Wo liegen die Grenzen für das Wachstum der russischen Wirtschaft?

Bei den derzeitigen Zinssätzen kommen Investitionen in eine Ausweitung der Produktion in Russland nicht infrage. In den letzten Jahren wurde das Potenzial für eine rasche Produktionssteigerung weitgehend ausgeschöpft.

Von Dmitri Skworzow

Die Ergebnisse der Wirtschaftsentwicklung Russlands für das Jahr 2024 sind noch nicht zusammengefasst worden, und die offiziellen Zahlen der Statistikbehörde Rosstat über das Wachstum liegen noch nicht öffentlich vor. Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat jedoch bereits seine Schätzung für das russische BIP-Wachstum (in Kaufkraftparität) von 3,6 Prozent auf 3,8 Prozent angehoben. Die Schätzung des russischen Ministeriums für wirtschaftliche Entwicklung liegt mit 3,9 Prozent etwas höher. Für 2025 sagen die IWF-Experten allerdings einen deutlichen Rückgang des Wirtschaftswachstums voraus (auf 1,6 Prozent).

Einerseits ist dieser Standpunkt nicht neu. Im Januar vergangenen Jahres prognostizierte der IWF für Russland ein BIP-Wachstum von 0,3 Prozent für das Jahr 2024. Im April wurde die Prognose auf 0,7 Prozent, im Juli auf 1,5 Prozent und im Oktober auf 2,2 Prozent angehoben. Und das tatsächliche Wachstum könnte schließlich bei rund 4 Prozent liegen.

Der IWF hat seine Prognose für 2025 ebenfalls angehoben, doch dürfte die prognostizierte Wachstumsrate der russischen Wirtschaft immer noch deutlich niedriger ausfallen als im abgelaufenen Jahr – mit nur 1,6 Prozent. Die Zentralbank der Russischen Föderation ist mit den IWF-Experten solidarisch und prognostiziert ein russisches BIP-Wachstum im Bereich von 0,5 bis 1,5 Prozent im Jahr 2025 und 1,0 bis 2,0 Prozent im Jahr 2026. Und diese Prognosen wurden noch vor Trumps jüngsten Drohungen mit einem Einbruch der Ölpreise, die einen erheblichen Teil der russischen Haushaltseinnahmen ausmachen, veröffentlicht (Drohungen, auf die der Ölmarkt kaum reagierte).

Was die makroökonomischen Prognosen anbelangt, so war die Zentralbank im vergangenen Jahr sehr konservativ in ihren Einschätzungen. Doch dieses Mal sind auch andere Experten mit ihr solidarisch. So wird in der Konsensprognose des russischen Zentrums für Preisindizes vom Oktober ein BIP-Wachstum im Jahr 2025 auf demselben Niveau wie in der Prognose der Zentralbank erwartet.

Maxim Reschetnikow, der russische Minister für wirtschaftliche Entwicklung, schätzte vor den Neujahrsfeiertagen die Aussichten für 2025 ein: "Was die Erwartungen an das nächste Jahr betrifft, so ist die größte Herausforderung die Politik der Abkühlung der Wirtschaft [...] Ab Januar/Februar werden wir ihre Folgen deutlicher spüren." Diese Politik wurde von der Zentralbank als der einzig mögliche Weg zur Bekämpfung der Inflation propagiert. Um diese Politik umzusetzen, hatte die Zentralbank den Zinssatz auf 21 Prozent erhöht.

Viele Industrielle weisen zu Recht darauf hin, dass bei einem solchen Zinssatz Investitionen in die Ausweitung der Produktion nicht infrage kommen. Fairerweise muss erwähnt werden, dass eine hohe Inflation auch für Investitionen in die Produktion (mit einer langen Amortisationszeit) ungünstig ist. In einem Punkt sind wir uns jedoch uneingeschränkt einig: Im Zeitraum 2023 bis 2024 wurde das Potenzial für eine rasche Ausweitung der Produktion weitgehend ausgeschöpft, und mit einfachen Maßnahmen lassen sich die früheren Wachstumsraten nicht mehr erreichen.

