gelungen, während des ganzen Wahlkampfs das Thema Migration nach vorn zu spielen. Was sehr zum Nutzen der CDU war, die auch noch in den letzten Sitzungen des Bundestages vorexerzierte, wie ähnlich doch ihre Positionen in dieser Frage jenen der AfD seien. Das BSW hatte sich gerade in der Frage Krieg und Frieden noch kurz vor der Wahl selbst ein Bein gestellt. Auch beim Thema Wirtschaft waren es nicht die Energiekosten oder die fatalen Folgen der Klimaideologie, die sich nach vorn drängten. Der Lärm, der rund um die "Brandmauer" gemacht wurde, erwies sich als erfolgreiche Ablenkung.
Aus der Sackgasse, in der das Land steckt, erweist sich kein Ausweg. Und ein solches Ergebnis bei einer hohen Wahlbeteiligung lässt wenig Raum für Optimismus. Man könnte versucht sein, zu sagen, das, was daraus folgen wird, hätten sich die Deutschen selbst zuzuschreiben. Eine schwarz-rote Koalition (die man schon längst nicht mehr "große" nennen kann) wird nicht von dem Pfad der Klimatugend abweichen, bestenfalls das Heizgesetz etwas korrigieren.
Die handfesten Probleme, die den wirtschaftlichen Niedergang der letzten Jahre ausgelöst haben, werden eher noch verschärft, weil eine Koalition unter Führung von Merz und Pistorius eher Kiew mit Taurus-Raketen beschenkt, als Nord Stream wieder zu öffnen, und sich an der Leidenschaft, Geld in Rüstung zu stecken, nichts ändern wird. Nur die Erzählung drumherum wird sich ändern, weil plötzlich von einer "Unabhängigkeit" von den USA die Rede ist, für die man aufrüsten müsse. Die Lebensbedingungen der normalen Deutschen werden sich weiter verschlechtern, und für politisches Abenteurertum ist ebenso gesorgt wie für eine Fortsetzung von Zensur und Repression. "Meinungsfreiheit bleibt Meinungsfreiheit, aber Fake News, Hassrede und Straftaten unterliegen rechtlichen Beschränkungen und unabhängigen Gerichten", so der Kommentar von Merz auf die scharfe Kritik, die US-Vizepräsident J.D. Vance auf der Münchner Sicherheitskonferenz am Umgang mit der Meinungsfreiheit in der EU geäußert hatte. Da ist er sich mit Pistorius ganz einig. Alles eben wie gehabt.
Also nach wie vor keine Luft zum Atmen, und keine Hoffnung auf eine Umkehr. Auch nicht auf einen realistischen Blick auf das ganze Corona-Elend. Was postete die CDU bereits am Tag nach der Wahl? "Die Ukraine muss den Krieg gewinnen." In der wirklichen Welt wird das so viel Bedeutung haben wie die Erklärung, Hansjürgen müsse im Lotto gewinnen, aber es wird dafür sorgen, dass die eingemauerten deutschen Medien eingemauert bleiben. Allenfalls die Fördermittel für den Sumpf der Nebengeheimdienste à la Correctiv könnten etwas zurückgehen, weil sie doch allzu nah bei den Grünen stehen.
Nein, die Chance, dass sich mit diesen Wahlen etwas verändert, war von vornherein nicht groß, dafür genügen die Kräfte einfach nicht, die sich tatsächlich für Frieden einsetzen. Das macht das Ergebnis jedoch nicht weniger traurig. Ein Deutschland, das der Regierung Biden über den Tod hinaus Treue erweist und mit Blick auf den Eisberg auch noch auf "volle Kraft voraus" schaltet? Obwohl eigentlich auf den ersten Blick klar ist, was die letzten Jahre angerichtet haben?
Darüber tröstet nicht einmal die Tatsache hinweg, dass künftig nicht mehr Annalena Baerbock zuständig sein wird, das Land auf der Weltbühne lächerlich zu machen. Da wird sich Ersatz finden.
Es ist, als hätte es das Land aus der Zeit gerissen. Da wäre so viel zu tun, um einen Pfad in die multipolare Welt zu finden, und nichts davon wird geschehen. Stattdessen vermählt sich der lebende Leichnam der deutschen Sozialdemokratie mit einem Homunkulus aus Alfred Dregger und Wall Street, um den Traum vom Ostlandritt jetzt als Alleingang der EU weiterzuverfolgen.
Ist es das wirklich, was die Mehrheit der Deutschen wünscht? Das Wahlergebnis, in dem die zwei Parteien, die zumindest Zweifel an diesem Kurs anmelden, zusammen nur auf 25 Prozent der Stimmen kommen, erweckt zumindest den Eindruck. Und die Sorge, dass alles noch viel schlimmer werden muss, ehe Anlass zur Hoffnung besteht.
Mehr zum Thema: Pflicht-Wähler – Alles bleibt, wie es war