Angst um die eigene Haut – Warum Selenskij sich gegen Trump stellt

Selenskij hat große Angst, seine Macht zu verlieren. Während seiner Präsidentschaft hat er sich viele mächtige Feinde gemacht. Er ist sich bewusst, dass er und seine Getreuen von der US-Justiz beschuldigt werden könnten, westliche Hilfen veruntreut – und von den russischen Ermittlungsbehörden, Kriegsverbrechen begangen zu haben.

Von Sergei Mirkin

Noch vor Kurzem sah es so aus, als würde der Kopf des Maidan-Regimes, Wladimir Selenskij, alles tun, um dem US-amerikanischen Präsidenten Donald Trump nützlich zu sein. Doch in der vergangenen Woche haben sich die Beziehungen zwischen den beiden Politikern verschlechtert. Trump nannte den ukrainischen Machthaber einen Diktator. Warum hat Selenskij beschlossen, sich dem US-Präsidenten entgegenzustellen?

Selenskij ist von seiner eigenen Bedeutung überzeugt

Nach dem Beginn der militärischen Sonderoperation wurde Selenskij von den westlichen Medien als Verteidiger von Demokratie und Freiheit dargestellt; er sprach vor zahlreichen Zuhörern, Politikern, Teilnehmern an kulturellen Veranstaltungen und Medienvertretern und erhielt überall Beifall. Kritik am ukrainischen Präsidenten war in den westlichen Medien tabu.

Er, ein ehemaliger Schauspieler, schlüpfte in eine Rolle und glaubte, er sei der große Politiker der Epoche. Er sah, dass er mit allem durchkam. Der Botschafter der Ukraine in Deutschland konnte Bundeskanzler Olaf Scholz eine Leberwurst nennen, ohne dass dies Konsequenzen nach sich zog. Selenskij beleidigte den slowakischen Premierminister Robert Fico, und es folgten keine Sanktionen. Er und seine Lakaien haben gelernt, dass dieses Verhalten zulässig ist. Vielleicht war er, wie einst der deutsche "Führer", der Meinung, dass er ein höheres Ziel verfolge – Europa vor Russland zu retten. Hinzu kommt der Drogenkonsum, der die angemessene Wahrnehmung der Realität beeinträchtigt.

Selenskij wurde vorgeschlagen, Trumps Interesse für die ukrainischen Bodenschätze zu wecken, um im Gegenzug vom US-amerikanischen Präsidenten alles verlangen zu können. Er glaubte an die Genialität dieser Idee. Die Realität sah jedoch anders aus: Die USA verlangten Ressourcen im Wert von 500 Milliarden US-Dollar, weigerten sich aber, Selenskijs Wünsche zu erfüllen. Das verärgerte ihn, und er beschloss, mit emotionaler Diplomatie Druck auf Trump auszuüben.

Deshalb hat er in München in seiner Rede und in verschiedenen Interviews US-Politiker kritisiert. Er forderte sie auf, sich an die Formel "nichts über die Ukraine ohne die Ukraine" zu halten. Er erwartete, dass er durch den Druck auf die Trumpisten in der Öffentlichkeit eine Einladung zum Treffen der russischen und US-amerikanischen Delegationen in Saudi-Arabien erhalten würde, aber das geschah nicht. Allerdings gelang es Selenskij, Trump und dessen Team zu verärgern.

Selenskij glaubt, dass die Zeit für ihn arbeitet

Das Team von Selenskij hat beschlossen, Zeit zu gewinnen, anstatt auf Trumps Forderungen einzugehen, da es überzeugt ist, dass Trumps friedensstiftender Eifer vergehen wird. Kiew ist zuversichtlich, dass Trump die Ukraine nicht ohne Unterstützung lassen wird; eine Niederlage der Ukraine wäre für das Image der USA schlimmer als der Abzug aus Afghanistan.

Trump positioniert sich hingegen als starker Politiker, sodass er keine Maßnahmen ergreifen wird, die ihn schwach aussehen lassen könnten. Selenskijs Team glaubt, dass die Ukraine geopolitisch zu wichtig für die USA ist, als dass Trump sie aufgeben könnte.