Quellen des Wirtschaftswachstums

Das Wachstum der russischen Wirtschaft in den Jahren 2023 bis 2024 wurde in erster Linie durch erhöhte Staatsausgaben in der Rüstungsindustrie und Infrastrukturinvestitionen angetrieben. Dazu gehören Ausgaben für den Wiederaufbau der befreiten Gebiete der neuen russischen Regionen und die staatliche Kofinanzierung des Aufbaus neuer Produktionsanlagen (sowohl für die Rüstungsproduktion als auch für die Produktion von Schlüsselprodukten im Rahmen des Importsubstitutionsprogramms). Zu diesem Zweck wurde sogar ein Mechanismus günstiger Industriehypotheken erfunden, der es den Unternehmen ermöglicht, die "Null-Zyklus"-Kosten für den Bau von Werkstätten und Infrastrukturen zu strecken, sodass ein erheblicher Teil davon auf den Zeitraum entfällt, in dem die Produktion bereits läuft und beginnt, Gewinne zu erwirtschaften.

Dennoch wurde das Wachstum der Industrieproduktion vor allem auf Basis einer besseren Auslastung der vorhandenen Kapazitäten erreicht. In drei Jahren sind diese Reserven bereits weitgehend erschöpft, und die Quelle für ein Wachstum des physischen Volumens der Industrieproduktion kann jetzt nur noch die Einführung neuer Produktionsanlagen oder eine erhebliche Steigerung der Arbeitsproduktivität in den bestehenden Produktionsanlagen darstellen. Dies ist ohne deren technische Umrüstung (die ebenfalls Investitionen erfordert) nicht möglich.

Die technische Umrüstung wird nicht nur für die Unternehmen des militärisch-industriellen Komplexes und die wichtigsten Industrien, die die technologische Souveränität gewährleisten, zu einem dringenden Erfordernis. Der zunehmende Arbeitskräftemangel betrifft auch das Verkehrswesen und die öffentlichen Versorgungsbetriebe, den agrarindustriellen Komplex und den Dienstleistungssektor. Die Unternehmen haben nur zwei Möglichkeiten, auf diese Herausforderung zu reagieren: entweder die Löhne zu erhöhen, um den Wettbewerb um das Personal zu gewinnen, oder sich technisch neu auszurüsten, was wiederum Investitionen erfordert.

Die Frage ist, woher diese kommen werden. Es ist klar, dass wir nicht mit einem ernsthaften Zufluss von Auslandsinvestitionen rechnen können. Wenn sie aus befreundeten Ländern kommen, dann nur in einer begrenzten Anzahl von Unternehmen/Industrien, für die entsprechende zwischenstaatliche Vereinbarungen getroffen werden. Inländische Investitionen zu den derzeitigen Zinssätzen der Zentralbank sind nur auf Kosten der eigenen Gewinne möglich. Gleichzeitig bieten Export-Import-Geschäfte oder Währungsspekulationen, wenn man die Wahl hat, höhere Renditen (und das in kurzer Zeit) als Investitionen in den realen Sektor. Die dritte Investitionsquelle – die monetäre Emission – wird noch nicht einmal diskutiert: Nach Ansicht der meisten Wirtschaftswissenschaftler wird sie nur die ohnehin schon schwer zu bekämpfende Inflation beschleunigen.

Die Inflationsbekämpfung – das Heilmittel ist schlimmer als die Krankheit

Ist die Überhitzung der russischen Wirtschaft (wie die Zentralbank behauptet) die eigentliche Ursache der Inflation, oder ist sie anderer Natur? Diese Frage ist Gegenstand heftiger Debatten.

Vertreter der Industrie, die importierte Komponenten verwenden (unabhängig davon, ob sie aus China stammen oder über Drittländer durch Parallelimporte bezogen werden), argumentieren zu Recht, dass die Hauptursache für den Anstieg ihrer Kosten der Anstieg des US-Dollar-Kurses ist. Daher, so sagen sie, ist die Inflation in Russland hauptsächlich eine Kosteninflation. Und hohe Wechselkurse erhöhen nur die Kosten der Export-Import-Geschäfte, sie tragen also zur Inflation bei.

Allerdings gibt es eine gewisse Überhitzung des Arbeitsmarktes. Die Personalknappheit führt zu einem Lohnwettbewerb, in dessen Folge Unternehmen, die keine Begrenzung der Lohnkosten haben, Mitarbeiter aus Branchen abwerben, in denen eine flexible Gestaltung der Gehälter nicht möglich ist (zum Beispiel in vielen staatlichen Strukturen, der russischen Post und so weiter). Infolgedessen sind auch die Unternehmen, die keine Rentabilitätsspanne haben, gezwungen, die Löhne zu erhöhen. Und ihre steigenden Kosten führen zu höheren Preisen.

Ein hoher Zinssatz reduziert leicht das Volumen der Kredite an private Haushalte, das heißt, er sollte theoretisch die Nachfrage reduzieren. Vor dem Hintergrund des Lohnwachstums ist dies jedoch nicht der Fall. Folglich treffen hohe Zinsen in erster Linie diejenigen, die ohne Kredit keine größeren Anschaffungen tätigen können, ohne dass dies zu einem makroökonomischen Ergebnis führt.

