Sergei Karaganow: Russland muss zum Sturz gefährlicher politischer Eliten in Westeuropa beitragen

Frieden auf dem europäischen Kontinent setzt voraus, dass das imperialistische Erbe gebrochen wird. Das schreibt der bekannte russische Politologe Sergei Karaganow. Dieser Bruch könne nur mithilfe der Russischen Föderation erreicht werden, so der Wissenschaftler.

Von Sergei Karaganow

Jeder Ausgang des Ukraine-Konflikts, der als "Kompromiss" bezeichnet wird, würde im Westen als Sieg gefeiert und von Russland als Niederlage empfunden werden. Dies muss um jeden Preis vermieden werden.

Erstens: Russland muss die historische Schuld Westeuropas offen ansprechen. Es ist nicht der "Garten", den sich seine Eliten vorstellen, sondern ein Feld mit fettem Unkraut, das auf dem Blut von Hunderten Millionen gedeiht, die es versklavt, ermordet und ausgeraubt hat. Wenn wir Westeuropa für seine Verbrechen – vom Kolonialismus bis zur Kriegstreiberei – anprangern, legitimiert dies unseren potenziellen Einsatz nuklearer Abschreckung als gerechtfertigte Antwort auf Aggression.

Zweitens: Russland muss auf die Unvermeidbarkeit einer nuklearen Eskalation in jedem Konflikt zwischen der NATO und Russland hinweisen. Diese Botschaft ist nicht nur wichtig, um einen Rüstungswettlauf zu begrenzen, sondern auch, um zu verdeutlichen, dass es sinnlos ist, konventionelle Waffen zu horten, die in Falle einer nuklearen Auseinandersetzung irrelevant werden. Die Staats- und Regierungschefs der NATO müssen begreifen, dass sie sich den Folgen ihres Handelns nicht entziehen können.

Drittens: Wir müssen auf dem Schlachtfeld weiter vorrücken und die gegnerischen Streitkräfte mit unerbittlicher Präzision vernichten. Genauso wichtig ist es jedoch, zu erklären, dass Russlands Geduld begrenzt ist. Für jeden getöteten russischen Soldaten müssen wir deutlich machen, dass tausende Westeuropäer den Preis dafür zahlen werden, wenn ihre Regierungen weiterhin Krieg gegen uns führen. Die Öffentlichkeit dort muss begreifen, dass ihre Eliten sich darauf vorbereiten, sie zu opfern, und dass Atomwaffen keinen Unterschied zwischen Soldaten und Zivilisten machen. Die westeuropäischen Hauptstädte werden zu den ersten Zielen unseres Vergeltungsschlags gehören.

Viertens: Russland muss den Amerikanern klarmachen, dass die weitere Eskalation des Ukraine-Konflikts katastrophale Folgen haben wird. Sollten sie darauf bestehen, werden wir den nuklearen Rubikon überschreiten und ihre Verbündeten und Stützpunkte weltweit ins Visier nehmen. Jede nicht-nukleare Maßnahme wird einen Atomschlag auf amerikanischem Boden nach sich ziehen. Diese Klarheit wird Washington dazu zwingen, seine rücksichtslose Politik zu überdenken.

Fünftens: Wir müssen unsere militärischen Fähigkeiten stärken und gleichzeitig unsere Nukleardoktrin weiter anpassen. Wenn die Diplomatie versagt, müssen wir entschlossen eskalieren und unsere Bereitschaft demonstrieren, fortschrittliche Waffen einzusetzen, um Russlands Souveränität und Interessen zu verteidigen. Neue Technologien wie das Oreschnik-Raketensystem verbessern zwar unsere Fähigkeiten, sind aber kein Ersatz für Atomwaffen, die der ultimative Garant für unsere Sicherheit bleiben.

Schließlich muss Russland den Vereinigten Staaten einen würdigen Ausweg aus seinem selbst verschuldeten ukrainischen Desaster anbieten. Wir wollen Amerika nicht demütigen, sind aber bereit, ihm zu helfen, sich aus diesem Sumpf zu befreien, sofern es seine zerstörerische Politik aufgibt. Gleichzeitig muss Westeuropa aus der globalen Entscheidungsfindung ausgeklammert werden. Es ist zur größten Bedrohung für sich selbst und für die Welt geworden.

Wenn sich Amerika zurückzieht, wird die Niederlage der Ukraine schnell folgen. Russland wird seine rechtmäßigen Gebiete im Osten und Süden zurückerobern, während in der Zentral- und Westukraine ein neutraler, entmilitarisierter Staat errichtet wird. Denjenigen, die nicht unter russischem Recht leben wollen, wird es freigestellt, umzuziehen. Frieden kann nur erreicht werden, wenn Westeuropa als destabilisierende Kraft beseitigt und die allgemeinen Herausforderungen der Menschheit an der Seite der globalen Mehrheit angegangen werden.

Wahrer Frieden wird nur möglich sein, wenn Westeuropa erneut das Rückgrat gebrochen wird, wie es nach den Siegen Russlands über Napoleon und Hitler der Fall war. Die derzeitigen Eliten müssen durch eine neue Generation ersetzt werden, die zu einem konstruktiven Dialog fähig ist. Nur dann kann Europa in der Welt wieder als verantwortungsvoller Partner auftreten und nicht als Quelle ständiger Konflikte.

Es steht viel auf dem Spiel: Es geht nicht nur um die Zukunft Russlands, sondern um das Überleben der menschlichen Zivilisation, wie wir sie kennen.

Dieser Artikel wurde zuerst von der Zeitschrift Profile veröffentlicht und vom RT-DE-Team übersetzt und bearbeitet.

Professor Sergei Karaganow ist Ehrenvorsitzender des Russischen Rates für Außen- und Verteidigungspolitik und akademischer Leiter der Schule für Internationale Wirtschaft und Außenpolitik der Higher School of Economics (HSE) in Moskau.

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