Aber selbst wenn Washington die Finanzierung und Waffenlieferungen des Maidan-Regimes einschränkt, glaubt man in Kiew, dass die EU diese Verluste kompensieren wird. In der Ukraine wird das Narrativ verbreitet, dass die EU dem Land während des Krieges mehr Hilfe gewährt habe als die USA. Daher hofft Selenskij, dass es den Liberalen in den USA und in der EU gelingen wird, informationellen und politischen Druck auf das Weiße Haus aufbauen und die Trump-Regierung zu einer Politik der totalen Unterstützung für die Ukraine bewegen zu können.

Selenskijs Leute planen daher, russisches Territorium zu beschießen und Anschläge zu verüben, um Russland zu einer harten Reaktion zu zwingen. Es werden Provokationen seitens des ukrainischen Militärs und der ukrainischen Geheimdienste folgen, für die Kiew Moskau verantwortlich machen wird. Selenskij hofft, dass er und seine Gefolgsleute Trump in der Ukraine so viel Ärger bereiten können, dass sie in der Lage sind, ihn zu zwingen, alle Wünsche des Kiewer Regimes zu erfüllen.

Diese Pläne wirken vor dem Hintergrund von Trumps Erklärungen, dass Selenskij das Land verlieren könnte, wie eine Utopie. Doch nicht nur Selenskij, sondern auch ein Teil der ukrainischen Elite ist gefangen in den eigenen Fantasien.

Die Ängste von Selenskij

Selenskij entschied sich für die Konfrontation mit dem Weißen Haus, weil die USA der Ukraine keine Sicherheitsgarantien geben wollten. So erklären jedenfalls ukrainische Propagandisten sein Vorgehen. Aber selbst Selenskij hätte verstehen müssen, dass die Ukraine nicht in die NATO aufgenommen wird und die Frage des "Friedenskontingents" in Verhandlungen zwischen Russland und den USA entschieden werden würde. Eigentlich wollte er Garantien für den Erhalt der Macht bekommen, möglicherweise nicht nur von Washington, sondern auch von Moskau.

Was kann er fordern? Dass er die Wahl nach den "Regeln" der Selenskij-Partei durchführen kann. Das politische Feld der Ukraine wird vollständig von allen gesäubert, die man als Opposition ansieht. Bei der Präsidentenwahl gegen Selenskij werden technische Kandidaten antreten, die keine Chance auf einen Sieg haben.

Aber die US-Amerikaner haben ihn diesbezüglich faktisch schon abgewiesen. Trump sagte, Selenskij habe in der Bevölkerung einen Rückhalt von vier Prozent. In Washington weiß man, dass er mit einem solchen Popularitätslevel nicht an der Macht bleiben kann. Es macht also keinen Sinn, seine Wünsche zu erfüllen.

Selenskij hat große Angst, die Macht zu verlieren. Während seiner Präsidentschaft hat er sich viele mächtige Feinde gemacht. In ukrainischen Telegramkanälen kursieren Gerüchte, wonach der Oligarch Igor Kolomoiski Rache geschworen habe, weil er ihn ins Gefängnis gesteckt hat. Und Leute wie Kolomoiski können einen überall auf der Welt erreichen.

Selenskij versteht, dass ihm und seinen Gefolgsleuten von der US-Justiz vorgeworfen werden könnte, westliche Hilfsgelder veruntreut zu haben. Außerdem könnten sie vonseiten der russischen Ermittlungsbehörden für die von den ukrainischen Streitkräften begangenen Kriegsverbrechen zur Rechenschaft gezogen werden. Vor allem die Angst um die eigene Haut treibt ihn dazu, sich gegen Trump zu stellen. Wenn Selenskij erkennt, dass er die Macht nicht halten kann, wird er wahrscheinlich versuchen, persönliche Sicherheitsgarantien für sich und sein Umfeld einzufordern. Dafür könnte es aber schon zu spät sein.

Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 21. Februar 2025 zuerst auf der Webseite der Zeitung Wsgljad erschienen.

Sergei Mirkin ist ein russischer Journalist aus Donezk.

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