Andererseits belasten die hohen Zinssätze das Staatsbudget, das im Rahmen von Programmen zur Vergabe von Vorzugskrediten den Unternehmen einen Teil des Zinssatzes für Bankkredite (und den Bürgern einen Teil des Zinssatzes für Vorzugshypotheken) erstattet. Im Ergebnis bedeutet dies, dass man mit dem Geld, das der Staatshaushalt für zinsgünstige Hypotheken ausgibt, um eine Wohnung für eine Familie zu kaufen, drei Wohnungen für drei Familien kaufen könnte. Bei der derzeitigen Regelung fließt dieses Geld hingegen an die Bank. Ähnlich verhält es sich mit zinsgünstigen Darlehen für Unternehmen.

Unter diesen Bedingungen ist die russische Regierung gezwungen, die Formen der Industrieunterstützung zu ändern. Wie der Minister für wirtschaftliche Entwicklung Maxim Reschetnikow zu den Plänen für 2025 sagte, "werden wir bei Investitionskrediten dazu übergehen, den Zinssatz nicht direkt zu subventionieren, sondern einen vom Investitionsvolumen abhängigen Zuschuss zu gewähren. Der Unternehmer wird also die Wahl haben zwischen Eigen- und Fremdkapital für den Teil des Projekts, der nicht durch den Zuschuss abgedeckt ist. Wenn du willst, nimm einen Kredit auf, oder zahl es aus eigener Tasche."

Was aber, wenn ein gewisses Investitionsprojekt für das Land wichtig ist, der Unternehmer nicht genug Geld in der Tasche hat und der Kreditzins es ihm nicht erlaubt, Investitionen auf rückzahlbarer Basis zu tätigen?

Für die industrielle Entwicklung nutzlose Banken

Eine einfache Senkung des Leitzinses wird in dieser Situation nicht helfen. Das derzeitige russische Bankensystem wurde in den postsowjetischen Jahren nach dem Vorbild des US-amerikanischen Systems geschaffen. Das heißt, die oberste Priorität war die Maximierung der Gewinne in kürzester Zeit durch Finanztransaktionen. Die Haupteinnahmequellen unserer Banken sind daher die Kreditvergabe an die Bevölkerung, Währungsspekulationen (Pardon, Devisengeschäfte...) und Kredite für Handels- und Beschaffungsaktivitäten (einschließlich Export-Import-Geschäften).

Eine weitere wichtige Einnahmequelle für westliche Banken ist die Beteiligung an Börsengängen und die Verwaltung der Gelder von Einlegern/Anlegern an der Börse. Für russische Banken ist dies keine sehr wichtige Einnahmequelle, denn vor der Verhängung der Sanktionen zogen es russische Unternehmen vor, Börsengänge auf westlichen Plattformen (und zumeist unter Beteiligung westlicher Banken) durchzuführen, und das den russischen Banken anvertraute Kapital inländischer Investoren (ob Privat- oder Firmenkunden) war nicht so groß, dass es möglich gewesen wäre, aus der Verwaltung dieser Gelder in der Gesamtbilanz nennenswerte Erträge zu erzielen. Außerdem war das Eigenkapital der meisten russischen Banken nicht so groß, dass sie auf dem Aktienmarkt, wie sie es nennen, "auf eigene Faust" spielen konnten (eine Bank kann nicht einen erheblichen Teil ihrer Mittel in ein einziges Projekt investieren).

Die Kreditvergabe russischer Banken an die Industrie beschränkte sich zumeist auf Kredite für Betriebsmittel (und die Bedienung von Mitarbeitergehältern, bis die "Gehaltssklaverei" abgeschafft wurde, also die Möglichkeit des Arbeitgebers, zu bestimmen, an welche Bank er das Gehalt seines Mitarbeiters überweist). Die russischen Banken haben die Vergabe von Investitionskrediten bereits in den 1990er Jahren eingestellt (als der Zinssatz hoch war und die Investitionsprojekte in der Industrie geringere Bedeutung hatten).

Es sollte berücksichtigt werden, dass im Westen der Großteil der Investitionen in Produktionsprojekte über die Börse erfolgt: in der Anfangsphase durch Risikokapitalgeber und in der Reifephase durch Börsengänge. In unserem Land haben diese Mechanismen nie so recht funktioniert.

In den USA war es jedoch der Aktienmarkt, der den größten Teil der US-Dollar-Emissionen anhäufte, die über die Banken in die Wirtschaft flossen und das Wirtschaftswachstum stützten.

Wenn die Emissionsgelder in unserem Land in das bestehende Bankensystem fließen, werden die Banken das Geld zunächst für Devisengeschäfte ausgeben (und es ist nicht sicher, dass der Rubel nicht wieder an Wert verliert), danach werden sie Kredite an die Bevölkerung vergeben. Und sie werden Kredite an jene Unternehmen vergeben, die "schmackhafte Sicherheiten" bieten können. Um diese Unternehmen im Notfall in Konkurs gehen zu lassen und die Sicherheiten zu verwerten. Die meisten inländischen Banken haben keine Erfahrung mit Projektfinanzierungen, bei denen Geld für die Umsetzung eines Projekts bereitgestellt wird, das langfristig Gewinn bringen soll.

Russland braucht Entwicklungsinstitutionen

Russland braucht neue Strukturen, die als Kanäle für Investitionen in Industrieprojekte dienen können (auf die Quellen dieser Investitionen gehen wir etwas später ein).

Ihre Aufgabe sollte die Vergabe von langfristigen Darlehen für neue Investitionsprojekte sein. Natürlich zu einem Zinssatz, der die Durchführung dieser Projekte ermöglicht, das heißt etwa zwei bis sechs Prozent.

In erster Linie könnten dies staatliche Leasinggesellschaften sein, die beispielsweise beim Kauf unterstützen würden: Fluggesellschaften – beim Erwerb in Russland produzierter Flugzeuge, die Vereinigte Flugzeugbauvereinigung – bei der Anschaffung von Maschinen zur Produktionsausweitung, und so weiter entlang der Wertschöpfungskette. Darüber hinaus sollte das Ausrüstungsleasing nicht nur für große Unternehmen mit staatlicher Beteiligung, sondern auch für mittlere Unternehmen zur Verfügung stehen. Es sollte auch für Unternehmen zur Verfügung stehen, die echte Importsubstitutionsprojekte durchführen oder an der Lieferung von Komponenten an Großunternehmen beteiligt sind, die ihre Produktion steigern (unabhängig davon, ob dies im Rahmen staatlicher Verteidigungsaufträge oder nationaler Projekte geschieht).

Die Steigerung der Produktion für die Inlandsnachfrage wird die Zahlungsbilanz des Landes (die übrigens bereits positiv ist) drastisch verbessern und das Volumen des Inlandsmarktes erhöhen (da nicht nur das Endprodukt gekauft wird, sondern auch die gesamte Zahlungskette für Halbfertigprodukte und Komponenten bedient wird). Mit anderen Worten: Die gesamte Wertschöpfung wird in Russland verbleiben, nicht nur die Rentabilität des Importeurs und des Einzelhändlers.

Dies bedeutet, dass eine zusätzliche Emission von Rubeln die russische Wirtschaft nicht schädigen wird. Daher können die staatlichen Leasinggesellschaften durch gezielte Emissionen finanziert werden (oder zumindest durch den Nationalen Wohlfahrtsfonds – schließlich stellt eine Leasinggesellschaft den Unternehmen Mittel auf rückzahlbarer Basis zur Verfügung).

Und es sollte möglich sein, Geld für ein großes Projekt zur integrierten Entwicklung eines Gebiets bereitzustellen, bei dem Unternehmen geschaffen werden, die Rohstoffe über die gesamte technologische Kette bis zum Endprodukt verarbeiten. Gegenwärtig gibt es einfach keine solchen Strukturen, und wir sollten nicht erwarten, dass ein paar kommerzielle Unternehmen in der Lage sein werden, sich nicht nur im Rahmen eines bestehenden Großprojekts zu einigen, sondern überhaupt ein solches Projekt selbständig zu schaffen. Was wir heute brauchen, ist nicht der Gosplan 2.0 (Staatliche Plankommission), denn es gibt keine Aufgabe, die gesamte Wirtschaft auf die Planschiene zu bringen. Wir brauchen vielmehr ein staatliches Unternehmen für ganzheitliche Entwicklung, das in der Lage ist, langfristige Pläne zu erstellen und große und mittlere russische Unternehmen an ihrer Umsetzung zu beteiligen.

Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 3. Februar 2025 zuerst auf der Webseite der Zeitung Wsgljad erschienen.

Dmitri Skworzow ist ein russischer Wirtschaftsanalyst.

Mehr zum Thema – Bericht: Europäische Union erwägt Rückkehr zu russischem Gas